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Walther von Klingen
(um 1260)
Vergebliche Hut
Blumen seh ich schön entspringen,
Vor dem Walde blüht ihr Schein.
Darum muß mein Herze ringen
Nach der lieben Herrin mein.
Will sie mir noch gnädig sein,
Mit den Vögeln wollt ich singen,
Uns den lieben Sommer bringen.
Maienblüthe, Ihre Güte
Gleichen wohl einander sich.
Wo die Rosen stehn in Blüthe,
Die sind nicht so minniglich
Als mein Lieb, des freu ich mich;
Doch bekümmert mein Gemüthe,
Daß man so der Schönen hüte.
Alle Hut mag nicht genügen,
Stehl ich mich einst zu ihr hin.
Wohl mag das die Gute fügen,
Freundschaft hehlt ein kluger Sinn.
Alle Hut bringt nicht Gewinn:
Find ich sie allein in Gnaden,
Kann uns alle Hut nicht schaden.
Gott, wie brennt mir Glut im Herzen
Nach der lieben Frauen mein,
Heller wohl als tausend Kerzen:
Gott, ach sollt ich bei ihr sein.
Sie ist schön und ist so fein
Wie das Veilchen ist im Merzen,
Die mir schafft soviel der Schmerzen.
Nachgedichtet von
Karl Simrock (1802-1876)
Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 196-197)
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Fensterklage
Ich sah Blumen schön entspringen
Und den jungen Sonnenschein:
Davon muß mein Herze ringen
Nach der lieben Fraue mein.
Will sie mir genädig sein,
Mit den Vögeln wollt' ich singen
Und den lieben Sommer bringen!
Gnade, Frau, ich muß verderben
Jämmerlich und ohne Schuld!
Ist dir's lieb, daß ich soll sterben?
Ich mag keiner Andern Huld:
Eh wird Kupfer wohl aus Guld.
Welchen Preis willst du erwerben,
Läßt du mich im Dienste sterben?
Maienblüth' und deine Güte
Mögen wohl vergleichen sich:
Selbst die Ros' in voller Blüthe
Scheint mir nicht so minniglich.
Deiner Liebe freu' ich mich,
Doch es trauert mein Gemüthe,
Daß man dich so strenge hüte.
Alle Wächter wollt' ich trügen,
Wenn ich nur erst drinnen wär:
Liebe kann's so klüglich fügen,
Weiber hüten ist gar schwer.
Öffne, öffne mir die Thür!
Vor den Wächtern sei nicht bange,
Wenn ich dich nur erst umfange.
Ach, wie brennen mir im Herzen
Nach der lieben Fraue mein
Mehr denn tausend lichte Kerzen!
Gott, wann werd' ich bei ihr sein?
Sie ist lieblich, sie ist rein
Wie das Veilchen in dem Märze,
Doch sie lacht mit meinem Schmerze!
Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)
Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 54-57)
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