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Osttürkische (Tschagataische) Dichter
Der Frühling kam. In duft'ge Rosenmatten
Verwandelt ist die Welt. Die Rose blüht
An Baum und Strauch, im Abendschatten
Singt heut der Sprosser schon sein Klagelied.
Zur Wonne treibt mit lautem Jubelschallen
Des Frühlings knospenreiche Werdezeit.
Entzücken schwellt die Brust. Sie bringt vor Allen
Den Liebenden der Liebe Seligkeit.
Mit Zier und Schmuck erschien, in goldig-zarten
Gewändern, weiss und rot, der Holden Kranz.
So dass die Welt gleich einem Tulpengarten
Ringsum erstrahlt von ihrer Schönheit Glanz.
Unendlich war mein Liebesschmerz. Versunken
In ihrem Anblick schwanden mir die Sinn'.
O, tadelt mich nicht, wenn ich wonnetrunken
Wie die Verliebten alle heute bin.
Im Frühlingsaufzug kamen in dem Reigen
Die Rosenwangigen gepaart heran:
Die Lippen, rot, wie dem Rubin es eigen,
Zu zuckersüssen Worten aufgethan.
Und sollten die cypressengleichen Schlanken
Den Schleier lüften, brächt' es sichern Tod
Für Tausende, die von den Blicken sanken; -
Doch ist um Liebe sterben nicht Gebot?
Unendlich viele seh' ich sich ergehen,
Der Augenbrauen Schwung mit Schwarz getränkt;
Von Wang' und Händen Rosendüfte wehen.
Entschleiert und in Schleier tief versenkt.
Nun sagt mir, welcher soll den Kranz ich reichen?
Wie leicht bei so viel Glanz das Auge irrt,
Da Alle strahlend schön dem Monde gleichen,
Da ihrer Schönheit Pracht Sejdai ganz verwirrt? (S.
89-90)
Sejdai
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Flammend lodert meine Seele,
Doch die Freundin kommt noch nicht.
Was ich zu der Freundin sage? -
Doch sie kommt noch immer nicht.
Ist mein Inneres von Liebe
Auch zu Asche ganz verbrannt,
Bleiben der Cypressengleichen
Sinne doch mir abgewandt.
Ihre Locke sah' im Traume
Ich, doch bin ich tief betrübt
Morgens; kann das Haar nicht lassen,
Das den Zauber ausgeübt.
Leila und Medschnun studieren
Jetzt bei mir der Liebe Kunst,
Doch die holde Theure spendet
Nimmermehr mir ihre Gunst.
Und es scheint des tolles Meschrefs
Leben nah' dem End' zu sein.
Sie, die ohne Scheu und flatternd
Sorglos lebt, gedenkt nicht mein. (S. 90-91)
Meschref
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Samstag die cypressengleiche
Holde ich zuerst ersah.
Und sie machte ganz zerstreut mich
Und zum Ruhelosen da.
Sonntag ward ich wonnetrunken
Stürzte nieder sinnberaubt.
Sah ihr Antlitz, und des Mondes
Leuchten ich zu sehen glaubt'.
Montag endlich das Geheimnis
Meines Herzens ich verrieth
Ihr, der rosenwangig Holden,
Deren Aug' Narzissenblüt'.
Dienstag ward ich Jäger, streifte
Beutelos durch Feld und Wald;
Doch ich selber fiel als Opfer
Ihr, die ewig spröd' und kalt.
Mittwoch wandelt' meine Schöne
Auf der Wiese buntem Plan,
Als der Sprosser sah ihr Antlitz,
Stimmt' er wilde Klagen an.
Donnerstag sagt' ich der Teuren:
"Meinen guten Rat vernimm,
Und verbirg dein süss Geheimnis
Vor der Welt, die gut und schlimm."
Freitag endlich ihre ganze
Schönheit er gesehen hat -
Am Scherbet der Rubinlippen
Trank Nesimi ganz sich satt. (S. 92-93)
Nesimi (1369-1417)
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Fern der Teuern gleicht das Herze
Einem Lande ohne König;
Und ein Land, dem fehlt der König,
Ist ein Körper ohne Seele.
Sagt, was nützt der unbeseelte
Körper euch, o Muselmanen?
Denn er ist wie schwarze Erde,
Welcher fehlen duft'ge Rosen.
Schwarze Erde, welche schmücken
Keine dufterfüllten Rosen;
Ist der finstern Nacht vergleichbar
Ohne strahlend Licht der Monde.
Eine finstre Nacht, die keine
Mondesstrahlen hat zu eigen,
Gleicht der Finsternis, der jede
Frische Lebensquelle mangelt.
Und die Finsternis, die ohne
Lebensquelle ist, gleicht wieder
Ganz der Hölle ohne frische
Duft'ge Paradiesesfluren.
O Nevai, da die Teuern
Dir so viele Qualen machen,
Ist's gewiss, dass Trennung Schmerzen,
Wiedersehen nicht Hilfe bringet.
(S. 93-94)
Mir Ali Schir Nevai (1441-1501)
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übersetzt von M.
Brose
Aus: Beiträge zur Volks- und Völkerkunde
Siebenter Band: Anthologie aus der
asiatischen Volkslitteratur
Herausgegeben von August Seidel
Weimar Verlag von Emil Felber 1898
(Anmerkung des Verfassers August Seidel: Die folgenden Stücke sind im
Originaltext
und Prosaübersetzung von Vambery in seinen cagataischen Sprachstudien
(Leipzig 1867)
veröffentlicht. Die deutsche metrische Bearbeitung stammt von
meinem Freunde Herrn Hauptmann M. Brose)
siehe dazu:
www.deutsche-liebeslyrik.de/orient/orient_ostturkische_dichter.htm
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