Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Ulrich von Gutenburg
(um 1180)

 

Liebesklage

Ich hörte wohl ein Amselein singen,
So dacht ich, nun zieht der Sommer ein,
Der aller Welt muß Freude bringen,
Nur mir nicht – oder täuscht mich der Schein?
Wie meine Herrin will, so soll mir sein,
Der ich mich will in Treuen weihn;
Ich glaubte, wer von Schuld nicht rein,
Und Gnade sucht, dem müßt es gelingen;
Doch ach! mir glückts nicht, begnadet zu sein.

Wie soll ich meinen Dienst so schaffen,
Den ich in Treuen solange getan?
Verwundet bin ich ohne Waffen,
Ihr schönes Auge hat Schuld daran;
Und nirgend Heilung ich gewann,
Wenn sie nicht will, der ich untertan,
Wie sollt es sonst solch verdorbener Mann?
Ach alle Gnade an ihr ist entschlafen,
Die ich ihr nicht erwecken kann.

Treu will ich bleiben meinem Mute,
Der immer nach ihrer Minne rang,
Hätt ich gefunden nur eine so gute,
Ihr sollte werden gern mein Dank.
Der Freuden Anfang durch sie mir gelang,
Als sich zu ihr meine Wahl erschwang;
Ich war ihr fremd, wieviel ich ihr sang,
Ihr schönes Auge ward mir die Rute,
Mit der sie mich zuerst bezwang.

Ich will ihr getreu in Hulden bleiben,
Mag sie Sünde an mir ohne Schuld begehn;
Sie kann mich anders nie von sich vertreiben,
Solang zu mir solch Glaube will stehn,
Daß höher allorts die Treue muß gehn,
Als Untreu; die muß im Banne stehn.
Wo irgend ein falscher Mann zu sehn,
Soll unwert er guten Frauen bleiben,
So möchte man ihnen den Preis zugestehn.

Nie will ichs durch meinen Kummer vermeiden,
Wie mirs ergeht, das sing ich allein,
Und will stets solche Not gern leiden,
Die mir entstanden aus Minnepein,
Seit ich im Zweifel befangen muß sein,
Daß mir der beste Rat scheint klein
Ohne sie, die mich gefesselt allein;
Muß von den Frohen im Frohsinn scheiden,
Das ist ihr Fehl und Unrecht allein.

Durch meine Augen, ein Wunder zu nennen,
Aus meinem Herzen das Wasser sich drängt,
Daß hierdurch, wenn ich es soll bekennen,
Mein Kummer all und Dienst nicht verfängt,
Den je ein Mann zu gewinnen gedenkt;
Seit meinem Gemüt mir dieses verhängt,
Daß meiner Seele kein Rat geschenkt,
Des muß ich von der Welt mich trennen
Und ihrer Huld, durch die Tat gedrängt!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 34-35)

_____
 

Ich hörte einen merling singen,
Dass mich deuchte, der sommer wollt entstehn,
Was aller welt nun freude soll bringen,
Wird mir einem in trügen verwehn:
Wie die herrin will, so soll's ergehn,
Der ich aller zeiten bin untertan.
Ich wähnte jemand, der hätte missetan,
Sucht er gnade, er sollte sie finden:
Das muss leider an mir einem zergehn.

Wie soll ich meinem dienste erschlaffen,
Den ich hab lange mit treuen getan?
Ich bin leider sehr wund ohne waffen:
Das haben ihre schönen augen getan,
Dass ich nimmer verheilen mehr kann,
Will sie's nicht, der ich bin untertan.
Weh, was soll so verderben ein mann!
Ich wähn, in ihr ist die gnade entschlafen,
Die ich leider nicht erwecken mehr kann.

Ich will immer bleiben hold meinem mute,
Dass er einst nach ihrer minne so rang:
Hätt ich gefunden keine so gute,
Bliebe danach mir währender drang.
Sie schuf, dass ich freuden mich unterwand,
Die ich mir habe zur herrin erkannt.
Ich war wild, was ich ehstens auch sang:
Die schönen augen, das waren die rute,
Womit sie sogleich mich damals bezwang.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 31)

_____
 

 


 

zurück

zurück zur Startseite