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Ulrich von Lichtenstein
(um 1250)
Wonne ob aller Wonne
Wohl dir, Sommer, ob der schönen,
Wonniglichen, süßen Zeit;
Allen Gram kannst du versöhnen,
Deine Kunst giebt Fröhlichkeit.
Süße Grüße
Bring' ich dir; du bist so süße.
Haide, Feld, Wald, Anger, Aue
Hab' ich schöner nie erblickt;
Von dem lüftesüßen Thaue
Sind die Blumen all erquickt;
Vögel singen,
Um dem Mai ein Lob zu bringen.
Ich - in meiner besten Weise
Sing' ich guten Frau'n ein Lied,
Daß der Gram mit ihrem Preise
Ganz aus meiner Brust entflieht;
Weibesgüte
Senkt mir Freud' in mein Gemüthe.
Weibesschöne, Weibesehre,
Weibesgüte, Weibeszucht
Sind für Ehren eine Lehre
Und der Minnewerber Sucht.
Weibesmilde
Ist des Glückes höchst Gebilde.
Wenn ein Weib, ein werthes, lachte
Einem Minnewerber so,
Daß sie Lust zum Kuß ihm machte:
Dessen Muth erhebt sich froh
Gleich der Sonne;
Das ist Wonn' ob aller Wonne.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 10-11)
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Ob der Sonne
Wohl dir, Sommer, deiner süßen
Wonniglichen schönen Zeit,
Alles Trauern magst du büßen,
Freude deine Nähe leiht:
Solche Süße
Hast du, daß ich süß dich grüße.
Haide, Feld, Wald, Anger, Aue
Sah ich nie in schönerm Kleid,
Naß von lüftesüßem Thaue
Sind die Blumen weit und breit.
Vöglein kleine
Singen Lob dem Maienscheine.
So von guten Frauen singe
Ich das Schönste was ich kann,
Daß der Schönen Lob bezwinge
Alles Leid, das ich gewann.
Weibesgüte
Leiht mir freudenreich Gemüthe.
Weibesschöne, Weibesehre,
Weibesgüte, Weibeszucht,
Ist der Ehre reinste Lehre,
Ist verliebten Herzens Sucht.
Ueberkrönen
Mag wohl Kronen Huld der Schönen.
Wo ein werthes Weib mit Lachen
Freuen will verliebten Mann,
Ihm den Mund zum Küssen machen,
Dessen Muth wohl schwebt voran
Hoch der Sonne:
Das ist Wonn ob aller Wonne.
Nachgedichtet von
Karl Simrock
(1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 211-212)
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