Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Walther von Klingen
(um 1260)



Der schönste Klang

Eigen ist es manchen Tönen,
Daß sie stimmen wohlgemut,
Doch vor allen muß ich krönen
Den, der wohl dem Herzen tut!
Über alles tönt so gut
Süßer Laut im Mund der Schönen,
Der uns einflößt Minneglut.

Gleich dem Anblick holder Frauen
Freut mein Auge nichts fürwahr!
Größre Lust nicht kann ich schauen,
Seis geheim, seis offenbar.
Nichts kann mich so ganz und gar
Auf der Erde hier erbauen
Als holdselige Frauenschar!

Frauen kann gar viel gelingen,
Wenn sie reiner Tugend voll,
Und mein Arm kann nichts umschlingen,
Draus je höhere Freude quoll,
Als ein Weib, das mir den Zoll
Holdes Glücks will freudig bringen,
Wie es wahre Minne soll!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 185)

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Der schönste Ton

Eigen ist es manchen Tönen,
Daß sie uns erhöh'n den Muth;
Einen aber muß ich krönen,
Der am Herzen wohl uns thut:
Ueber alles lieb und gut
Wirkt ein süßes Wort der Schönen
Und versetzt das Herz in Glut.

Nichts erfreut wie gute Frauen
So die Augen mir fürwahr!
Größ're Lust ist nicht zu schauen,
Nicht geheim, noch offenbar.
Besser kann uns - das ist klar -
Hier auf Erden nichts erbauen,
Als der Frau'n holdsel'ge Schaar.

Vieles können Frau'n vollbringen,
Tugendhaft und wonnevoll;
Menschenarm kann nichts umschlingen,
Dem so hohe Freud' entquoll.
Wen ein Weib beglücken soll,
Bess'res kann dem nicht gelingen;
Minne giebt so süßen Zoll.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 9)

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