Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Walther von der Vogelweide
(um 1170 - 1230)

 


Die Badende

Welch wundervoll geschaff'nes Weib,
O, würde mir noch einst ihr Dank!
Ich singe ihrem süßen Leib
Ein Lob in meinem Hochgesang.
Gern dien' ich allen auch mit Preis;
Doch diese bleibt mir auserseh'n.
Wenn einer eine andre weiß,
So rühm' er sie, es mag gescheh'n!
Und hätt' er Weis' und Wort
Mit mir gemein: ich preise hier, er preise dort.

Ihr Haupt, das ist so wonnereich,
Als ob's mein Himmel wollte sein.
Wem wär' es auch wohl anders gleich?
Hat's doch so himmlisch klaren Schein.
Da leuchten mir zwei Sterne dran.
O, könnt' ich mich darin noch seh'n,
Wenn sie sie nah' mir hält heran!
Dann möcht' ein Wunder wohl gescheh'n:
Jung würd' ich wieder sein
Und würde wieder frei von zehr'nder Liebespein.

Gott schuf ihr Wänglein recht mit Fleiß,
Die er mit teuern Farben strich,
Mit reinstem Rot und reinstem Weiß,
Hier lilienfarb, dort rosiglich.
Und wenn's nicht sündlich ist, fürwahr,
Ich sehe sie stets lieber noch
Als Himmel und der Sterne Schar.*
Doch weh, wie thöricht lob' ich doch!
Denn preis' ich sie zu sehr,
Macht meines Mundes Lob vielleicht
mir's Herz noch schwer.

Sie hat ein Kissen, das ist rot:**
Könnt' ich drauf legen meinen Mund,
So ständ' ich auf von meiner Not
Und wär' auf immer wohl gesund.
Wem sie das an sein Wänglein legt,
Der schmiegt sich gerne nahebei,
Es duftet süß, wenn man's bewegt,
Als ob's voll lauter Balsam sei.
O, liehe sie's doch mir!
So oft sie's wieder will, so geb'
ich's gerne ihr.

Ihr Hals, die Hände, jeder Fuß,
Das alles ist nach Wunsche schön.
Wenn ich noch andres loben muß,
Nun ja, ich hab' noch mehr geseh'n.
Ich hätt' ungern: Bedecke dich!
Gerufen, als ich nackt sie sah.
Ihr Pfeil traf im Verstecke mich
Und schmerzt noch heut', wie's dort geschah.
Doch preis' ich hoch den Pfad,
Den reinen, wo die Süße aus dem Bade trat.

* Eigentlich "der Himmelswagen", das Sternbild des großen Bären.
** Die Lippen

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Gedichte Walthers von der Vogelweide
Uebersetzt und erläutert von Bruno Obermann
Stuttgart Berlin Leipzig 1886 (S. 41-43)

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Die Liebste im Bade

Das wundervoll geschaffne Weib!
O würde mir ihr Habedank!
Es steh ihr minniglicher Leib
Voran in meinem Hochgesang!
Säng jeder Frau gern Lob und Preis,
Doch diese hab ich mir erwählt;
Wer aber eine andre weiß
Und lobt, sei nicht darum geschmählt.
Er hab gleich mir auch Weis und Wort,
Und lob ich hier, so lob er dort!

Ihr Antlitz ist so wonnereich,
Als obs mein Himmel wollte sein:
Fürwahr, wem anders wär es gleich?
Es strahlt in himmlisch-holdem Schein!
Zwei Sterne glänzen dran voll Pracht,
O könnt ich darin spiegeln mich;
Und wären sie in meiner Macht,
Manch Wunder wohl begäbe sich.
Ich würde wieder jung zumal
Und kennte keine Liebesqual.

Gott schuf die Wangen ihr mit Fleiß,
Und keine Farbe er verdarb:
Welch reines Rot, welch reines Weiß,
Hier rosiglich, dort lilienfarb!
Ich seh es wohl genau so gern,
(Man rechne mirs als Lästrung an)
Als Himmelsrund und Himmelsstern –
O weh, was lob ich dummer Mann?
Nun wächst ihr Stolz gewiß noch mehr:
Dann büßts mein Mund am Herzen schwer!

Ihr Hälslein, wie auch Fuß und Hand,
Vollkommen ists und wohlgebaut –
Was ich noch sonst zu loben fand,
Hab ich noch lieber angeschaut.
Ich hätte ungern decke dich
Gerufen, als ich nackt sie sah –
Nicht sah sie mich, doch traf sie mich;
Noch heute schmerzt michs hier wie da;
Wo sich die Liebliche enthob
Dem Bad – Preis sei dem Ort und Lob!

Sie hat ein Küssen, das ist rot,
Gewönn ich das für meinen Mund,
So wär ich ledig aller Not
Und gleich für Lebenszeit gesund!
Wem sie das an die Wange legt,
Der schmiegte sich nicht nah genug;
Es duftet, wenn mans nur bewegt,
Als wär es voller Wohlgeruch.
Dies Küßchen soll sie leihen mir:
So oft sies fordert, gäb ichs ihr!

(Küssen und Küßchen Wortspiel mit Kissen.)

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Walther von der Vogelweide
aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von
Richard Zoozmann
Herausgeber: Jeannot Emil Freiherr von Grotthuss
Druck und Verlag von Greiner und Pfeiffer Stuttgart 1907 (S. 29-31)

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Die herrliche Frau

Das wundervoll geschaffne Weib,
Daß mir doch würd' ihr "Habe Dank!"
Es steht ihr minniglicher Leib
Voran in meinem Hochgesang.
Im Sang brächt' ich gern allen Preis,
Doch dieser weiht' ich Minnepflicht;
Ein Andrer wol die Seine weiß:
Die lobe er, ich tadl' es nicht.
Er habe Weis' und Wort
Mit mir gemein, und lob' ich hier,
so lob' er dort.

Ihr Haupt, das ist so wonnereich,
Als ob's mein Himmel sollte sein:
Wem anders sollte sein es gleich?
Hat es doch himmlisch schönen Schein.
Zwei Sterne leuchten hell daher:
O könnt' ich mich darin besehn,
O daß ich ihr so nahe wär'!
Dann möcht' ein Wunder wol geschehn:
Jung wieder würd' ich schier
Und, was mich Sehnsuchtsvollen quälet,
wich' von mir.

Gott schuf ihr Wänglein recht mit Fleiß,
Die besten Farben wählt' er sich:
So reines Roth, so reines Weiß,
Hier lilienfarb, dort rosiglich.
Und dürft' ich's ohne Sünde sagen,
So säh' ich stets sie lieber an
Als Himmel oder Himmelswagen.
O weh, was lob' ich dummer Mann?
Erheb' ich sie zu sehr,
Leicht schafft mir dann des Mundes Lob
viel Herzleid schwer.

Sie hat ein Kissen, das ist roth,
Bekäm' ich das vor meinen Mund,
So würd' ich ledig meiner Noth
Und würd' für immer dann gesund.
Wem sie das an sein Wänglein legt,
Der schmiegt sich freudig nahe bei:
Es duftet, wenn man's irgend regt,
Als ob es lauter Balsam sei.
Das soll sie leihen mir:
So oft sie's wieder haben will,
so geb' ich's ihr.

Ihr Hals, die Hände, jeder Fuß
Sind so vollkommen, sind so schön.
Wenn ich was andres loben muß,
So habe mehr ich noch gesehn:
Ich hätte ungern "Decke dich!"
Gerufen, als ich nackt sie sah.
Sie sah mich nicht, doch traf sie mich:
Das schmerzt mich noch, wie's schmerzte da.
Der schönen Stätt' sei Lob,
Wo sich die Minnigliche aus dem Bade hob.

Nachgedichtet von
Karl Pannier

Aus: Walthers von der Vogelweide
Sämtliche Gedichte
Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
mit Einleitung und Anmerkungen versehen
von Karl Pannier
Zweite Auflage Leipzig 1876 (S. 32-34)

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Die Badende

Das wundervoll geschaffne Weib!
Möcht ich noch ihren Dank empfahn!
Es steht ihr minniglicher Leib
In meinem Hochgesang voran.
Zwar allen Frauen Lob und Preis,
Doch die aus Vielen wählt ich mir:
Wer aber eine Andre weiß,
Ich kanns nicht tadeln, dient er ihr.
Er habe Weis und Wort
Mit mir gemein und lob ich hier, so lob er dort.

Ihr Antlitz ist so wonnereich,
Als woll es mir ein Himmel sein:
Gewiß, wem wär es anders gleich?
Hat es doch himmlisch holden Schein.
Zwei Sterne glänzen dran mit Lust:
O dürft ich mich darin besehn
Und lägs so nah an meiner Brust!
Dann möchten Wunder wohl geschehn:
Ich würde wieder jung
Und fände meiner Liebesnoth Erleichterung.

Gott schuf ihr Wänglein recht mit Fleiß,
Die besten Farben wählt' er gar:
So reines Roth, so reines Weiß,
Hier rosenlicht, hier lilienklar.
Gewiß, ich seh es wohl so gern,
Sag ich nicht Lästerung daran,
Als Himmel oder Himmelsstern.
O weh, was lob ich dummer Mann?
Denn wächst ihr Stolz noch mehr,
Leicht büß ich meines Mundes Lob
am Herzen schwer.

Der Hals, die Hände, jeder Fuß,
Die sind vollkommen wohlgebaut;
Was ich dazwischen loben muß,
Das hab ich lieber angeschaut.
Ich hätte ungern, decke dich
Gerufen, als ich nackt sie sah.
Sie sah mich nicht, doch traf sie mich
Und heute fühl ichs noch wie da,
Wenn ich gedenke dran,
Wie sie dem reinen Bad entstieg so wohlgethan.

Sie hat ein Küssen, das ist roth;
Bekäm ich das vor meinen Mund,
So ständ ich auf von dieser Noth
Und würd auf Lebenszeit gesund.
Wenn sie das an ihr Wänglein legt,
So wär ich gerne nah dabei:
Es duftet, wenn mans irgend regt,
Als ob es voller Balsam sei.
Das soll sie leihen mir:
So oft sie's wieder haben will,
so geb ichs ihr.

Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Gedichte Walthers von der Vogelweide
übersetzt von Karl Simrock
und erläutert von Karl Simrock und Wilhelm Wackernagel
In der Vereinsbuchhandlung Berlin 1833 Erster Theil (S. 36-38)

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So wundervoll gestaltet weib!
Dass mir noch werde ihr habedank!
Ich stell den minnelichen leib
Voll würde in meinen hohen sang.
Gern säng ich ihnen allen preis,
Doch hab ich diese mir erkoren,
Ein andrer wohl die seine weiss,
Der sei sein loben unverloren.
Ist weise ihm und wort
Mit mir gemeinsam: lob ich hier, so lob er dort.

Das haupt ist ihr so wonnereich,
Als wollte es mein himmel sein.
Wem anders sähe es auch gleich?
Es hat ja himmelischen schein.
Zwei sterne leuchten draus zur erde,
Darin möcht ich mich noch ersehen.
Wenn ich ihr einmal nahen werde,
Dann wird ein wunder wohl geschehen:
Ich werde wieder jung:
Mir seligem siechen wird an sehnsucht trost genung.

Um ihre wange Gottes fleiss
Mit jeder teueren farbe warb:
So reines rot, so reines weiss,
Hier rosenloh, dort lilienfarb.
Wenn ich es darf vor sünden sagen,
So seh ich sie noch lieber an,
Als himmel oder himmelswagen.
O weh, was lob ich dummer mann,
Mach ich sie mir zu hehr,
Vielleicht noch meines mundes lob mein herz versehr.

Sie hat ein kissen, das ist rot,
Gewönn ich das für meinen mund,
Ich stände auf aus dieser not
Und würde immer mehr gesund.
Wem sie das an die wange legt,
Der wohnt da gerne nahebei,
Es schmeckt, wenn man's nur leise regt,
Als ob es alles balsam sei.
Das soll sie leihen mir:
So oft sie es auch wieder will, so geb' ich's ihr.

Ihr hals, die hände, jeder fuss,
Das ist nach aller wünsche ziel,
Wenn ich dazwischen loben muss,
So wähne ich, ich schaute viel.
Ich hätte ungern: "decke dich!"
Gerufen, als ich sie nackend sah,
Sie sah mich nicht: mich traf ihr stich,
Dass er noch sticht, wie da's geschah.
Ich lobe die reine statt,
Wo die so minneliche aus dem bade trat.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 90-92)

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