Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Reinmar der Alte (von Hagenau)
(um 1194 - 1207)

 


Beim Ballspiel

Hei! jetzt seh ich frohe
Zeichen rings umher.
Winter flieht, und drohe
Er auch noch so sehr.
Kaum erwart ich nun die Zeit,
Weil mich floh die Freudigkeit,
Seit rings alles lag verschneit!

Keiner soll mißgönnen
Mir den frohen Mut,
Der nur mag es können,
Der gern Sünde tut!
Keinem tu ich Leides an;
Wenn ich ihre Gunst gewann,
Kümmerts weder Frau noch Mann!

Soll ich meine Liebe
Bergen vor der Welt?
Wär es gleich dem Diebe
Doch mit mir bestellt.
Davor schreckt zurück mein Sinn,
Suche anderwärts Gewinn,
Ob ich hergeh oder hin.

Freut sich mit dem Balle
Kindlich ihr Gemüt,
Daß sie nur nicht falle –
Gott mir dies verhüt!
Mädels, laßt das Drängen sein!
Stoßt mir nicht mein Mägdelein,
Sonst ist halb der Schade mein.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 41)

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Aufgepaßt!

Hei! ich kam dahinter,
Wie die Sache steht,
Daß der leid'ge Winter
Bald zu Ende geht.
Kaum erwart' ich noch den Tag,
Weil die Freude fern mir lag,
Seit verschneit war Feld und Hag.

Mir mißgönnt es Keiner,
Bin ich frohgemuth;
Weiß Gott, thut es Einer,
Daß er Sünde thut.
Keinem thu' ich Leides an;
Wenn ich ihre Huld gewann,
Kümmert's einen Andern dann?

Sollt' ich Lust und Liebe
Bergen still und stumm:
Müßt' ich gar zum Diebe
Werden noch darum.
Klug vermeid' ich's immermehr;
Anderwärts steht mein Begehr,
Mag ich hingeh'n oder her.

Treibt sie mit dem Balle
Frohen Kinderspaß:
Daß sie schmerzlich falle,
Gott verhüte das!
Mädchen, laßt das Drängen sein!
Stoßet ihr mein Mägdelein,
So ist halb der Schade mein.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 211-212)

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Wohl mir lieber märe,
Die ich hab vernommen,
Dass des winters schwere
Will zum ende kommen.
Kaum ich es erwarten mag,
Weil ich freude nicht mehr pflag,
Seit der kalte rauhreif lag.

Seht, mich hasset niemand,
Bin ich froh bereit.
Weiss Gott, tut es jemand,
Ist's unseligkeit,
Weil ich keinem schaden kann.
Denn was sie mir bietet an,
Kümmert's einen andern mann?

Sollt ich meine liebe
Bergen oder hehlen,
So müsst ich zum diebe
Werden oder stehlen.
Da hab ich mich klug bewahrt,
Mein gewerb ist andrer art,
Gehe hin, geh her die fahrt.

Wenn sie mit dem balle
Treibet kindesspott,
Dass sie heftig falle,
Das verbiete Gott:
Mädchen, lasst das drängen sein:
Stosset ihr mein frauelein,
Ist des schadens hälfte mein.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 77-78)

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