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Walther von Metz
(um 1245)
Geliebtes Leid
Daß ich gar mein Leiden lieb gewinne,
Wollt ihr wissen, was dazu mich zwang und trieb?
Ihre holden Blick' aus reinem Sinne
Und ihr Mund, der auch zu Wunsche hold und lieb.
Manches Mundes nahm ich wahr,
Der zu lachen und zu sprechen wußte,
Dieser Mund ist tadellos so ganz und gar.
's ist ein Wunder, daß ich nie sie haßte,
Weß sie gegen mich auch immer sich vermaß;
Treu ihr war ich, und mein Herz umfaßte
So sie stets, daß nie ich ihrer noch vergaß.
Ach, wie thöricht sprech' ich da?
Hab' ich ihrer doch und mein vergessen,
Als die holden Augen einst mein Auge sah.
Eine Herzenspein ist meine Liebe,
Doch das Leid dabei ist meine höchste Lust;
Eh ich das geliebte Leid vertriebe,
Das mir oft das Herz erhebt in meiner Brust,
Lieber trüg' ich's stets alsdann;
Leid' ich Leid von rechter Herzensliebe,
Drob verzag' ich nicht, noch sonst ein rechter Mann.
Eines lasse stets sie mich genießen,
Daß ich niemals ohne sie mich recht erfreu',
Und daß nie es möge mich verdrießen,
Stets ihr eigen nur zu sein in echter Treu'.
Heil der Holden, daß sie lebt
Ganz und gar nach reines Weibes Güte!
Heil auch mir, deß Herz nach ihrer Gnade strebt!
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 95-96)
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