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Wachsmut von Mühlhausen
(1235 – 1253)
Vergeltung
Wo ward zweier schönerer Wangen
Je ein Mannesauge kund?
Lilien drauf und Rosen prangen,
Lieblich lacht ihr sanftes Rund.
Lang und hellblond wallt ihr Haar,
Böte man ein Königreich mir dar:
Niemand gönnt ich sie fürwahr!
Süßer von des Liebchens Munde
Brennt ein Kuß, als lichte Glut.
Wen sie küßt aus Herzensgrunde,
Derwär immer wohlgemut.
Helft mir alle wünschen nun,
Daß ihr Mund auf meinem möge ruhn:
Gern will ich euch Gleiches tun!
Nachgedichtet von Richard
Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 112)
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Gleiches mit
Gleichem
Wo ersah zwei schön're Wangen
Je ein Mann auf weiter Welt?
Lilienweiß und lustumfangen
Steh'n fürwahr! sie holdgeschwellt;
Lang und hellblond wallt das Haar.
Würde Kron' und Reich uns noch,
Das gönnt' ich lieber keinem Paar.
Süßer brennt ein Kuß vom Munde
Meiner Frau, als lichte Glut:
Wen sie küßt' aus Herzensgrunde,
Immer wär' er hochgemuth.
Helft mir alle wünschen nun,
Daß ein Kuß mir werde doch:
So will ich euch ein Gleiches thun.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 92)
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