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Ulrich von Lichtenstein
(um 1250)
Stete Liebe
Im lindduftigen süßen Maien,
Wenn sein Kleid der Wald erneut,
Schnell beginnt sich da zu zweien,
Was sich holder Liebe freut,
Und ist miteinander froh -
Recht ists, wills die Zeit doch so!
Wo sich Liebe neigt zu Liebe,
Spendet Liebe Liebeslust,
Daß auch Seligkeit verbliebe
Treulich in der beiden Brust.
Trauer ist der Liebe feind,
Wo sich Herz dem Herzen eint.
Wo sich zwei Geliebte meinen
Ohne Wank und fester Treu,
Wo sich beide so vereinen,
Daß die Liebe immer neu,
Die will Gott zusammengeben
Für ein freudenvolles Leben!
Stete Freude nenn ich Minne,
Freude ist und Minne eins;
Daß ich sie in meinem Sinne
Trenne, giebts der Mittel keins.
Freude muß mir Minne sein,
Minne Freude im Verein.
Wo ein stetes Herz mag finden
Stets Liebe, steten Mut,
Da muß all sein Trauern schwinden;
Stete Liebe tut so gut,
Daß sie stete Freude leiht
Stetem Herzen allezeit!
Wo ich stete Liebe fände,
Wollt ich stet nicht minder sein,
Daß ich damit überwände
Alle Sorgen groß und klein.
Stete Liebe mein Begehr,
Doch unstete nimmermehr!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 146-147)
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Freude und Minne
In dem lüftesüßen Maien,
Wenn der Wald trägt grün Gewand,
Sieht man lieblich geh'n zu Zweien
Alles, was ein Liebes fand,
Und mitsamen froh gereiht;
Das ist recht; so will's die Zeit.
Wo sich Lieb zu Liebe zweiet,
Giebt die Liebe frohen Sinn;
In den Beiden Herzen maiet
Es mit Freuden immerhin.
Sorgen ist die Liebe feind,
Wo bei Liebe Lieb erscheint.
Wo sich lieb zwei Lieben meinen,
Daß die Treue nimmer wankt,
Und sich Beide so vereinen,
Daß die Liebe nie erkrankt:
Für ein wonnig Leben band
Die zusammen Gottes Hand.
Stete Freude heißt mir Minne,
Freud' und Minne, das ist eins;
Scheid' ich die in meinem Sinne,
Dünkt mich dies wie jenes keins.
Freud' ist Minne mir und war
Mir's im Herzen immerdar.
Wo ein treues Herz gefunden
Treue Liebe, treuen Muth,
Da ist aller Gram verschwunden;
Treue Lieb' ist also gut,
Daß sie füllt mit treuer Lust
Allezeit die treue Brust.
Könnt' ich treue Liebe finden,
Wollt' ich stets so treu ihr sein,
Daß ich dadurch überwinden
Würde jede Sorg' und Pein.
Treue Lieb' ist mein Begehr,
Ungetreue hass' ich sehr.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 84-85)
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Lob der Minne
In der Blüthenzeit der Maien,
Wann der Äther wird zu Duft,
Da sieht man sich lieblich zweien,
Was das Herz zusammenruft.
Eines sich des Andern freut
In der frohen Frühlingszeit.
Wo sich Lieb' und Liebe zweiet,
Hohen Muth die Liebe beut
Und in beiden Herzen maiet
Eine ew'ge Wonnezeit.
Trauer kennt die Liebe nicht,
Wo sich Herz um Herze flicht.
Wenn zwei Seelen so sich meinen
Ohne Falsch und ohne Wank
Und sich beide so vereinen
In dem reinen Herzensdrang:
Die hat Gott zusammgegeben
Auf ein wonnigliches Leben.
Stete Liebe heisset Minne,
Liebe soll nur Minne sein,
Und in meinem treuen Sinne
Können sie sich nie entzwein.
Liebe soll nur Minne sein
Ewig in dem Herzen mein!
Könnt' ich stete Liebe finden,
Ach, wie wollt' ich stete sein,
Und wie wollt' ich überwinden
Jede Sorg' und jede Pein!
Stete Liebe will mein Herz,
Unbeständ'ge bringt mir Schmerz.
Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)
Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 88-91)
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Stäte Liebe
In dem lüftesüßen Maien,
Wenn der Wald sein Kleid erneut,
Lieblich eilt sich da zu zweien
Was sich nur der Liebe freut,
Und ist miteinander froh:
Das ist recht, die Zeit will so.
Wo sich Lieb zu Liebe zweiet,
Hohen Muth giebt Liebeslust,
Immerdar mit Freuden maiet
Es in dieser beiden Brust.
Trauer ist die Liebe feind,
Wo sich Lieb mit Lieb vereint.
Wo sich zwei Gelieben einen
Ohne Wank in stäter Treu
Und sich beide so vereinen,
Daß die Lieb ist immer neu,
Die will Gott zusammen geben
Auf ein wonnigliches Leben.
Stäte Freude heißet Minne,
Freud ist Minne ganz allein,
Die mag ich in meinem Sinne
Machen nimmermehr zu zwein:
Freude muß mir Minne sein
Immer in dem Herzen mein.
Wo ein stätes Herz mag finden
Stäte Liebe, stäten Muth,
All sein Trauern muß ihm schwinden:
Stäte Liebe ist so gut,
Daß sie stäte Freude leiht
Stäten Herzen allezeit.
Wo ich stäte Liebe fände,
Also stäte wollt ich sein,
Daß ich mit ihr überwände
Immerdar die Sorge mein.
Stäte Liebe sei mein Kauf,
Die unstäte geb ich auf.
Nachgedichtet von
Karl Simrock
(1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 209-210)
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