Orientalische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

 


Imru' al-Qais
(6. Jh.)

arabischer Dichter

 

Die Liebesabenteuer

Laßt hier zum Angedenken mich weinen einer Buhl',
Am sand'gen Abhang zwischen Haumal und Aldachul,

Zwischen Mikrat und Tudech: noch unverwischt ist dort
Die Wohnspur, ob darüber schon fegte Süd und Nord.

Da hielten die Gefährten bei mir die Zügel an,
Und sprachen: O vergeh nicht vor Kummer! sei ein Mann!

Die Thräne, welche rinnet, allein ist Heilung mir.
Doch auf zerfallnen Trümmern was hilft das Weinen dir?

Einst mit Umm el Huweirith übtest du gleichen Brauch,
Mit ihrer Nachb'rin Umm el Rebab in Masal auch.

Da, wo sie sich erhuben, da wehte Moschusduft,
Als ob Gewürzenelken geküßt die Morgenluft.

Und meine Augen gossen der Liebesthränen Meng'
Auf's Halsbein, bis beflossen war selbst mein Wehrgehäng.

Erlebt' ich doch von ihnen vergnügte Tage gnug;
Voraus, bei Dara Dschudschul, was dort der Tag mir trug.

Da schlachtet' ich den Mädchen das Thier, auf dem ich ritt;
Und mein Gepäcke nahmen sie auf den ihren mit;

Wo sie die Stücke Fleisches sich warfen zu und fingen,
Woran des Fettes Troddeln wie Seidenfransen hingen.

Da drängt' ich in die Sänfte Oneisa's mich hinein;
Sie rief: Willst du hinunter mich werfen? o halt ein!

Sie rief, als das Gestelle mit uns sich niedergab:
Du wirst mein Reitthier schinden, o Amrilkais, steig ab!

Ich sprach zu ihr: o reite nur zu, laß ihm den Zaum!
Und wehr mir nicht, zu pflücken die Frucht an deinem Baum!

Einst aber auf dem Rasen, da sträubte sie sich mir,
Und schwor mit einem Eide: Ich scheide mich von dir!

Laß diese Zierereien, o Fatima, mein Kind!
Und gibst du mir den Abschied, so gib ihn fein gelind!

Du pochst wohl auf die Liebe, die mich getödtet hat,
Und daß du mir nie hießest ein Ding, das ich nicht that.

Doch wenn von meinem Wesen dich etwas so verdroß,
So wickl' aus deinem Kleide mein Kleid, und sey denn los!

Es träufeln deine Augen nur einzig, um mit Schmerz
Zu bohren deine Pfeile in mein zerstücktes Herz.

Von mancher Zeltflorsonne in wohlbeschirmter Ruh
Erbeutet' ich mir Wonne, und nahm mir Zeit dazu;

Drang zu ihr durch die Wächter, durch der Verwandten Hut,
Die, wo sie's heimlich könnten, vergössen gern mein Blut;

Als an des Himmels Mitte sich die Pleiaden drehten,
Gleich einem Wehrgehänge, dem perl- und golddurchnähten;

Und kam ihr, als sie eben zum Schlummer ihr Gewand
Beim Vorhang abgestreift, und im leichten Hemde stand.

Sie rief: Um Gottes willen! ist denn für dich kein Rath?
Ich seh, daß deine Thorheit dich nicht verlassen hat.

Da führt ich sie von hinnen, und hinter uns im Raum
Zog sie auf unsre Spuren des Kleids gestickten Saum;

Bis nun aus dem Gehöfte der Zelt' hinaus es ging,
Und uns des Thales Niedrung mit sand'ger Dün' umfing;

Wo ich an beiden Schläfen sie faßt' und zu mir zog,
Die über mich schlankwuchsig und schwellend her sich bog:

Die zarte, weiße, feine, anmuthig überall,
Ihr Brustbein ist ein Spiegel, ein glatter von Metall.

An ihr, wie an der Perle, ist Weiß mit Falb gemischt;
Von Wasser, das kein Fußtritt berührt, ist sie erfrischt.

Sie bog sich ab, und zeigte zwei Wangen und ein Paar
Von Augen, gleich der Hirschkuh, bei der ihr Junges war,

Und einen Hals des Rehes, dem keine Schönheit fehlt,
Wenn sie empor ihn hebet, mit gold'nem Schmuck vermählt,

Und dunkle Lockenfülle, die um den Nacken hängt,
Wie sich am Schaft der Palmen der Dattelbüschel drängt.

Es kräuseln in die Höhe verlorne Löckchen sich,
Weil hier ein Ringel flattert, dort eine Flecht' entwich.

Am Morgen duftet Moschus von ihres Lagers Rand;
Spät steht sie auf und gürtet zum Hausdienst kein Gewand.

Sie leuchtet in dem Dunkel der Nacht, als ob sie sey
Die abendliche Lampe des Mönchs der Siedelei.

Nach einer solchen blicken Verständige bethört,
Im Kleide, das halb Frauen, halb Mädchen angehört.

Frei machen sich die Männer von blinder Liebeslust,
Allein von deiner Liebe wird nie mir frei die Brust.

Wie manchen Widersacher, der eifrig mich bestritt,
Und guten Rat mir aufdrang, wies ich schon ab damit!

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 5-8)
_____



Die Sorgennacht

Wie manche Nacht gleich Wogen des Meeres goß ihr Kleid
Um mich, mit tausend Sorgen mich prüfend und mit Leid!

Ihr sagt' ich, als die Lende sie dehnte breit genug,
Mir kehrte zu den Rücken und ab den vordern Bug:

O Nacht, du lange, lange! willst du dem Morgenschein
Nie weichen? doch, wird besser als du der Morgen sein?

O Nacht, du wunderbare, als ob die Sterne dein
Mit hanfnen Stricken wären gelegt an Felsgestein!

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 9)
_____




Erinnerung an Selma

Heil dir zum Morgengruße, verfallner Trümmerbau!
Doch wo ist Heil für einen, der ward vom Alter grau?

Heil ist nur für den frohen, den jung gebliebnen Greis,
Der keine Sorgen kennet und nichts von Kummer weiß.

Doch wo ist Heil für einen, der an genossnes Glück
Denkt über manche Monde und manches Jahr zurück!

Die Spur von Selma's Wohnung ist in Dhu Chal nicht mehr,
Denn jede schwarze Wolke goß sich darüber leer.

Und meinest du, daß Selma noch jetzt zu schauen sei
Ein Antilopenkälbchen oder ein Straußenei?

Und meinest du, daß Selma noch jetzt sei allzumal,
Wie dort am Gemsenbrunnen oder im Veilchental?

In Nächten, wo dir Selma wies einen blanken Zahn,
Und eines Rehes Nacken, mit Perlenschnüren dran.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 15)
_____



Besbasa

Besbasa meint, ich sei nun gealtert allgemach,
Und Minnespiel zu treiben, das sei nicht mehr mein Fach.

Doch hab' ich manchen Tag wohl und manche Nacht gescherzt
Mit einer holden, ähnlich dem Bildchen im Gemach;

Die ihres Buhlen Lager mit ihrem Angesicht
Hell macht wie eine Lampe, die tränkt von Öl ein Bach;

Die, wann ihr die Gewande der Schlafgenoß entzog,
Sanft auf ihn niedersinket, nicht gleich dem Berge jach.

Aufstieg ich zu ihr leise, als ihr Gesinde schlief,
Wie aus dem Wasser Blasen aufsteigen nach und nach.

Dich gebe Gott den Plündrern! rief sie: du schändest mich;
O siehst du nicht die Plaudrer, die Laurer hundertfach?

Ich sprach: bei Gott, ich weiche von hier und wanke nicht,
Und ob man alle Glieder am Leibe mir zerbrach.

Ich schwur bei Gott und sorgte nicht, ob falsch ich schwur:
Sie schlafen alle, keiner ist mehr beim Feuer wach.

Dann kamen wir zur Güte, und weich ward unser Wort,
Ich zähmte, bis sie nachgab, und o wie gab sie nach!

Da stand ich auf am Morgen geliebt, und ihr Gemahl
Stand auf, bestaubt von Unmut, von Sorg' und Ungemach.

Er brüllet gleich dem Rinde, wann es der Schlächter würgt,
Und droht mich zu ermorden, kein Mörder ist er ach!

Wie sollt er mich ermorden? es ist mein Schlafgenoß
Ein Speer, ein scharfgeschliffner, als wie ein grimmer Drach'.

Und er hat einen Bogen, der niemals einen traf,
Und er hat eine Lanze, die niemals einen stach.

Wie sollt' er mich, nachdem ich hab' ihrem Herzen an
Getan die süßen Schmerzen, ermorden hintennach!

Das weiß wohl Selma selber, wiewohl er ist ihr Mann,
Daß er ist stark in Worten, doch zum Vollbringen schwach.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 16-17)
_____



Der gefährliche Besuch

Was geht dich's an, gedenk' ich an Schöne makellos,
Wie Hindinnen der Wüste, in einem Fürstenschloß!

Zu Jungfraun im Gemache am Regentag ich kam,
Die eine dicke Alte in ihre Obhut nahm.

Sie waren glatt von Fingern, von Nacken und von Wang',
Und hatten feine Hüften und anmutvollen Gang.

Sie führten wohl die Liebe zu des Verderbens Pfad,
Und sprächen zu der Weisheit: geh irre früh und spat!

Abwandt' ich mein Verlangen, von Todesfurcht erfaßt,
Wiewohl ich sie nicht haßte, noch Ihnen war verhaßt.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 18)
_____



Ommo Dschondob

Begleitet mich, ihr Freunde,
Zu Ommo Dschondob hin,
Damit ich heiter werde,
Denn traurig ist mein Sinn.

Und wenn ihr nur ein Stündchen
Auf mich wollt warten hier;
So soll mir Nutzen bringen
Das Stündchen wohl bei ihr.

Denn seht! so oft gekommen
Ich ihr auf Nachtbesuch,
Ward ohne Wohlgerüche
Sie mir ein Wohlgeruch.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 19)
_____



Umeima

O daß ich wissen könnte, was nun Umeima denkt,
Und ob sie die Gedanken noch auf den Fernen lenkt!

Ob zwischen uns geschlungen bestehet treu das Band
Der Liebe, oder Glauben sie falschen Reden schenkt!

Nun, wenn du eine Weile von ihr entfernet bleibst,
Dann wirst Du wohl erfahren, was freut dich oder kränkt.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 20)
_____



Eine Ungenannte

Sie sprach: wenn ich dir geize,
Und weigre den Genuß,
Verdrießt dich's; und gewähr' ich,
So macht dirs Überdruß.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 21)
_____



Die Trennung in Jemama

Nie sah ein Auge Trennung in solche Fernen mehr,
Noch ferner als bei Mekka sich trennt ein Pilgerheer!

Der eine Trupp nahm nieder in Nachla's Tal den Lauf,
Der andre Trupp die Straße zum Hochland Kebkeb's auf.

Und deine Augen flossen, mein Herz, als wie ein Bach,
Wie eine Wasserrinne durch Felsenabhang brach.

Was durfte Trotz dir bieten, wie solch ein Trotzen schwach,
Und was dich so besiegen, wie ein besiegtes Ach!

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 22)
_____



Neu erwachte Lust

Neu ist die Lust erwacht, nachdem sie war entschlafen,
Seitdem Suleima wir bei Kaw und Arar trafen!

Die Kinanierin, sie schied und ließ Verlangen
Mir, als nach Gassan sie und Jamar's Gau gegangen.

Vor meinem Auge stehn die Schönen, wie sie zogen
An Teimar's Seiten hier, durchs Tal, am Rand der Wogen.

Sie schienen durch den Dampf der Früh', im Zug begriffen,
Schwebenden Gärten gleich oder bemalten Schiffen:

Wie mit getränktem Fuß die Palmen von Ben Jamen,
Die bei Moschakkar und Safa ihr Wachstum nahmen:

Sie wölben stolz empor die Wipfel, und es streifen
Mit Rot die Büschel sich der Datteln, welche reifen.

Die Beni Rabda vom Stamm Jamen schützten sie
Mit ihren Schwertern, bis ihr voller Wuchs gedieh.

Die Beni Rabda sahn mit Lust sie angeflogen
Von Blüte, bis nun, als sie mit der Frucht sich bogen,

Die Dcheilan's drängten bei der Ernte sich heran,
Und starreten sie mit verzückten Augen an.

Den Bildern gleich von Schokf, erhöht auf Marmorwand,
Die reich mit Schmuck umgibt des Schadschun schäum'gen Rand.

Die Zarten in Verwahr und Hut, geschirmt vor Leid,
Sich schmückend mit Jakut und goldenem Geschmeid,

Mit Duft von Sennablatt im Büschchen von Himjar,
In welchem aufbewahrt der feinste Moschus war;

Mit ind'scher Aloe und mit Myrobalan,
Mit Myrt' und Sandelholz und Wohlruch um und an.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 23-24)
_____



Suleima

Nun ist mein Pfand verfallen an andre, welches nahm
In Anspruch einst Suleima, eh' ich der Haft entkam.

Doch in vergangnen Tagen war ich ihr so getreu,
Oft stahl zu ihr mein Auge sich durch den Vorhang scheu.

Und hascht' ich da ein Blickchen, so war das Herz bewegt,
Wie von des Frütrunks Becher ein Trunkner ist erregt.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 25)
_____



Esma

O Esma, ist die Liebe,
Die dich beseelt, verrauscht?
Ich werd' auch dich vertauschen,
Wenn Du mich hast vertauscht.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 26)
_____



Mawija

O Mawija, gewährst du nach nächt'gem Ritte Rast?
Sprich, oder ob beschlossen du unsre Trennung hast,

Damit ich ganz verzweifle! ja, deutlich rede du;
Und vom verworrnen Zweifeln gibt mir die Trennung Ruh.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 27)
_____



Selma's Reiz

Wirst du Selma's Angedenken, weil sie floh, aufgeben?
Von ihr ab die Schritte lenken? oder an ihr kleben?

Zwischen dir und ihr, wie manche Wüsteneien leere,
Voll von Todesschrecken, und wie manche Räuberheere!

Doch sie zeigte mir des Tages an Oneisa's Bronnen,
Als die Reisetiere dort den Aufbruch schon begonnen,

Ein geringelt schwarzes Haar, das Lockenspiele treibet.
Und des Zahns geriefte Kante, den sie wischt und reibet,

Dessen Wurzelboden schimmert wie ein Kleid von Tafte,
Und Milchdistel-Zacken ähnlich steht er frisch im Safte.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 28)
_____



Die geliebte Hirr

O Hareth Ben Amru, ich bin wie berauscht;
Der Mann überall ist vom Schicksal belauscht.

Auf Herzen der Männer macht Jagd mit dem Pfeil
Die Hirr, und entgangen ist Hodscher mit Heil.

Sie hat mit dem Pfeile das Herz mir versehrt
Am Morgen des Abschieds, ich war unbewehrt.

Da rollten die Tränen mir über die Wang',
Als wie aufgegangener Perlen ein Strang.

Die Zarte, die Weiche, so sanft angetan
Wie sprossende Zweige von Myrobalan:

Erschlaffend im Aufstehn und stockend im Wort,
Ihr Lächeln erschließt eine glänzende Pfort',

Als wäre der Wein, und von Wolken die Flut,
Und Hauch der Violen und Aloeglut

Gemischt um den frischen, den duftigen Zahn,
Zur Stunde, wann ansingt den Morgen der Hahn.

Ich habe die längste der Nächte durchwacht,
Und Furcht hat das Herze mir schaudern gemacht.

Doch als ich hinan kam, erstieg ich mein Glück,
Und ließ einen Teil des Gewandes zurück.

Es hat uns kein hämischer Laurer erspäht,
Und unser Geheimnis das Haus nicht verrät.

Mich machte bedenklich ihr Wort nur: O Mann!
Da hast du nun Böses zum Bösen getan!

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 30-31)
_____



Von derselben

O kehrt sie am Abend, am Morgen zurück?
Und was geht dich's an, und was hoffst du für Glück?

Ob March oder Oschar ihr Zelt mag erbaun,
Und welches Gefild ihre Spuren mag schaun!

Ob unter den Rastenden rasten mag Hirr,
Ob fern mit den Ziehenden ziehn in der Irr!

March: ein Baum des Hochlandes
Oschar: ein gewächs der Niederungen

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 32)
_____



Schamus

Die Wohnspur ist verwischt, die Wohnung ist geleert,
Und ihren Liebreiz hat Schamus mir abgekehrt.

Sie schaute sonst mich an mit solchem Auge, wie
Ein dunkelstern'ges Reh nach seinem Jungen kehrt.

Sie hat von ihm den Hals, sie hat von ihm den Blick,
Doch ihre Anmut ist ihr sonst woher beschert.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 41)
_____



Die Zeltgenossenschaft

Mit deines Zeltes Seile verschling' ich gern mein Seil,
Mit deines Pfeils Befiedrung befiedr' ich meinen Pfeil,

Solang ich finden werde, da wo auf deine Spur
Ich fahre, daß voraus mir zu dir kein andrer fuhr.

Du kennst mich wohl, und weißt es, daß in der nächt'gen Stunde
Nicht besseren Besuch anbellten deine Hunde.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 42)
_____



Die Besendete

Ich sandt' ihr einen Boten in tiefer Mitternacht,
Damit sie niemand höre, wann sie sich aufgemacht.

Sie kam langsamen Schrittes, vorm Nachtweg bang, heran,
Und mit zwei Seiten streifte sie an vier Mägdlein an;

Die sie gelind antrieben, daß wie berauscht sie ging,
Im Mark die Neige Schlummers, der sie noch erst umfing.

Sie sprach, als ich die Kleider ihr nahm, als ob ein Reh
Schlanknackig, dunkelaugig du schrecktest auf im Klee:

Beim Sterne deines Glückes! ja, wär' ein Bote mir
Gekommen außer deinem - doch was versagt' ich dir?

Das Wild wich uns zur Seite, da lagen wir gestreckt,
Zwei Toten gleich, von denen die Spur ist unentdeckt.

Sie scheute zu berühren das Schwert an unserm Rand,
Und breitet auf mich leise ihr streifiges Gewand.

Sie lehnte, wann ein Schauder der Nacht sie überschlich,
An eines Unerschrocknen und Holden Schulter sich.

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Amrilkais Der Dichter und König
Sein Leben dargestellt in seinen Liedern
Aus dem Arabischen übertragen von Friedrich Rückert
In zweiter vom Dichter selber vorbereiteter
und erweiterter Auflage neu herausgegeben
von Hermann Kreyenborg
Hannover 1924 (S. 44)
_____

 


Imriolkais liebte seine Muhme Oneise, die er lange vergebens zu treffen suchte, bis ihm dies am Tage des Teiches gelang, der auch der Tag von Daretol Dscholdschol heisst. An diesem Tage gingen die Mädchen des Stammes von ihren Sclaven begleitet in's Bad zum Teiche. Imriolkais verbarg sich in einen Brunnen, und liess sie vorüberziehen; als die Sclaven sich entfernt, die Mädchen sich ausgezogen hatten und in's Wasser gegangen waren, sprang Imriolkais hervor, setzte sich auf die am Ufer zurückgelassenen Kleider, und rief ihnen zu, dass sie dieselben nicht eher erhalten würden, bis sie nackt dieselben zu holen kämen. Sie weigerten sich den ganzen Tag lang; als es endlich Abend ward, kam eine nach der anderen heraus, denen er ihre Kleider gab; die letzte war Oneise, die ihn beschwor, die Kleider niederzulegen und davon zu gehen; er schwor aber seinerseits, dass sie dieselben nicht erhalten würde, bis sie nackt sich anschauen liesse; sie entschloss sich endlich dazu, und er gab ihr ihre Kleider, nachdem er ihre Schönheiten vorne und hinten beschaut hatte. Wir kamen, sagten die Weiber, in aller Frühe, du hast uns den ganzen Tag hier gehalten, und nun sind wir hungrig. Ich schlachte, sagte Imriolkais, euch mit Freuden mein Kamel, wenn ihr davon essen wollt. Er zog sein Schwert, schlachtete das Kamel, die Sclaven trugen Holz zu, er zerlegte es mit seinem Schwerte, und gab ihnen die kostbarsten Bissen von der Leber und vom Höcker; sie assen sich satt und tranken Wein aus einem kleinen Schlauche, den er bei sich hatte, waren froher Dinge und tanzten. Als es Zeit zum Aufbruche, sagte eine: Ich will das Holz und die Riemen, die andere: ich will die Satteldecke tragen; so theilten sie unter sich das Reitzeug des geschlachteten Kamels, nur Oneise trug nichts. Du wirst, sagte Imriolkais, mich mit dir auf's Kamel nehmen, sonst lasse ich dich nicht fortziehen. Sie nahm ihn auf das Kamel; er benützte die Gelegenheit, sie unter ihrem Schleier zu küssen, und als sie dies hindern wollte, senkte sich ihre Sänfte; als sie abgestiegen, sagte er die berühmte Stelle seiner Moallakat:

Vergnügt verflossen mir die Tage wohl,
Vor allen die von Daretol-Dscholdschol,
Wo ich den Mädchen mein Kamel geschlachtet;
 Und Wunder! ihr Kamel mit mir befrachtet,
Wo sie getheilet sich in's Fleisch mit Hast,
In's Fett, das weiss wie Schleppe von Damast;
Oneise sagte unter'm Schleier wehe!
Du wirst mich zwingen, dass zu Fuss ich gehe,
Und als die Sänfte dann der Last nachgab,
Sie sprach: du tödtest mein Kamel, steig' ab;
Ich sagte: lass' ihm schiessen nur die Zäum',
Verweig're mir nicht deinen Honigseim.

Übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Literaturgeschichte der Araber
Von ihrem Beginne bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erster Band Wien 1850 (S. 288-289)
_____

 

Ich ängstigte mich ob der Trennung,
Vergebens war die Angst fürwahr;

Ich tröstete mein Herz mit Mädchen,
Indem ich ihnen eigen war.

Heut' Morgens habe ich der Liebe
Auf immer Lebewohl gesagt,

Indem mich fürder nur die Sorge,
Um die vier guten Dinge plagt:

Das erste, das Gespräch mit Trinkern,
Die stehen frühe auf im Haus

Und trinken aus den Schlauch den vollen,
Der siedet von des Weines Braus;

Das andere, den Tanz der Pferde,
Auswerfend ihren Fuss als Speer,

Wettrennend mit den jungen Ziegen,
Die springen sicher um sie her;

Das dritte, Schnelltritt der Kamele,
Wann ringsum dunkelt schon die Nacht,

Hinaus in unbekannte Haide
Und in der Wüsten öde Nacht;

Und wieder aus der Wüste Räumen
Hinan zur wohlbewahrten Stadt,

Um Stelldichein verabzureden,
Um auszuführen hohe That;

Das vierte, Wohlduft einzuhauchen
Des jungen Weib's, das halbdurchnässt,

Hinschielet auf gefeiten Säugling,
Den sie von ihrer Brust nicht lässt.

Sie kümmert sich um meine Qualen
Und um des eig'nen Kind's Gewein,

Sie biegt des Hals, indem sie fürchtet,
Der Knabe möchte lauter schrei'n.

Ich sandt' ihr Wort: "Ich würde kommen,
Sobald der Pleja's Glanz aufgeht,

Sie hüte sich, gehört zu werden,
Wenn aus dem Bette sie aufsteht."

Sie schwankte her langsamen Schrittes,
Und zitterte in ihrem Gang,

Vier Mädchen stützten ihre Hüfte,
Die sie g'en ihre Seiten schwang;

Sie schoben sacht sie fort zum Gehen,
Noch zügelte der Schlaf ihr nach,

Im innersten von ihrem Marke,
Gewecket schnell war sie halb wach.

Sie sprach, nachdem ich sie entkleidet,
Und sie gasellenartig stand,

Mit schwarzem Aug' und langem Halse:
"Wen willst du schrecken, süsser Fant?

Bei deinen Ahnen! wenn ein And'rer
Gesendet solches Wort an mich -

Allein es däuchte mir unmöglich,
Abschlägig zu entfernen dich."

Wir übernachteten - die Thiere
Entfernten sich auf ihrer Bahn.

Wir lagen da wie zwei Erschlag'ne,
Und keiner weiss, wer es gethan.

Sie scheute sich, ein Wort zu sagen
Von dem, was uns're Brust beklemmt;

Sie schob mir zu ihr feingewob'nes,
Ihr schön gestreiftes, zartes Hemd.

Und als aus Furcht sie zitternd bebte,
Da schloss sie sich der Schulter an

Des rüst'gen Mannes, der ein Kühner,
Für sie in die Gefahren rann.

 

Diese Beschreibung des Stelldichein, das die Städterin dem Beduinen gibt, ist ganz gewiss eine der schönsten Blumen arabischer Poesie vor dem Islam; wie lüstern, und doch wie zart ist die Schilderung durchaus gehalten! wie wahr und anmuthsvoll das Gemälde des liebenden Weibes, das über ihre Mutterpflicht nicht vergisst, dem amulettbehangenen Kinde, auf das sie hinschielt, während sie sich den Umarmungen des Geliebten hingibt. Dieses Naturgemälde ist eben so treu als neu. So haben auch mehrere Bilder dieses Divans, welcher den Geist des hohen Liedes athmet, den Reiz derselben Naivheit und unerwarteter Überraschung, wie im hohen Liede die Schäfchen, die zwischen Lilien weiden, und die Nase als Thurm auf Libanon.
 


Übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Literaturgeschichte der Araber
Von ihrem Beginne bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erster Band Wien 1850 (S. 294-295)
_____

 

Wie oft ward mir's so gut mit Frau'n zu weilen,
Und ihrer zu geniessen sonder Eilen!

Ich ging die Wächter durch und and're Schaaren,
Die mich zu tödten freudegierig waren.

Als die Plejaden an dem Himmel schienen,
Wie gold'ner Streif von juwelirten Schiene.

Ich kam, sie war zum Schlafen angekleidet.
Des Hemdes nur, war sie noch nicht entkleidet.

Sie sprach: bei Gott! du willst mich nicht belisten,
Mit deiner Liebe sinnlichen Gelüsten.

Auf stand ich, und sie zog durch Sandesmitte
Gestickte Schlepp', zu bergen uns're Tritte;

Und als wir durch das Feld des Stamm's gegangen,
In's Thal von Hügeln sandigen umfangen,

Zog ich zu mir die meinen Schläfen Nahn'de
Von dünnem Leib und vollem Knöchelbande,

Die Zarte, Weisse, die zur Lust gebettet,
Und deren Brust von Spiegelglas geglättet;

Wie einz'ge Perle gelblich, weiss und helle
Genährt am reinen unberührten Quelle,

Sie wandt' sich scheuen Blicks und glatter Wangen
Wie Wedsche's Reh, an dem die jungen hangen,

Ihr Hals, wie schöner Hals von den Gasellen,
Nur dass er war geschmücket mit Juwelen,

Kohlschwarz das Haar umfliessend ihren Nacken,
Wie Palmenzweig' sich ineinander hacken;

Ihr Haar war hoch am Kopfe aufgezogen,
Zum Theil gelockt, zum Theil kam's frei geflogen;

Ihr zarter Wuchs wie dünner Strich so schmächtig,
Ihr Fuss wie Fuss der Palme wasserträchtig.

Sie schlief in ihrem Bett mit Musk zerrieben,
Zum Überfluss war Gürtel fern geblieben;

Ihr Finger weich und roth wie Cochenille,
Wie die Zahnstocher aus dem Holz Ishile;

Es strahlet ihr Gesicht zur Abendzeit,
Wie's Licht des Mönches, der Marien geweiht.

Vernünft'ger verliebt in solche sich,
Die nicht zu gross, zu kleine, untadelich;

Nicht lange lieben Männer das Gemeine
Nie hör' ich auf zu lieben Sie die Eine,

Stiess ich nicht oft den Mann zurück, der rieth
Zu meiden dich, gut meinte er's damit.

Oft hat die Nacht mit ihren finstern Wogen
Und mannigfalt'gen Sorgen mich umzogen.

Ich sprach, als sie ausdehnte Hüft' und Lenden,
Und ihre Brust begann von mir zu wenden:

O lange Nacht! folgt dir denn nicht der Morgen!
Doch bin bei dir viel besser ich geborgen;

O lange Nacht! in der so fest die Sterne standen,
Als wären sie an Stein geknüpft mit Banden.
_____

Übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Literaturgeschichte der Araber
Von ihrem Beginne bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erster Band Wien 1850 (S. 295-297)
 



Biographisches:

zu beachten ist, dass der Name des Dichters Imru' al-Qais
auch heissen kann: Amrulkais, Imrulkais, Imriolkais u.ä.

siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Imru'_al-Qais

http://www.arabic-art.de/modules.php?name=News&file=print&sid=40




 

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite