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Ulrich von Lichtenstein
(um 1250)
Des Armen Trost
Rings im Wald mit süßen Tönen
Ist der Vöglein Lied erwacht,
Und die Heide prangt mit schönen
Blumen in des Lenzes Pracht.
Also blüht mir froh der Mut
Im Gedenken ihrer Güte,
Die mich reich macht im Gemüte,
Wie der Traum dem Armen tut!
Hoffnung hat auf seltne Dinge
Mein Erwarten hochgespannt,
Daß mir noch bei ihr gelinge,
Was an Huld mir unbekannt.
Dieser Hoffnung bin ich froh;
Gebe Gott, daß sichs vollende,
Daß sie mir den Wunsch nicht wende,
Der mich freut von Herzen so!
Die Vielsüße, Wohlgetane,
Alles Unbestandes frei,
Wiege mich in liebem Wahne,
Bis erfüllt mein Hoffen sei,
Daß die Lust einst währet lang,
Daß ich weinend nicht erwache,
Nein, dem Trost entgegenlache
Und der Gunst, danach ich bang.
Wünschen nur und süß Gedenken
Ist die größte Lust für mich,
Will sie nur den Trost mir schenken,
Daß der ihre werd nur ich,
Mit den beiden nahebei;
Will sie das in Güte leiden
Und mir solches Glück bescheiden,
Wünsch ich, daß sie selig sei!
Holder Mai, du ganz alleine
Tröstest alles ringsumher,
Doch du freust mich im Vereine
Mit der ganzen Welt nicht sehr.
Ob ich je sonst Lust erfuhr,
Als von ihr, der Süßen, Lieben?
Ihr Trost ist mir nur verblieben,
Ihres Trostes leb ich nur!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 145-146)
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Der Traum der Armen
In dem Walde süße Töne
Singen kleine Vögelein;
An der Haide blühen schöne
Blumen in des Maien Schein.
Also blüht mein hoher Muth
Wenn er denkt an ihre Güte,
Die mir reich macht mein Gemüthe
Wie der Traum den Armen thut.
Hoffnung hat auf hohe Dinge
Die Erwartung mir gestellt,
Daß mir noch an ihr gelinge,
Süßes Looß mir einst noch fällt.
Der Erwartung freu ich mich:
Gebe Gott, daß ichs beende,
Daß sie mir den Wahn nicht wende,
Der mich freut so inniglich.
Die viel Süße, Wohlgethane
Frei von allem Wandel gar,
Laße mich im lieben Wahne,
Bis es endlich werde wahr,
Daß die Freude lange währe,
Daß ich weinend nicht erwache,
Noch dem Trost entgegenlache
Und der Huld, die ich begehre.
Wünschen nur und süß Gedenken
Ist die meiste Freude mein.
Will sie mir den Trost nun schenken,
Daß ich stäts ihr dürfe sein
Mit den Beiden nahe bei,
Will sie das mit Willen leiden,
Mir so holdes Glück bescheiden,
Wünsch ich, daß sie selig sei.
Süßer Maie, Du alleine
Tröstest Alle wunderbar;
Mich erfreust du im Vereine
Mit der ganzen Welt kein Haar:
Möchtest Du mir Freude geben
Außer ihr, der Lieben, Süßen?
Trösten kann mich nur ihr Grüßen:
Ihres Trostes will ich leben.
Nachgedichtet von
Karl Simrock
(1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 205-206)
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