Orientalische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

 


Rudaki
(859-941)


Einmal kommt des Beirams Festzeit

Einmal kommt des Beirams Festzeit,
einmal nur in jedem Jahr,
Doch von deiner Wange strahlt mir
ew'ger Festglanz echt und wahr.

Einmal nur im Jahreslaufe,
einmal nur erblüht die Rose,
Doch auf deinem Antlitz glänzt sie
reich an Frucht mir immerdar.

Einmal pflück' ich mir im Haine
einen winz'gen Veilchenstrauss nur,
Doch der Veilchen reichste Fülle
beut mir stets dein Lockenhaar.

Einmal nur im höchsten Flore
prangt im Blachfeld die Narcisse,
Doch in deinem Auge leuchtet
ihre Pracht unwandelbar.

Jene schliesst sich, sinkt in Schlaf sie,
doch die deine, dunkelglänzend,
Ob im Wachen, ob im Schlummer,
offen blickt sie stets und klar.

Wohl im Haine grünt alljährlich
die Cypresse schlankgestaltig,
Doch mit deinem Wuchs verglichen
scheint sie krumm mir ganz und gar.

Rasch verwelkt Granat' und Tulpe -
doch in ew'ger Frische reicht mir
Tulpen deine Hand, Granaten
dein erglühend Wangenpaar.

Deine Rosen schmückt der reine
Ambra stets - und deine Tulpe
Birgt in ihrer Hülle Perlen,
eines Königs werth fürwahr!

Muss da draussen erst die Tulpe
schwarzer Knospenhüll' entspriesen,
Sprossen hier aus deiner Tulpe
schwarze Knospen wunderbar.

Wie gerundet mit dem Cirkel
zeigt dein moschusfarb'ner Flaum sich,
Und als Punkt im Cirkelkreise
stellt dein enger Mund sich dar.

Mond- und Hurigleich im Heere
strahlend bist Cypresse ganz du,
Hältst du Rast - und bist im Laufe
schnell, wie je die Wachtel war.

Doch, ob du als Huri Panzer
trägst - als Mond den Bogen spannst auch,
Als Cypresse singst, als Wachtel
dich gesellst der Zecher Schaar,

Nimmer könntest du mit Ketten
herzentflammte Liebchen binden,
Wärst du je der Schmeichelworte,
je der süssen Rede baar!
(S. 704-706)
_____



O du, dess Schönheit fort und fort
der Erde Schmuck und Zier vermehrt,
Dess Hyacinthgelock an Glanz
dem Moschus selbst den Vorrang wehrt,

Bei deinem Herzen schwör' ich's laut,
das, undurchdringlich gleich dem Erz,
Noch tausendfache Härte mehr
dem härtesten Gestein gelehrt:

Auch nicht die allerkleinste Huld
will ich begehren je von dir,
Wess Herz aus Stein, wohl Keinem noch
hat der ein freundlich Wort gewährt,

Und sollt' es dir zuwider sein,
dass Rudagi dir sclavisch dient,
Nun - ihm wär' selbst der Sklavendienst
von tausend Königen nichts werth!
(S. 707)
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Gekürzt ward die Geduld mir durch die Liebe
zu seines Haares langen Lockenwogen,

Die gleich auf's Neu des Fusses Sohl' umflü-
stern, wenn kaum sie Zwiesprach mit dem Staub gepflogen.

Seit ich als Scorpion sein Haar gesehen, hab'
selbst im Lauch ich Rosen wahrgenommen,

Und seit sein Aug' ich als Narcisse schaute, hat
mich zum Schau'n kein Gaukler mehr bewogen.

Um den ich meiner Seele Kaufpreis gebe, der-
selbe ach hat mir das Herz verwundet,

Und den mit Kosen ich gepflegt, derselbe hat
mich um meiner Seele Ruh' betrogen.

Und doch - will je in dir der Wunsch sich
regen, dass sich das Glück dir nahe raschen Fluges,

O dann umkreise einzig seine Schwelle, zu sei-
nem Schloss komm raschen Laufs geflogen!

Er ist ja doch gleich süss mir wie das Leben,
steht mit der ganzen Welt mir gleich im Werthe,

Denn wahrlich, sehnen wird nach Welt und
Leben sich keiner, dem ein holder Freund gewogen.

Lobpreist ihn einmal nur der Mittellose, er hat
der Mittel dann für hundert Jahr,

Und reich auf hundert Jahre ist der Arme, der
seinem Dienst sich einmal unterzogen.
(S. 708-709)
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Sein Lockenhaar voll Nachtglanz ist's, dem
meine Seufzer all entsprangen,

Bald hält es Tulpengluth umhüllt, bald sanftes
Mondenlicht umfangen.

Eilt raschen Laufes er dahin, so schimmert's
lautrem Silber gleich,

Und sinkt in Schlaf er, haucht es Duft, als sei's
in Moschus ganz zergangen!

Wenn seiner Locken Krümmung lehrt, wie sich
des Neiders Rücken krümmt,

So conterfeit in ihrem Schwarz der Schah des
Feindes schwarze Wangen.

Fürwahr, es schuf ihn Gott; so scheints, nur
den Besuchern all zu Lieb,

Die allzeit ihn um Hülfe flehn, die nie um Ort
noch Stunde bangen.

Denn wo des Fürsten Fuss geweilt, macht Noth
und Mangel nie sich kund,

Und nie wird seines Umgangs satt, wer seines
Huldblicks Gunst empfangen.

Stets wirkt geschäftig seine Hand für jeden, der
sich ihm genaht,

Stets sucht nach dem, der fern noch weilt, sein
Aug' voll sehnendem Verlangen.
(S. 710)
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Ha Reigentanz und farb'ger Wein und mondes-
lichte Schenkenwangen,

Vom Pfade wich' ein Engel selbst, dem solch
ein Anblick aufgegangen!

Wie schlösse ich mein Auge denn? wird einst
doch, um den Freund zu schaun,

Auf meinem Staub statt Gras und Kraut manch
hold Narcissenauge prangen!

Verschmäht doch ganz sein eig'nes Ich, gedenkt
er je noch seines Ich,

Wer einmal nur ein süsses Lieb im höchsten
Liebesrausch umfangen.
(S. 711)
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Ich hab' soviel des Grams erfahren, soviel der
Trennung Bitterkeit

Gekostet, wie kein Staubgeborner im schicksals-
vollen Lauf der Zeit.

Nun hat für immer wohl dem Herzen Valet ge-
sagt die Liebeswonne,

Und doch - mit süssen Liebchen kosen, wie
schön, zumal nach Trennungsleid!

Ja, damals, als gelösten Herzens, gelösten Sinns,
gelöster Zunge

Zum Lagerzelt ich heimwärts wieder gekehrt,
die Freude im Geleit,

Da trat noch ganz nach Sclavenweise hochauf-
geschürzt, wie sie gekommen,

Mir auf dem Wege sie entgegen, die haarfein
schlankgestalt'ge Maid,

Und schmachtend sprach sie: "o wie ward es
dem Herzen dein, von mir so ferne?"

Und schaamroth sprach sie: "o wie ward es der
Seele dein, von mir so weit?"

Und Antwort gab ich ihr und sagte: "o du, die
paradieseswangig

Die Seele mein und alle Schönen der Welt in
Aufruhr setzt und Streit,

Der ambragleichen Locken wegen ward kreisrund
wie ein Ring die Welt mir,

Ganz ward als Ball dem krausen Haar sie, dem
schlägelgleichen, dienstbereit.

So hat der Gram um deine Augen, draus Pfeile
blitzen, mich verwundet,

Der Gram um deine beiden Locken, die Moschus
streuen weit und breit.

Kann wohl die Nacht des Monds entrathen? der
Tag der Sonne? kann in Dürre

Die Rose blühn? die Flur gedeihen in regen-
leerer Trockenheit?"

Doch nun - mit Ambra füllt im Kosen ihr
Hyacinthgelock die Brust mir,

Und ihr Korallenmund im Kusse lieh meiner
Lippe Süssigkeit.

Bald musste ich zum Kauf ihr reichen den Car-
neol, und sie erstand ihn,

Bald bot sie selbst des Weines Spende, und ich
that ihr im Wein Bescheid.
(S. 713-714)
_____



Es warf der Sturm der Trennungsqual von dir,
Cypresse, hoch und hehr,

Mir meines Lebens Fasern all entwurzelt weit
vom Stamm umher,

Was soll ich drum an sie allein gebunden sein
mein Leben lang,

Das doppelzüngig krause Haar gleicht doch der
Schlangen gar zu sehr.

Und kann ich dir noch bittend nahn mit gan-
zer Seele, ungetheilt?

Es schenkt den gleichen Kuss wie mir dein
ros'ger Mund ja andren mehr.

Gewiss, es war ein Feuerbrand, den mir in's
Herz die Schönheit warf,

Was Trennung heisst, er hat's getilgt - drum
macht kein Gram die Brust mir schwer.
(S. 715)
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Mir krankt die Seele, weil sie bange sich sehnt
nach deinem Angesicht,

Ach, einmal gönne meiner Seele, nur einmal
deiner Wange Licht!

Dir schafft es Pein, Dich zu entschleiern, und
nur voll Unmuth schenkst du Küsse,

Indess zum Herz- und Seelenraube dir nie der
leichte Muth gebricht.

Gar schwer erscheint in meinen Augen, was dir
so wenig Mühe kostet,

Und was mir bitt'res Leid bereitet, dich selber
ach! beschwert es nicht.
(S. 716)
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O die dem Knabenherzen du viel Freuen schufst
und Leiden,

Du schwurst mir Treu' und konntest doch des
Treubruchs Schuld nicht meiden.

So schmück' ich mir die Wangen nun mit Thrä-
nen täglich aus,

Indess die deinen Tag für Tag in Perlenschmuck
sich kleiden.

So lang dein Scheiden Sage nur, war Wirklich-
kein mein Leib,

Doch ach! zur Sage ward er selbst, seit Wirk-
lichkeit dein Scheiden!
(S. 716-717)
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Was soll ich, mir den Leib zu pflegen, noch
länger meine Seele kränken?

Es schafft den Hundewärter spielen dem Him-
melgeist doch bass Verdruss!

Auch mir ward ja ein Theil beschieden vom
Wahrheitslehramt der Propheten,

Was such' im trocknen Griechenstrome ich fri-
schen Trunkes Vollgenuss?

Nur meiner Stimme Wohllaut dank ich's, dass
liedverstrickt ich bin gleich Bulbul,

Der Schönheit nur, dass ich in Banden wie
weiland Joseph schmachten muss.

Wohl oft im Kreis der Grossen weilt' ich, bei
Edlen oft, und über alles,

Was kund, was nicht, ergoss belehrend sich mei-
ner Weisheit Redefluss.

Wohl galt mein Sehnen einem Ziel nur, ein
Vorbild einst zu sein für alle,

Und dennoch blieb von allen Gaben mir nichts
als Reue zum Beschluss.
(S. 726)
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O holdes Liebchen, wie mir kund geworden,
so büsste Joseph, da er lebt' auf Erden,

In frohen theils und theils in schlimmen Tagen
der Hemden drei von seinem Leibe ein.

Mit Blut gefärbt ward eins aus list'gen Ränken,
ihn anzuschwärzen ward zerfetzt das zweite,

Und Jakobs thränenfeuchtem Aug' erglänzte beim
Duft des dritten neu des Lichtes Schein.

Nun, jenem ersten gleicht mein blutend Antlitz,
und gleich dem zweiten ist zerstückt das Herz mir,

Doch winkt mir einst die Nacht der Liebeswon-
nen, dann nenn' ich frohentzückt das dritte mein!
(S. 727)
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Wenn du des Verstandes Flur auch gleich
des Herbstes Wehn entblätterst,

Stets doch glänzt durch dich der Liebe Ro-
senau in Frühlingspracht.

Ja! und bin ich selbst der Liebe Heilverkün-
der und Prophet auch,

Du doch riefst in's Sein die Schönheit wie
ein Gott mit Schöpfermacht!
(S. 728)
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Was frommt dir's, willst du dein Gesicht zur
Nische des Gebetes kehren?

Kehr' doch dein Herz Bukhara zu und all den
Schönen von Taraz!

Wenn flüsternd du von Liebe sprichst, das will
dem Herrgott wohl behagen,

Doch wenn du nichts als beten kannst, das
macht fürwahr ihm wenig Spass!
(S. 729-730)

Taraz: in Türkistan; war bekannt
durch schöne Liebchen
_____



Gleich dem Schleier schlüpft beschämt die
Sonne - wenn deines Tulpenpaares Schleier fällt,

Und dort dein Kinn, es gleicht fürwahr dem
Apfel - wenn Moschusstaub ihn zart umfangen hält.
(S. 732)
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Schatz, der du der rothen Rose Farb' und
Duft mit list'ger Hand,

Für dein Wangenpaar die Farbe, für dein Haar
den Duft entwandt,

Rosenroth wird jede Stromfluth, badest du in
ihr dein Antlitz,

Lässt du deine Locken flattern, moschusduftig
jedes Land.
(S. 734)
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Weil ganz und gar das arme Herz ihr Locken-
haar mir festgeschnürt,

Hat jeden Nerv der Seele auch der Lüste Schaar
mir festgeschnürt.

Vom Weinen hofft' ich Rettung noch - doch
ach! der Liebeswonnen Nacht

Hält nun auch dies wohl tief im Schlund auf
immerdar mir festgeschnürt.
(S. 735)
_____



Wie Rudagi, so raubte mir auch die Liebe
allen Lebensmuth,

Es färbte rosig wie Korallen die Wimpern mir
der Thränen Blut.

Und ach! aus Furcht vor Trennungsqualen ver-
zehrt des Neides Flammengluth

Mich obendrein - denn ich beneide um ihre
Qual die Höllenbrut.
(S. 736)
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Siehst du einst im Tod erkaltet mit erschloss'-
ner Lippe mich,

Siehst du wunschlos dieses Leibes Hülle, draus
die Seele wich,

O auf meine Bahre nieder sinke dann und
schmachtend sprich:

Ja, nun reut mich's tief, denn wahrlich, die den
Tod dir gab, war ich!
(S. 737)
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Es krankt das Herz mir, ach! es ward von
Lockenketten fest umwunden,

Es füllt mit Blut sich - ach! ihm schlug ein
indisch Liebchen Todeswunden.

Was nützt mir nun dein guter Rath, du Mah-
ner? bleibt doch diese Welt

Nur darin wandellos sich treu, dass jammervoll
sie stets erfunden.
(S. 737-738)
_____


Sein Antlitz hat er um ein Herz verkauft, das
ist nicht theuer eben,

Um eine Seele seinen Kuss, auch das ist billig
hingegeben!

Wär' jener Mond ein Handelsmann, dann wahr-
lich gäbe für ein Herz

Er seiner Wange Anblick wohl, doch seinen
Kuss nur für ein - Leben!
(S. 739)
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Herbei und reich den Wein mir her, der son-
nenhell, wenn du ihn schlürfst,

Von Lippen niederrinnt und flugs durch Wan-
gen wieder aufwärts steigt!
(S. 741-742)
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Mit Küssen ist es, wie mit salz'gem Wasser -
Je mehr du trinkst, je grösser wird der Durst.
(S. 742)
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Löse, ach mit zwei drei Küssen mich aus die-
ser Angst und Qual,

Will zum Dank dann für dich beten: Gott ver-
gelt dir's tausendmal!
(S. 742)
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übersetzt von Hermann Ethé (1844-1917)

Aus: Dr. Hermann Ethé Rudagi, der Samanidendichter
Beiträge zur Kenntnis der ältesten Epoche neupersischer Poesie
Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der
Wissenschaften und der G. A. Universität
zu Göttingen Nr. 25 (12. November 1873)


 

 


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