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Wolfram von Eschenbach
(um 1170 - 1220)
"Von den zinnen
Will ich gehn, in tageweisen
sang versprühn.
Die sich minnen
Insgeheim und wahrend preisen
ihr minneglühn,
Mit mahnung sehren
An seine lehren,
Dem leib und ehren
Ergeben sie.
Was er mich bäte,
Ich wirklich täte,
Versagte ihm räte
Der hilfe nie.
Ritter, wache, hüte dich!
Schlimm nicht denken
Soll von aller treue dauer
der werte gast,
Nicht dich senken
Sollst du, herrin, in scheidens trauer
und künftige rast.
Schlecht dient dem glücke,
Wer minne pflücke,
Dass auf ihn drücke
Leumunds last.
Ein sommer bringet,
Dass mein mund singet:
Durch wolken dringet
Ein tagender glast.
Hüt dich, wache, süsser gast!"
Er muss von dannen,
Der sie klagen ungern hörte,
es sprach sein mund:
"Allen mannen
Trauer nie so ganz zerstörte
der freuden fund."
Wie bald es tagte,
Der unverzagte
An ihr erjagte,
Dass gram ihn floh:
Unfremdes rucken,
Ganz heimlich schnucken,
Ihr brüstel drucken
Und mehr noch so
Urlaub gab, des preis war hoh!
Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)
Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 108-109)
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