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Walther von der Vogelweide
(um 1170 - 1230)
Klage an den Sommer
Schmückt bunte Farbe auch die Heide noch so sehr,
Ich muß dem Wald doch zugesteh'n,
Der wonnereichen Dinge hat er noch viel mehr,
Noch besser ist dem Feld gescheh'n.
Ich preis', o Sommer, dich für solchen Eifer gern;
Aber, Sommer, lobt' ich immer deine Zeit,
Mein Trost, so tröst' auch mich im Leid.
Dir klag' ich meinen Kummer:
die mir so lieb ist, bleibt mir fern!
Vergessen kann und werd' ich ja die Gute nie,
Die meinen Sinn ganz zu sich kehrt.
So oft ich singe, find' ich stets aufs neu für sie
Ein Lob, das sie geziemend ehrt.
Ich lobe später mehr, jetzt sei genug das ihr:
Und wohl dem Ohr, muß zugesteh'n
Man ihr so viel von Tugend.
Heil ihr darum, doch wehe mir!
Nachgedichtet von Bruno Obermann
Aus: Gedichte Walthers von der Vogelweide
Uebersetzt und erläutert von Bruno Obermann
Stuttgart Berlin Leipzig 1886 (S. 45)
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Sommerlob
Wie schön die Heide auch vielfarbge Buntheit schmückt.
Ich muß dem Wald doch zugestehn,
Daß wonniglicher er mit Reizen ward beglückt;
Jedoch am besten ist dem Feld geschehn.
Drum Heil, o Sommer, dir ob deiner Emsigkeit!
Und Sommer, weil ich stets doch lobte deine Tage,
So still mit Trost auch meine Klage,
Ich will dir beichten, was mich quält:
Die lieb mir ist, der bin ich leid!
Der Guten kann ich nicht vergessen, wills auch nie.
Die alles Denken mir entführt.
So oft ich singen will so oft find ich für sie
Ein neues Lob, das ihr gebührt.
Für heut genüg ihr dies, bis ich sie wiederseh:
Den Augen tut es wohl, die ihren Liebreiz schlürfen;
Die ihre Tugend preisen dürfen,
Die Lieder tun den Ohren wohl:
Drum Heil sei ihr und Weh mir, Weh!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Walther von der Vogelweide
aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von
Richard Zoozmann
Herausgeber: Jeannot Emil Freiherr von Grotthuss
Druck und Verlag von Greiner und Pfeiffer Stuttgart 1907 (S. 33-34)
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Lob des Sommers
Wie schön die Haide auch die bunte Farbe schmückt,
Ich muß dem Wald doch zugestehn,
Daß er mit wonnevollern Reizen ist beglückt;
Am besten ist dem Feld geschehn.
So wohl dir, Sommer, aller deiner Emsigkeit!
Sommer, weil ich immer lobe deine Tage,
So tröst', mein Trost, auch meine Klage.
Ich sag' dir, was mich quälet:
die lieb mir ist, der bin ich leid.
Ich kann die Gute nie vergessen, will's auch nie,
Die all mein Sinnen mir entreißt.
So lang' ich sing', will stets ein neues Lob für sie
Ich finden, das sie ziemend preist.
Ich lobe später mehr - jetzt g'nuge dieses ihr:
In den Augen thut es wohl, wenn man sie schaut,
Und preist man ihre Tugend laut,
Das thuet wohl den Ohren.
Heil ihr darum! und Wehe mir!
Nachgedichtet von
Karl Pannier
Aus: Walthers von der Vogelweide
Sämtliche Gedichte
Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen
mit Einleitung und Anmerkungen versehen
von Karl Pannier
Zweite Auflage Leipzig 1876 (S. 35-36)
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