Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Walther von Klingen
(um 1260)



Hilfruf

Wie die Zeit sich will verkehren,
Schweren
Gram entpreßts den Augen mein;
Will mein Liebchen mich nicht ehren,
Mehren
Muß es meiner Sehnsucht Pein.
Wollt ihr mir nicht Hilfe leihn,
Frau, ihr sollt mich Freude lehren,
Sonst muß ich des Todes sein!

Ach ich sah ein freundlich Lachen
Wachen
Auf dem Munde süß und rot.
Ach und solche Dinger fachen
Schwachen
Herzen an die Liebesnot.
Da mir Minne Kummer bot,
Was soll mir nun Freude machen?
Ach mir winkt beinah der Tod.

Herrin und Gebieterinne,
Minne
Ist euch eigen, doch auch Sitte;
Richtet auf mir Herz und Sinne!
Inne
Seid, ich bitt euch, dieser Bitte.
Teilt die Minne in der Mitte,
Daß die Hälfte ich gewinne;
Ach, die Minne gern ich litte!

Die nur sagens, die euch neiden:
Leiden
Sollt ihr noch durch Freundes Leid.
Freude wird uns allen beiden,
Scheiden
Müßt ihr mich nur erst von Streit.
Schlecht steht mir die Traurigkeit,
Wollt ihr, Herrin, mich nicht kleiden
In ein freudenreiches Kleid?

Minne schlug mir manche Stunden
Wunden;
Das war meiner Freuden Tod.
Nimmer kann ich mehr gesunden,
Munden
Will nichts meiner Liebesnot.
Tröstet mich ihr Mündchen rot,
Wär mein Leid so schnell verschwunden,
Als sie Trauer mir gebot!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 184-185)

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