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Reinmar der Alte (von Hagenau)
(um 1194 - 1207)
Sie wissen's nicht
Ich sah gar wonniglich die Au
Ersteh'n mit Blumen, weiß und roth,
Das Veilchen blickt so lieb und blau;
Die Nachtigall verwand die Noth,
Drob sie im Herbst von hinnen schied:
Der Frühling kam, der Winter flieht,
So mahnt ihr Lied.
Seit ich das grüne Laub geseh'n,
Vergaß ich fast auf Gram und Leid;
Von einem Weib ist mir gescheh'n,
So daß ich nun für alle Zeit
Muß leben froh und wohlgemuth;
Denn alles dünkt mich süß und gut,
Was sie mir thut.
Mein Herz versehrt Betrübniß nie,
Sie hat mich sorgenfrei gemacht;
Viertausend Frauen ohne sie,
Die hätten's alle nicht vollbracht;
Den Kummer hat sie mir gestillt
Und ist mir hold und wohlgewillt,
Wie man auch schilt.
Mir kann - des bin ich unerbangt -
Nicht widerfahren Schmerz und Harm;
Geschähe, was mein Herz verlangt,
Dann läge sie mir wohl im Arm;
Doch nähm' ich gern auch wen'ger hin
Und säh' ein großes Glück darin
Und Hochgewinn.
Daß ihr mein Herz in Liebe treu,
Gar Manche quält das dort und hier;
Doch kenn' ich drob nicht Angst und Scheu:
Verlor'ne Müh' ist alles schier.
Was wollen sie mit Lug und List?
Sie wissen's nicht, wie's mit uns ist
In kurzer Frist.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 245-246)
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Ich sah schon wonniglich erglüht
Die heide mit den blumen rot,
Violen sind schon schön erblüht,
Drum hat die nachtigall die not
Wohl überwunden, die sie zwang:
Zergangen ist der winter lang,
Es tönt ihr sang.
Als ich das grüne laub ersah,
Da liess ich meine schwere pein:
Von einem weibe mir geschah,
Dass ich nun immer mehr muss sein
In froher wonne wohlgemut,
Es soll mich alles dünken gut,
Was sie mir tut.
Sie schied von sorgen meinen leib,
Dass ich vergass den schweren wahn,
Denn ohne sie, so weib um weib,
Die hätten's alle nicht getan.
Vor ihrer güte flieht mein leid,
Zur freundin ist sie mir bereit,
Was man auch schreit.
Mir kann kein leid mehr widerstehn,
Drum will ich leben ohne harm,
Würd es nach meinem willen gehn,
So läge sie in meinem arm.
Wird mir der schönen gunst zuteil,
Mir wäre dieses grosse heil
Um nichts mehr feil.
Dass ich so holdes herz ihr trag,
Ist leid so manchen neidern schon,
Und weil ich niemals mehr verzag,
Bleibt ihre arbeit ohne lohn.
Was hilft nun ihre arge list?
Sie wissen, wie's ergangen ist,
In kurzer frist.
Nachgedichtet
von Friedrich Wolters (1876-1930)
Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 72-73)
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In kurzer Frist
Ich sah so schön und wonniglich
Die Haide mit den Blumen roth.
Das Veilchen ist so minniglich;
Die Nachtigall hat ihre Noth
Wohl überwunden, die sie zwang.
Zergangen ist der Winter lang,
Das zeigt ihr Sang.
Als ich das grüne Laub ersah,
Da ließ ich meines Kummers viel.
Von einem Weibe mir geschah,
Daß ich muß immer ohne Ziel
Freudig sein und wohlgemuth:
Es soll mich Alles dünken gut
Was Sie mir thut.
So ganz von Sorgen schied sie mich,
Dem Kummer schwand die alte Macht,
Viertausend Frauen sicherlich
Die hättens nimmermehr vollbracht.
Ihre Güte wendet all mein Leid,
Zur Freundschaft ist sie mir bereit,
Laßt euern Streit.
Kein Kummer naht mir so geschwind,
Darüber hab ich keinen Harm.
Ergeht es wie mein Wille sinnt,
So leg ich sie an meinen Arm.
Daß mir der Schönen würd ein Theil,
Das deuchte mich ein großes Heil,
Das Glück wär feil.
Daß ich so holdes Herz ihr trage,
Das ist wohl Dem und Jenem Leid.
Darum ich nimmermehr verzage,
Sie verlieren doch nur Müh und Zeit.
Was hilft sie ihre arge List?
Wer weiß denn, was ergangen ist
In kurzer Frist?
Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 117-118)
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