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Meister Konrad von Würzburg
(1273 – 1287)
Herbstlied
Schon zittert die Linde,
Vom Winde
Beraubet,
Der dort sie vorm Walde
Zu balde
Entlaubet.
Und wie sich die Heide
Im Leide
Nun übet,
So hat mir die Minne
Die Sinne
Betrübet.
Und sehnende Leiden
Bescheiden
Mir Sorgen;
Die muß ich mit Zagen
Ertragen
Verborgen.
Die huldreich sonst blickte,
Die schickte
Mir Kummer,
Seit sie mir verhohlen
Gestohlen
Den Schlummer.
Ach gnädig, du Reine,
Erscheine
Mir Armen,
Und laß dich die Schmerzen
Von Herzen
Erbarmen.
Den Geist mir entwinde
Geschwinde
Dem Leide!
Von Flammen der Minne
Die Sinne
Mir scheide!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der
Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 222)
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Herbstgefühl
Ach seht, wie im Winde
Die Linde
Nun zittert;
Ihr Laub vor dem Walde
Zu balde
Verwittert;
Und Klag' auf der Haide
Mit Leide
Man übet:
So hat mir die Minne
Die Sinne
Betrübet.
Ach, sehnende Leiden
Bescheiden
Mir Sorgen;
Die muß ich ertragen
Und klagen
Verborgen.
Die stets mir verhohlen
Gestohlen
Den Schlummer:
Die läßt mich vergehen
In Wehen
Und Kummer.
Ach, gnädig erscheine,
Du Reine,
Mir Armen;
Und laß dich die Schmerzen
Von Herzen
Erbarmen;
Den Geist mir entbinde
Geschwinde
Von Leide;
Aus wogendem Feuer
Dein Steuer
Mich scheide!
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 285-286)
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Wieder will die linde im winde
sich fälben,
Wieder vor dem walde zu balde
schon gelben.
Trauern auf der heide mit leide
man übet:
Und auch mir die minne die sinne
betrübet.
Bin von sehnens wunden gebunden
an sorgen,
Die muss ich in schulden nun dulden
verborgen:
Die mit spielenden blicken und tücken
mich sehret,
Hat mein leid aufs neue mit reue
gemehret.
Gnade, herrin, reine, du meine,
mich armen
Lass dich meiner schmerzen von herzen
erbarmen.
Mein gemüt entbinde geschwinde
von leide,
Aus der minne feuer dein steuer
mich scheide.
Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)
Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 124)
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Von
Herzen erbarmen
Wieder will die Linde
Vom Winde
Sich fälben,
Die sich vor dem Walde
Zu balde
Mag gelben.
Trauern auf der Haide
Mit Leide
Man übet;
So hat mir die Minne
Die Sinne
Betrübet.
Mich haben Liebeswunden
Gebunden
Zu Sorgen.
Die muß ich mit Zagen
Nun tragen
Verborgen.
Die mit der Augen Schimmer
Mich immer
Versehret,
Die hat mein Leid aufs Neue
Mit Reue
Gemehret.
Gnade, Fraue reine,
Nun meine
Mich Armen.
Laß dich meine Schmerzen
Von Herzen
Erbarmen.
Mein Gemüth entbinde
Geschwinde
Von Leide!
Aus der Minne Feuer
Deine Steuer
Mich scheide.
Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 263-264)
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