Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Reinmar der Alte (von Hagenau)
(um 1194 - 1207)

 

Hoch wie die Sonne

Hoch steht das Herz mir gleich der Sonn' in heller Luft:
Das kommt von einer Frau, die wahrt in treue Brust
Gnade mir, wo sie auch sei;
Sie macht mich ganz von allem Leide frei.

Mich selbst nur kann ich geben und kein andres Gut
Und bin ihr Eigen; aber wißt, daß Freud' und Muth
Eigen mir die Schöne giebt,
So oft ich denke, wie sie lebt und liebt.

Wie glücklich bin ich, daß ich stets so treu sie fand!
Wo sie verweilt, die Eine macht mir lieb das Land;
Führe hin sie über See,
Ich führe mit; mir ist nach ihr so weh.

Wie wäre wohl mir, hätt' ich tausend Männer Geist,
Um sie zu fesseln, der sich treu mein Dienst erweist.
Sie bedenke jederzeit,
Daß nie von ihr mir widerfahr' ein Leid.

Nur ihr verdank' ich, was mir blieb an Freud' und Glück;
Was ich ihr wünschen kann, das wünscht sie mir zurück.
Wie mir das nach Wunsch gedieh,
Daß Gunst und Huld die Schöne mir verlieh!

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 142-143)

_____


Gnade gefunden

Hoch wie die Sonne steht das Herze mein:
Das kommt von einer Frauen: die weiß stät zu sein!
Ihre Gnade, wo sie sei,
Die machet mich von allem Leide frei.

Ich hab ihr nichts zu geben als den eignen Leib.
Der ist ihr eigen: immer giebt das schöne Weib
Freude mir und hohen Muth,
Wenn ich gedenke dran, wie sie mir thut.

Wohl mir des, daß ich sie so beständig fand!
Wo sie wohnt, die Eine macht mir lieb das Land.
Führ sie über die wilde See
So führ ich mit, nach Ihr ist mir so weh.

Mir ward nie volle Seligkeit, als nur von Ihr;
Was ich ihr Gutes wünschen kann, das gönnt sie mir.
Seliglich es mir ergieng,
Daß die Schöne mich in ihre Gnade fieng.

Hätt ich tausend Männer Sinn, so weiß ich wohl,
Daß ich Sie behielte, der ich dienen soll.
Schön und wohl sie das verwehrt,
Daß mir von Ihr nichts Leides widerfährt.

Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 121-122)

_____

 

Hoch gleichwie die sonne fliegt des herzens schein,
Das kommt von einer frauen, die kann stäte sein
In der gnade, wo sie sei.
Sie machet mich von allem leide frei.

Ich hab ihr nichts zu geben als den eignen leib,
Der ihr eigen ist. Die schöne mir verleiht
Freude und einen hohen mut,
Gedenke ich daran, was sie mir tut.

Wohl mir drum, dass ich sie stets so treu befand!
Wo sie wohnt, die eine macht mir lieb das land:
Führt es über den wilden see,
Ich führ dahin: mir ist nach ihr so weh.

Wär mein sinn von tausend männersinnen voll,
Ich behielte die nur, der ich dienen soll.
Schön und wohl sie das bewahr,
Dass mir von ihr nichts wehes widerfahr.

Mir kam keine selige stunde als von ihr,
Was ich von ihr wünschen kann, das gönnt sie mir;
Seliglich es mir erging,
Als mich der schönen gnade ganz umfing.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 73-74)

_____

 

 


 

zurück

zurück zur Startseite