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Oswald von Wolkenstein
(um 1377 – 1445)
An die Entfernte
Herz, Mut, Leib, Seel' und was ich hab',
Ein lieblich Angesicht erfreut,
Dem will ich treu sein bis ins Grab,
Zu dienen stetiglich bereit.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.
Ich wollt', du wüßtest nur zum Teil
Die Freundschaft, die ich zu dir trag';
Doch wär' es noch ein größer Heil,
Erführst du sie ohn' Frag'.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.
Wie fern ich sei, ist mir doch nah'
Inbrünstiglich dein stolzer Leib,
Sehnsuchtsvoll wünsch' ich, du wärst da;
Du tröstest mich vor jedem Weib.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.
Nachgedichtet von Ludwig Passarge
(1825-1912)
Aus: Dichtungen von Oswald von Wolkenstein (1367-1445)
Übersetzt, eingeleitet und erklärt von Ludwig Passarge
Leipzig Reclam 1891 (S. 116)
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