Orientalische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

 


Saadi

(eigentlich Moscharraf od-Din Abdullah)
(um 1190-1283 oder 1291)



Aus Saadi's Diwan

Aus dem Buch der Süßigkeiten - Tajjibat


I.
1 Lieblich zeigt in meinem Spiegel sich dein Bild,
Weil der Spiegel rein ist und das Bildnis mild.

2 Wie ein lautres Glas den Wein, so offenbart
Deine Antlitzschöne schöne Sinnesart.

3 Wer mit einem Blick dich sah, auf einen Schritt
Mit dir ging, trägt ewig von dir Unruh mit.

4 Mag das Wild im Felde sich dem Netz entziehn,
Doch zu deinem Netze zieht der Trieb uns hin.

5 Einen Vogel, der einmal liebt einen Ort,
Mag man töten, und er geht von dort nicht fort.

6 Eifersüchtig auf dein Weh in meiner Brust,
Hab' ich keinem Arzt den Schmerz zu klagen Lust.

7 Laß mich dir zum Opfer dienen! stirbt nicht gern
Vor der Sonnenfackel Lämpchen Siebenstern?

8 Wenn du lächelnd einen Ärmel schüttelst aus,
Halten Papagei und Fliege Zuckerschmaus.

9 Wenn das süße Püppchen einmal trutzig sitzt,
Wollen Anspruchsvolle lauter Süßes itzt.

10 Deinen Garten zu beschaun ist Saadi's Wahl,
Niedre Hunde drängen sich zum Raubemahl.
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II.
1 Das sehnsuchtsvolle Herz ging durch des Gartens Pracht,
Vom Blumenwürzeduft ward's außer sich gebracht.

2 Die Nachtigall rief dort, die Rose winkte hier,
Da fielest du mir ein, und sie entfielen mir.

3 Dein Bild im Herzen und dein Siegel auf dem Mund,
Dein Rausch im Haupt, dein Duft geheim im Seelengrund.

4 Seit deinen Bund ich schloß, brach ich die andren Bünde,
Denn jedes Band nach dir zu lösen ist nicht Sünde.

5 Seit deiner Liebe Dorn ergriffen meinen Saum,
Wird mich zum Rosenbeet die Lust verlocken kaum.

6 Wohl fühlt ein Herz, wenn solch ein Weh es niederwarf,
Daß es nach Arzenei die Hand nicht strecken darf.

7 Wenn dich zu suchen Müh uns kostet, ist's kein Schade;
Die Lust zum Heiligtum macht glatt der Wüste Pfade.

8 Und wer auf einen Freund mit Brauenbogen blickt,
Der muß ein Schild sein, das vor keinem Pfeil erschrickt.

9 Und kommt ins wunde Herz vom Köcher jeder Pfeil,
Sei dies mein Teil, daß ich der Opfer bin ein Teil.

10 Sie sagen: Saadi, sag nicht solche Liebesklagen.
Ich sage sie und lang nach mir wird man sie sagen.
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III.
1 Dem Schlaftrunknen leuchtet nie das Leben ein,
Was ist rechtes Leben? Trunkenheit vom Wein.

2 Meine nicht, daß ich von solchem Wein dir sprach,
Der die Schenken baut und den Verstand reißt ein.

3 Trunken sollst du sein vom Liebesseelenwein,
Was dir den Verstand benimmt, ist Weh allein.

4 Willst du Hofdienst, weigre den Gehorsam nicht,
Willst du Läuferstelle, stell den Lauf nicht ein.

5 Der du fortschläfst und der Trupp bricht auf, du wirst
Dein Herberg, fürcht ich, sehn nur im Traum allein.

6 Eh du Pflichtsaat streutest, wirst du Lebensfrucht
Nicht einernten, arbeit' und der Schatz ist dein.

7 Tief in Finsternissen ist des Lebens Quell,
Perl in Meeresgründen, Schatz in Wüstenein.

8 Wer den Ring beständig an die Platte schlägt,
Ließe man nicht eines Tages ihn doch wohl ein?

9 Gehn am Tage muß man, um dem Ziel zu nahn
Und bei Nacht ruhn bis herankommt Sonnenschein.

10 Saadi, wenn du ohne Dienst den Lohn verlangst,
Durstig liegt der Reisende beim Wasserschein.
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IV.
1 Die ganze Nacht nicht schliefen wir,
Wohl, Mittagsschläfer, bekomm es dir!

2 Die Durstigen starben in der Wüst,
Und das Wasser von Hilla nach Kufa fließt.

3 Du stark von Bogen, von Treue schwach,
So hieltest du Wort dem Freunde ach?

4 Gleich Dörnern, wo ich nicht bei dir bin,
Ist mir das Lager von Hermelin.

5 Du angeschaut von verliebter Schar
Wie von Andächtigen der Hochaltar!

6 Ich gab in der Liebe Zucht meinen Schopf
Und ging in die Schule mit greisem Kopf.

7 Gift ist, kredenzt von der zarten Hand,
Mir in der Kehle wie Zuckerkand.

8 Den Tollen im Gäßchen der Schönen tut
Nicht weh Torwächterübermut.

9 Nichts kann ums Leben Saadi bringen,
Als wenn ihm seine Freund' entgingen.
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V.
1 Lächelpüppchen, wer hat in die Lippe dir gebissen,
Aus dem Anmutsgärtchen wer die Wangenros' gerissen?

2 Wer sie mag gebissen haben, hat den Wunsch empfangen,
Wer sie nicht entrissen, hat viel Ärger und Verlangen.

3 Wer das Messer hat bis an das Heft ins Ziel gestochen,
Niemals süßere Melone hat wer aufgebrochen.

4 Chidher, ei ich gönne dir nicht diesen Quell des Lebens.
Weißt du wie sich Alexander drum bemüht vergebens?

5 Ist hier eines Menschen Blut, ist roter Wein geflossen?
Oder hat die schwarze Maulber dein Gewand begossen?

6 Denk daß plötzlich deine Mauer hat bekommen Scharten,
Daß du nicht mehr sagest, niemand hat gesehn den Garten.

7 Noch in vorger Woche tat den Mund nicht auf die Rose,
Heute riß entzwei ihr Schleier von des Ostwinds Stoße.

8 Durch den Tigris, wo vor Furcht die Ente nicht geschwommen,
Steuern Schiffe nun weil weg die Dämme sind genommen.

9 Künftig wird von uns das Fäßchen nicht mehr angestochen,
Es genügt uns, daß den Krug ein Fremder hat berochen.

10 Lange wird die Fruchtfüll auf dem Baume sich nicht halten,
Da, wie reif sie ist, die Jungen wissen und die Alten.

11 Hältst du es mit allen nun, und weichst vor und zurücke?
Immer Unrecht ist's von dir, und Schuld vom scheuen Glücke.

12 An ein andres Gartentor laß, Saadi, dein Verlangen
Pochen, diese Wiese laß, die Herd' ist hier gegangen.
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VI.
1 Ich bin in eine Gasse gefallen von Ohngefähr,
In welcher Ladung und Esel schon sind gefallen mehr.

2 Bringt die Kund' in den Garten dem gefiederten Troß:
In einen Käfig gefallen ist euer Sanggenoß.

3 Trag, o Hauch des Morgenwindes, den Gruß zu Liebchen hin,
Daß ich gleich dem Morgen zum Hauch geworden bin.

4 Was bleibt, als still zu halten, dem, den du hältst beim Schopf?
Eine Flieg ist gefallen in einen Honigtopf.

5 Treibe wie ich mit der Liebe doch keiner ein solches Spiel,
Außer, wer eben in solche Stricke der Liebe fiel.

6 Saadi, die mißliche Lage des Balls ist keinem klar,
Als wer ein Spiel des Schlägels sein ganzes Leben war.
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VII.
1 Bist du's oder hat die Gartenpinie sich gesetzt in Gang?
Oder nahm ein Engel Menschenantlitz an und Stimme Klang?

2 Jene Fee, die sich der Welt entzogen eine lange Frist,
Wieder sah ich, daß sie sichtbar nun hervorgetreten ist.

3 Hat man Weihrauch angezündet? Haucht im Garten Rosenbrand?
Kommt das Liebchen? kommt die Moschuskarawan aus Tartarland?

4 Seit ich mit dem Bilde deines Angesichtes ward bekannt,
Kommt mir, wen ich andres sehe, vor als wie ein Bild der Wand.

5 Karawanfürst! einen Blick auf diese Schönheit gönne mir!
Fordert man dafür ein Leben, als ein Käufer steh ich hier.

6 Länger nicht im Hause will ich sitzen dumpf vor Gram umparkt
Nun besonders da ich höre daß die Rose kam zum Markt.

7 Wenn den Blick auf Gottes Schöpfung du mir willst verheben,
Sag ich dir, daß dazu mir die Augen sind gegeben.

8 Was, o Ruh der Seele, über mich ergeht in deinem Band,
Sag ich einem, der Gefangenschaft in deinem Bande fand.

9 Sieh, die Flöte, stets mit Edlen im gastlichen Bunde,
Klingt und klagt weil sie empfangen manchen Schlag und Wunde.

10 Saadi, wenn du hohen Mut hast, klage Liebes Weh nicht
Seit die Welt steht, hat die Liebe stets dem Lieben weh getan.
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VIII.
1 Sünd ists in der Klause sitzen ohne dich,
Keine Türe schließt vor solchem Gaste sich.

2 Wenn der Saum des Glückes in die Hand dir fiel,
Lässest du ihn fahren, ists ein Torenspiel.

3 Wer von deinem Pfeile fiel, der steht nicht auf,
Wer in deine Fangschnur kam, vergißt den Lauf.

4 All mit eins in dein Bestrick wir kamen,
Vogel in das Garn, Fisch in den Hamen.

5 Welch ein Blick, der Blut ins Herz mir trieb!
Welch ein Salz, das meine Wunden rieb!

6 Nicht die Last der Schmach kann ich ertragen,
Nicht dem Bund der Treu kann ich entsagen.

7 Auch der Rest von Sein, der mir noch blieb zur Frist,
Sagen darf ich nicht vor deinem Sein: er ist.

8 Nie mehr, wenn der Sinn sich hat kund getan
Betet die Gestalt der Götzendiener an.

9 Trunkenheit des Weins ist dem versunken
Dessen Herz wie Saadi's liebestrunken.
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IX.
1 Selig bin ich auf der Welt, weil selig ist die Welt durch Ihn,
Meine Liebe leih ich allen, denen seine ward verliehn.

2 Freund, den Jesushauch des Morgens mache dir zu Nutzen auch,
Ob dein totes Herz er wecke, denn von Ihm ist dieser Hauch.

3 Nicht dem Himmel ward vertrauet, nicht den Engeln ward verliehn,
Was im schwarzen Korn der Brust der Adamskinder keimt durch Ihn.

4 Gift werd' ich mit Lust verschlingen, weil der Schenke reizend ist,
Willig werd ich Schmerzen tragen, weil von ihm die Heilung ist.

5 Wird nicht besser meine Wunde desto besser immerhin;
Heil der Wunde, die verbunden jede Stunde wird durch Ihn.

6 Wohl von Weh zu scheiden ist nicht was dem Eingeweihten frommt,
Schenke, gib den Wein aufs Wohlsein des von dem mein Wohlsein kommt!

7 Ob ein König ob ein Bettler, beide sind mir einerlei,
Denn in Knechtschaft beugt den Rücken seinem Throne wer's auch sei.

8 Saadi, rafft den Bau des Lebens der Vernichtung Gießbach hin,
Sei getrost, es ist die Grundlag' ewger Dauer fest durch Ihn.
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IX a.
1 Durch ihn will ich mich der Welt freun, weil sich freut die Welt durch Ihn,
Alle Schöpfung will ich lieben, weil sie steht und fällt durch Ihn.

2 Mache dir zu Nutz, o Freund, den jesusgleichen Morgenhauch
Daß er totes Herz belebe, denn er ist geschwellt durch Ihn.

3 Nicht den Himmeln ist gegeben, nicht den Engeln ist verliehn
Was der Adamskinder dunkle Herzenstief', erhellt durch Ihn.

4 Gift will ich mit Süße trinken, weil der Schenke reizend ist,
Schmerz will ich mit Willen tragen, weil er Heil erhält durch Ihn.

5 Wenn nicht meine blutge Wunde besser wird, ist's besser so,
Heil der Wund', in die zu jeder Stunde Balsam fällt durch Ihn.

6 Weh und Wohlsein, für den Weisen hat es keinen Unterschied.
Auf sein Wohlsein, Schenke! weil mein Wohlsein mir gefällt durch Ihn.

7 Fürstentum und Bettlertum ist beides einerlei für uns
Weil Anbetung jeden Rücken krümmt vor diesem Zelt durch Ihn.

8 Saadi, wenn das Haus des Lebens der Vernichtung Strom zerbricht,
Halt das Herz fest, denn der Bau der Dauer ist festgestellt durch Ihn.
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X.
1 Nun Rosengeruch und Vogelgesang,
Tage der Lust und Flurengang.

2 Herbst Kämmerer hatte die Blätter gestreut,
Lenz Maler hat nun den Garten erneut.

3 Wir haben nicht Lust in den Garten zu gehn,
Frühling ist überall, wo wir dich sehn.

4 Nach Schönen zu blicken, verpönt ist es traun,
Doch nicht mit solchem Blick wie wir dich schaun.

5 Der Schöpfung Geheimnis, so klar ist das
In deinem Antlitz wie Wasser und Glas.

6 Um dich mit dem rechten Auge zu sehn,
Möcht' ich des linken verlustig gehn.

7 Welch Herz kein Gepräge vom Siegelstein
Der Lieb annimmt, ist ein Ziegelstein.

8 Mich hat verbrannt mit Haut und Schopf
Das Feuer unter der Sehnsucht Topf.

9 Das Klagen Saadi's ohne Maß,
Sie sagen, wider Vernunft ist das.

10 Der weiß es nicht in welcher Flut
Wir stecken, der draußen am Ufer ruht.
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XI.
1 Komm, an Friede, Freundlichkeit und Freundschaft ist die Reihe nun,
Auf Beding daß wir mit Schweigen das Vergangne lassen ruhn.

2 Nicht auf Liebe mehr zu kreisen war mein Vorsatz fest und stät,
Dich erblickt ich und der Einsicht Falkenauge ward vernäht.

3 Mich den herzbetrübten tadeln mag ein solcher, der nicht sieht,
Welchen Umfang hat die Liebe und die Schönheit welch' Gebiet.

4 Was kann meine Gier erjagen, gibst den Weg zu dir du nicht?
Schwach ist des Bestrebens Auge, welchem fehlt der Leitung Licht.

5 Süßer ist des teuren Lebens Untergang von deiner Hand
Tausendmal, als aufzusuchen andern Schutzes Unterpfand.

6 Ob ich niemals mich vergangen? wenn du scharf danach willst gehn
Daß ich ging von deinem Antlitz, übrig g'nug ist das Vergehn.

7 Gegen deinen Sinn zu handeln, kann mir kommen nicht in Sinn;
Wie könnt' ich den Herrn verklagen, dessen Landeskind ich bin?

8 Nicht in einem Körperumriß sieht man soviel Geisteslicht,
Und in einem Koranabschnitt soviel Wunderverse nicht.

9 Ihrem Ende naht die Rede und das Leben seinem Ziel,
Doch der Schildrung deiner Schönheit fehlt an beiden Enden viel.

10 Saadi's Buch der Trennungsklagen war zu keinem Ohr gebracht
Wo nicht einen Schmerzenseindruck seiner Worte Kraft gemacht.
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XII.
1 Kein Reich auf Erden ist dem Reich der Bettler gleich,
Kein Reichtum ist als wie Zufriedenheit so reich.

2 Wenn irgend einem Mann hier mag ein Rang zukommen,
Der ist's, der keinen Rang bei andern eingenommen.

3 Viel Eigenschaften sind, entsage du der Haft
Der Eigenschaften, nichts ist bessre Eigenschaft.

4 Wer ist der Mann der hier zur wahren Kenntnis kam?
Der ist's der auf der Welt von Niemand Kenntnis nahm.

5 Bekleidet wirst du sehn am Auferstehungsmorgen
wer heute nackend geht und mag ein Kleid nicht borgen.

6 Ein Gras und ein Gewächs mit einer guten Kraft
Ist besser als ein Mensch der keinen Nutzen schafft.

7 Was, Bettler, weißt du denn von dem was gut dir tut?
Freu dich, wenn du nichts hast, gewiß es tut dir gut.

8 Der ist kein Freund, der sich will über'n Freund beklagen,
Nicht eine Blutschuld ist's, wen irgend Lieb erschlagen.

9 Das ist der Weg der Zucht den, Saadi, du gewiesen,
Du findest, wen du hörst, nicht bessern Rat als diesen.
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XIII.
1 Süßer ist kein Lebenslauf als Liebesnot,
Morgenrot Verliebter hat kein Abendrot.

2 Die Musik schweigt, aber die Verzückung blieb:
Einen Anfang, doch kein Ende hat die Lieb.

3 Einen unter Tausenden ergreift der Laut,
Denn nicht jeder ist dem Liebesgruß vertraut.

4 Jedem Wunsch der Wünscher ist ein Ziel gesteckt,
Doch das Wunschziel Wissender ist unentdeckt.

5 Nur Bekannte finden sich zu diesem Schmaus,
Zutritt hat der Pöbel nicht im Fürstenhaus.

6 Aloe hat Wohlgeruch nur, wenn sie brennt;
Reife wissen, daß der Rohe dies nicht kennt.

7 Jeder macht sich mit des Liebchens Namen groß,
Aber unser Liebchen nennt sich namenlos.

8 Frage mich nach Liebesrausch und sei belehrt:
Was weiß einer, der nicht Hefen hat geleert?

9 Schlaf zur Unzeit ist's, der dir den Weg versteckt,
Sorg nicht, daß zur Unzeit Morgenruf dich weckt.

10 Saadi, wenn du Götzen brichst, nicht selbst es sei!
Selbstdienst ist nicht minder als Abgötterei.
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XIV.
1 Du weißt es, ruhen kann ich
Nicht ohne dein Gesicht,
Die Last der Trennung trag' ich
So viele Tage nicht.

2 Von mir wär' ohne Sehnsucht
Ein Stückchen? welch ein Märchen!
So unnütz ist an meinem
Leibe kein einzig Härchen.

3 Nach jenem Körnchen tat ich
Nur einen Blick, nicht mehr;
Ich sah's und fand aus dem Netze
Den Weg zurück nicht mehr.

4 Nachts will mich oft bedünken,
Nie woll' es werden Tag
Und seh' ich dich morgens, wünsch ich,
Daß Abend nie werden mag.

5 Zög' all die Stadt mit Hader
Und Streiten gegen mich aus,
Was frag' ich nach der Gemeinheit
In der Erwählung Haus?

6 Ich kam nicht aus Heuchelei, um
Zu gehn aus Verdruß davon,
Ich habe die Pflicht zu dienen
Auch sonder Ehr und Lohn.

7 Bei dir von Kopf zu Fuß
Schwör' ich: mit dir im Bund
Wird mir des Feindes Feindschaft,
Des Schmähers Schmäh'n nicht kund.

8 Ich liebe dich, ob Huld du
Mir oder Unhuld tust.
Bei deinen Augen, im Auge
Hab' ich nicht meine Lust.

9 Du wärst ein mißgeschaff'nes
Geschöpf, o Saadi, wenn du
Sagtest: ein Herze hab' ich,
Und kein Herzlieb dazu.
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XV.
1 Ein Herz verliebt und entsagend
das mag ein Stein wohl sein,
Von Liebe zur Entsagung
ist mancher Meilenstein.

2 O ihr Brüder der Wallfahrt
redet mir nur nicht ein,
Denn frommes Werk auf Liebsweg
ist das Glas und der Stein.

3 Wein und Musik will ich nicht mehr
verheimlichen im Gemach,
Denn im Liebesglauben
ist guter Nam' eine Schmach.

4 Auf welche Zucht soll ich hören,
auf welchen Erspriß soll ich sehn?
Mein Auge steht auf die Schenke,
mein Ohr aufs Lautengetön.

5 Zum Angedenken von Einem
ergriff ich beim Gewand
Den Ostwind, was ergab sich?
Wind hab' ich in der Hand.

6 Meinem im Zorn gegang'nen
wer bringt ihm von mir den Bescheid?
Komm, weggeworfen hab' ich
den Schild, wenn du kommst zum Streit.

7 Töte mich wie dir's im Sinn ist,
denn ohne deine Schau
Ist für mein Dasein enge
die weite Weltenau.

8 Durch Tadel aus Saadi's Herzen
wird Liebe nicht weggetaut.
Wer wäscht vom Mohr die Schwärzen
Sie sind in seiner Haut.
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XVI.
1 Lieb ist mir daß dein Mondgesicht Gebrauch vom Schleier mache,
Damit man wie die Sonne nicht es seh' auf jedem Dache.

2 Wer darf die Fremden schelten? wenn du selber deine Schöne
Erblickst im Spiegel, räumt dein Herz die Brust mit Lustgestöhne.

3 Zum Lachen ist es, wenn vor dir süß reden will ein Schlucker,
Dein Lebenswasser, wo du lachst, entspringt aus deinem Zucker.

4 Dem Morgenseufzer darf ich nicht den freien Gang erlauben,
Er möchte deinem Morgenhauch etwa die Reinheit rauben.

5 Ein Putz ist nimmermehr im Stand dich reizender zu putzen
Und keine Kräuslerin vermag dich schöner aufzustutzen.

6 Oft sagt' ich: zeige dies Gesicht doch nicht an jeder Stelle,
Damit es nicht ein Auge sieht das nicht ist geistig helle.

7 Hinwieder sag' ich: Bild und Sinn, die in dir aufgegangen,
Vermag nur der zu schauen wer die Kunst zu sehn empfangen.

8 Ich lasse jedem Feind zu mir den Weg um deinetwillen,
Damit einmal ein Freund auch kommt und sagt von dir im Stillen.

9 So schwer nicht fallen würd' es mir, wenn ich das Haupt verlöre,
O Zarteste, als daß man ein Haar auf dem Haupt verstöre.

10 Nicht das ist Saadi's Kummer daß er sitz' im Staub der Wege,
Nur daß er sich als Hindernis dir in den Weg nicht lege.
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XVII.
1 Nicht nur auf Erden ist nicht deines Gleichen,
Der Mond am Himmel muß an Glanz dir weichen.

2 Ich gebe nicht dem Wuchse der Zypressen
Mein Herz, sie können sich mit dir nicht messen.

3 Beim Brauenbogen! niemand in der Stadt
Ist der nicht deinen Pfeil im Herzen hat.

4 Hinfort wird niemand Menschenherzen fangen
Denn keines blieb das deinem Strick entgangen.

5 Wenn auch du setzen magst auf meinen Platz,
Für dich ist auf der Welt mir kein Ersatz.

6 Gewiß, in solchen Busen seidenweich
Gehört nicht solch ein Herz dem Stahle gleich.

7 Die ganze Welt bewegt zum Liebespiel
Der Name Saadi's, der dir selbst entfiel.
_____



XVIII.

1 Wen einmal Liebe fing in ihren Stricken,
Der muß in ihre Launen auch sich schicken.

2 Wer nie verliebt sich hat, der ward kein Mann,
Das Silber wird nur rein wenn es zerrann.

3 Kein Braver kann der Liebe Gasse nah'n,
Setzt er nicht Irdisches und Ew'ges dran.

4 In dein Gedenken muß ich mich versenken,
So daß ich nicht vermag an mich zu denken.

5 Der Liebe sagt' ich Dank und sag ihr Dank noch heut:
Sie hat mein Herz verbrannt, doch meine Seel' erfreut.

6 Gepriesen sei'st du süße Rednerzunge,
Von der ist all dies bittre Leid im Schwunge.

7 O Saadi, angenehmer als dein Wort
Gibt's für Verständ'ge keinen Lebenshort.
_____



XIX.
1 Brich ab und räume vom Gepäck das Zelt,
Denn in Bewegung ist der Zug der Welt.

2 Weib, Kind und Freund' und Leut' und Anverwandte
sind Karawanenbrüder, Wegbekannte.

3 Laß nicht dein Herz an der Gesellschaft hangen,
Die weiter geht, wenn du bist weggegangen.

4 Staub sind von Anbeginn die Menschenglieder
Und recht beseh'n am Ende sind sie's wieder.

5 Ist's besser nicht, daß Anfangs man ans Ende
Denk, und sich über'n eig'nen Wert nicht blende?

6 So viel verschlang die Erd' und and're leben
Die hochmutvoll das Haupt zum Himmel heben.

7 An einem Grab rief einer aus die Klage:
Sind dies die Erdenfürsten vor'ger Tage?

8 Ich sprach: Brich weg ein Brett vom Haupt der Schläfer
Und sieh ob es sind Fürsten oder Schäfer.

9 Er sprach: Es braucht das Brett nicht weggebrochen
Zu sein; ich weiß, sie sind ein Handvoll Knochen.

10 Der Rat ist bitt're Arzenei; sie wollen
Wie Juleb soll er durch die Gurgel rollen.

11 Nun, solcher Art Purganz versetzt mit Zucker
Beut Saadi's Apotheke jedem Schlucker.
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XX.
1 Reiche, die ein Paradieshaus haben für den Armen,
Sollten auch zu jeder Stunde seiner sich erbarmen.

2 Doch du bist ein Schönheitreicher, Armer, unbedürftig,
Fragst nicht ob sie sind verwundet, siechtumunterwürfig.

3 Was bekümmert dich, ob Kummer einen mag verzehren,
Da, je mehr du tötest, deine Freunde stets sich mehren?

4 Bin ich um der Krankheit willen von dir ein Verbannter?
Ist ein treuer Freund doch besser als ein Anverwandter.

5 Deren Mut veracht' ich, die auf's Spiel ihr Haupt und Hemde
Setzen und dem Freund zu Liebe sind sich selber Fremde.

6 Eine süße Lippe gibt natürlich bitt're Reden,
Wer der Schönheit Waffen führet braucht sie zum Befehden.

7 Hast du keinen resoluten Liebenden gesehen,
Der gesenkten Haupts das Schwert sich über's Haupt läßt gehen?

8 Saadi, nicht wie ich und du, voll Gierd' und kurz von Arme,
Sondern aller Welt entsagend ist der wahre Arme.
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XXI.
1 Die Nachtigall ist trunken,
und Knospen trägt das Reis,
Die Welt ist jung geworden
und Freunde sitzen im Kreis.

2 Der Liebling unsrer Gesellschaft
hat immer Herzen geraubt,
Doch heut tut ers besonders
da er geschmückt sein Haupt.

3 Wer erst aus Buße die Laute
im Ramadan zerbrach,
Hat nun Rosen gerochen
und Buße gebrochen danach.

4 Zerstampft vom Fußtritt der Lust ist
der Rosenteppich ganz
Weil Geistlicher und Laie
soviel gesprungen im Tanz.

5 Den Wert der geselligen Stunde
kennen zwei Freund' allein,
Die lang geschieden waren
und neu sind im Verein.

6 Nun geht aus unserm Kloster
kein Nüchterner hinaus
Dem Vogt zu sagen, daß trunken
die Sofis sind beim Schmaus.

7 Wird mir die Welt zu Feinden,
wenn nur der Freund mich hält,
So frag' ich nicht nach ihnen,
ob sie sind auf der Welt.

8 In Mitten unsres Hauses
da steht ein Rosenbaum,
Vor dessen Wuchs ist niedrig
die Zypress' im Gartenraum.

9 Einer sprach zur Zypresse:
Bringst du mir Früchte zu Stand?
Sie gab zur Antwort: Freie
kommen mit leerer Hand.

10 Auf dem Weg des Verstandes
gehen, o Saadi, viel,
Weil sie den Weg nicht wissen
zu der Torheit Asyl.
_____



XXII.
1 Soviel ist die Welt nicht wert um sich darum zu neiden
Oder um ihr Sein und Nichtsein töricht Gram zu leiden.

2 Denen, die da gar nicht sehn nach diesen Erdenschollen,
Ist wohl einzuräumen daß sie sind die einsichtsvollen.

3 Was ein Weiser sieht daß es will fallen übern Haufen,
Wär es auch die ganze Welt, er wird für nichts es kaufen.

4 Dieses ist ein Haus, das brechen muß in Schutt und Grause,
Glücklich wer sich umgetan nach einem andren Hause.

5 Hörtest du von einem, dem die Welt blieb treu zum Ziele?
Vor den Augen steht die Wahrheit, aber blind sind viele.

6 Daß du nicht dich brüsten mögest und dich stolz gebärden!
Deiner Art hat Gott in seiner Habe viele Herden.

7 Du jetzt auf dem Schoß der Erde, dir nicht fiel zum Lose
Alle Zeit; manch andre harren schon im Mutterschoße.

8 Alle Tage trägt ein Schaf weg dieser Wolf voll Luge,
Doch nach ihm begierig blicken immer Schaf unkluge.

9 Der aus Hochmut seinen Schritt nicht ließ zum Boden gleiten
Ist nun Staub am Boden, über den die andren schreiten.

10 Möchten sie den Wert der Augenblicke nur erkennen,
Um die wen'gen zu benutzen, die vom Grab sie trennen.

11 Rosen ohne Dornen sind dem Garten nicht gegeben,
Dieser Welt dornlose Rosen sind, die schuldlos leben.

12 Saadi, guter Name wird die Welt ins Grab nicht legen;
Tot ist jener, dessen Name man nicht nennt mit Segen.
_____



XXIII.
1 Treib nicht Mutwill, Holder, denn du stehst vor Einsichtsvollen,
Rechts und links Fremd' und Bekannte die dich sehen wollen.

2 Keiner ist, der nicht mit einem Blick dich möcht' erspähn,
Und ich auch geh damit um, womit sie all umgehen.

3 Augen haben jene Leute, die mit Lust einsaugen
Deiner Wangen Licht, die andern haben keine Augen.

4 Manche haben Sorg' um drüben, manche Sorg' um hüben,
Doch nach dir ist eitel jede Sorge die wir üben.

5 Schenk, den Krug vom Keller, gib dem Derwisch, daß er klüger
Werd' im Leben, denn die Toten werden Ton für Krüger.

6 Wer nicht deinen Blick genossen, was hat der genossen?
Ich bedaure die dahin gehn sorglos und verdrossen.

7 Nun, wohin wirst du dich neigen, Lust zu wem bezeigen?
Ringsum steht ein Haufen mit erwartungsvollem Schweigen.

8 Die bei deinem Anblick jetzt nicht tanzen vor Entzücken,
Reißen, wenn du weggegangen, einst ihr Kleid in Stücken.

9 Saadi, wegen Unbill kann man nicht der Lieb entsagen,
Laß vorm Tor uns sitzen, wenn sie aus dem Haus uns jagen.

10 Meine Sterne gaben mirs zu, es vor dir zu klagen,
In der Ferne bet' ich für dich, doch wer wird dirs sagen?
_____



XXIV.
1 Die Rosenzweige haben
den Schmuck nun angelegt,
Und haben die Nachtigallen
zum Singen aufgeregt.

2 Bring das Zelt in den Garten
wo vom Kämmerer Wind
Ausgebreitet am Boden
die seidnen Teppiche sind.

3 Die ungenierten Schenken
sie laufen her und hin,
Den Gästen, die sie tränken,
nehmen sie Herz und Sinn.

4 Ich schluckte nur eine Neige
und meine Besinnung zerrann;
Was haben sie für Taumel
wohl in den Wein getan?

5 Ich ward von einem Trunke
so außer mich geruckt;
Wie haben nur die andern
so viel Becher geschluckt?

6 Auf Brennende fiel das Feuer
und sie verbrannten noch mehr,
Die frostigen Naturen
blieben kalt wie vorher.

7 Was ist das Leben? sterben
in des Geliebten Schoß,
Nur gestorbene Herzen
hat dieser lebende Troß.

8 Solang' die Welt gestanden
ward mißhandelt im Zorn
Der Kämmerer der Rose
vom Waffenträger Dorn.

9 Für Erschlagene sehen
die Leute Verliebte nur an;
Laß dir von Saadi sagen:
Sie haben ihr Heil empfahn.
_____



XXV.
1 Nicht in allen Lebenden
ist menschlicher Verstand,
Manche Menschen in der Welt
sind das Bild an der Wand.

2 Schwarzsilber übergoldetes, zum Tiegel der Schmelze gebracht
Wird anders daraus hervorgehn, als die Leute gedacht.

3 Mancher, welchem deine Schätzung kleinen Wert verleiht,
Hat in einsichtvollen Augen große Würdigkeit.

4 Die Grabgenossen haben der Rede Zunge nicht,
Doch höre, wie vernehmlich ihr Ruf zu jedem spricht!:

5 "Gib Acht und geh nicht so gewaltsam stolz einher,
Denn hier liegen unterm Boden deines gleichen mehr."

6 Die Reihe des Besitzens kommt
in kurzer Zeitfrist allen,
Die's überlassen Folgenden
und selbst vorüberwallen.

7 Hoffe nicht, daß satt von Welt das Haupt der Gier und Lust
Jemals werde, bis aufs Haupt gestreut ist Erdendust.

8 Böses wünschen will ich nicht den Bösen, denn gefangen
sind die Armen selbst von ihrem bösen Herzverlangen.

9 Beim Leben lebendiger Herzen! Weltherrschaft ist nicht wert
O Saadi, daß deswegen Kränkung ein Herz erfährt.
_____



XXVI.
1 Das ist nicht Beding der Liebe daß vor Ungemach entfliehn
Die vom Willen fest Ergriffnen, und der Kränkung sich entziehn.

2 Hoffende, wenn sie die Hand des Suchens von des Freunds Gewand
Zögen ab, an welchem andren wär' ein Halt für ihre Hand.

3 Magst du dein Gesicht verhüllen, anders ist es nicht verliehn
Denen die im Geiste schauen, von dir ab den Blick zu ziehn.

4 Nimm dem Sufi sein Gewand, den Becher gib ihm in die Hand.
Trunkenheit und guter Leumund halten nicht zusammen Stand.

5 Suche Freundes Wohlgefallen und gib andern den Bescheid:
Tausend Widerwärtigkeiten die ihr stiftet sind kein Leid.

6 Wenn mit dir, der du das Ziel bist, ich den Frieden hab' erstrebt
Ist mir's recht, wenn alle Welt sich gegen mich zum Kampf erhebt.

7 Wenn den Untergang von Saadi deiner Scheidung Schwert verhängt
Auf dem Blut steht keine Sühne das des Freundes Hand versprengt.

8 Unser Weg ist Unterwerfung auf der Gnade Schwelle hier,
Denn dich kann man nicht entbehren, daß man könnte trotzen dir.
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XXVII.
1 Wenn an einem Knechte Gott nicht selbst hat Wohlgefallen,
Wird nicht helfen Fürsprach ihm von den Propheten allen.

2 Der Beschluß es werd und ward ist Gottes Machtgenügen
Und es ist kein Wort zu diesem Wort hinzuzufügen.

3 Nicht zufällig war der Rost in Pharaones Herzen,
Da der weißen Hand Glättstein nicht wischte weg die Schwärzen.

4 Den Unsel'gen rief man und gab ihm nicht Weg zum gehen,
Band das Aug ihm und befahl dem Elenden zu sehen.

5 Der zur Höll' erkorne mag mit Talke sich bestreichen,
Wie Naphthabestrich'nes Holz wird ihn die Glut erweichen.

6 Vorbestimmt ist welch ein Handeln jedem wird entspringen,
Weder Dattelfrucht noch Pfirs'che wird der Giftbaum bringen.

7 Häßliches kann nicht die Kunst der Kräuslerin erfrischen
Sowie man aus schönem Antlitz nicht den Reiz kann wischen.

8 Wird des Mohren Schwärze jemals weiß durch Wasserfluten?
Wird des Griechen Weiße jemals schwarz durch Feuergluten?

9 Saadi, nimm kein Heil in Anspruch das nicht sein hat sollen,
Denn wo man nicht hat gesät, kann man nicht ernten wollen.

10 Was geschehn soll steht geschrieben; magst du's aufgenommen
Willig haben, oder nicht, was kommen soll wird kommen.
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XXVIII.
1 Die mit Zypressenwuchse will zu Felde gehn;
Sieh an den Gang, wie lieblich ist er anzusehn.

2 In welchem Lusthain wird die Lust verdoppelt sein,
Wenn im Gefolg' der Scherze sie betritt den Hain?

3 Sie geht, und jeder tote Stein auf ihrem Pfad
Ruft lebenatmend: ein Messiasodem naht.

4 Das Steinherz würde nicht so unbefangen gehn,
Wenn sie das ahnte, was durch sie mir ist geschehn.

5 Sagt jedem, der ein Herz hat: nimm das Aug' in Acht!
Denn die Peri die blendende geht auf die Jagd.

6 Was immer in der Stadt von Mann und Weib sie fand,
Dem hat sie's Herz genommen und geht nun auf' s Land.

7 Die Sonn' und die Zypresse sind von Neid erregt,
Weil jene Sonne sich zypressengleich bewegt.

8 Saadi, du hingst dein Herz an sie, und sah'st es gehn
Ja auch dein Leben wirst du nach ihm wandern sehn.
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XXIX.
1 Wer dein Gesicht gesehen hat, mag meinen Zustand fassen;
Denn wer das Herz eingeräumt, vermag nicht sich zu fassen.

2 Wessen Augen ward ein Blick auf solchen Glanz zu Teil,
Der schenkt dir die Seel' und rufet deinem Leben Heil.

3 Wenn der Gärtner dich zur Hand nimmt, o Zypress', an Quellen
Soll er nicht, an Augenströme soll er hin dich stellen.

4 Wie manchen Tag bracht' ich zur Nacht damit hin, um zu nähren
Den Traum, einst eine Nacht mit dir zum Tage zu verkehren.

5 Mit Müh und Kunst hab' ich die Nacht der Trennung hingebracht
Zum Tag und seh' ich dann dich nicht, so ist der Tag mir Nacht.

6 Willkür ziemt deiner Sultanschaft; doch das sei nicht gestattet
Von da daß, wenn der Reiter trabt, der Gänger sink' ermattet.

7 Verhüllen magst du dein Gesicht, wo nicht, so wird mit Willen
Gewiß kein Mensch, der Augen hat, die Augen sich verhüllen.

8 Heb' mich mit des Mitleids Hand vom Staub am Boden auf,
Denn wenn du mich von dir wirfst, nimmt niemand mich in Kauf.

9 Was bedarf es Schwertes, Liebendem den Tod zu geben?
Gib ihm einen Gruß vom Freund, und er verstreut sein Leben.

10 Ein Gruß an Herzbegabte sei das Wort, denn nicht für jeden
Dem sie zu Ohren kommen, sind verständlich Saadi's Reden.
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XXX.
1 Notwendig, wer ein schönes Gesicht hat so wie du,
Wer da vorbeigeht wendet sich jedes Aug ihm zu.

2 Nimm du nur auch o Rose, in Acht die Nachtigall,
Denn da wo Farb und Duft ist, da ist auch Hall und Schall.

3 Dein Mund an meinem Munde, der Wunsch ist mir genug,
Sei's wenn nach tausend Jahren ward meine Asch' ein Krug.

4 Es mag ein reines Antlitz in jeder Stadt wohl sein,
Doch reiner Saum wie deiner und reine Sinnart? nein.

5 Du trägst den Ball der Schönheit in deiner Zeit davon.
Weh dem, der gleich dem Balle dem Schlägel nie entflohn!

6 O Schad um solche Locken! gibst du sie nimmer frei?
Erlaube daß umduftet dir Schoß und Busen sei.

7 Ich denke, wer zu hängen an dich nicht hat ein Herz,
Der ist kein Mensch, ein Bildnis ist er von Stein und Erz.

8 Herauf aus Saadi's Herzen dringt nicht der Seufzerhauch
Wie eines Mannes Winseln in eines Brunnen Bauch.
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XXXI.
1 Noch mit keinem ist's gekommen, wie mit mir, zu solchem Ziel
Soll ich's sagen: hingeworfen hab' ich meine Zeit im Spiel.

2 Für mich ist kein Anhalt in der Stunde, wann die Stunde naht,
Als daß Gnade der mir schenke, der geschenkt das Leben hat.

3 Manchen Vorwurf wird die schwache Seele dulden jenen Tag,
Die dem Frevel unenthaltsamer Begierden unterlag.

4 Einmal sag' ich: wäre doch kein Tag der Auferstehung gar,
Daß die Bösen nicht beschämet wurden von der guten Schar.

5 Wieder sag' ich dann: verzweifeln darf ich nicht an seiner Huld,
Hunderttausend meinesgleichen kann sie tilgen wohl die Schuld.

6 Meine Freunde sagen: Buße mußt du um die Sünde tun,
Doch die Buße die ich tue wird auf schwachem Grunde ruhn.

7 Meines Rates Auge siehet nicht vor Finsternis die Welt,
Schuldvergeber, deiner Leitung Fackel sei vor mit erhellt.

8 Ich dem nun den Kopf zu heben nicht der Sünde Scham erlaubt,
Heb' ihn bis zum höchsten Himmel, wenn du sagst erheb' das Haupt!

9 Ob mein Ungehorsam überschritten habe Grenz und Maß;
Was ich bin, allein in Hoffnung deiner Gnade bin ich das.

10 Herr, was kann von Saadi dargebracht dir wohlgefäll'ges sein?
Wollest Kraft mir schenken oder meine Unkraft mir verzeihn!
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XXXII.
1 Einerlei ist ob er liegt auf Seide weich, auf Dornen scharf,
Wenn im Arme der Verliebte nicht sein Liebstes halten darf.

2 Mag es sein daß von des Liebsten Blicke fern ein andrer ruht,
Aber mir ist es unmöglich still zu liegen auf der Glut.

3 Bist du meiner unbekümmert, not ist deine Hilfe mir,
Bist du meiner unbedürftig, meine Hoffnung steht auf dir.

4 O der du mit Liebe pflegest deiner Grottenfreunde Chor,
Ich bin Hund der Kluftgesellen vor der Grottenfreunde Tor.

5 Auf mir hab' ich solche Last und schreite rüstig immerdar,
Munter unter seiner Last geht ein berauschter Dromedar.

6 Sieh, der Schild ist weggeworfen, vorgebeugt der Nacken schon,
Ob du tötest, du bist Meister, oder ob du gibst Pardon.

7 Triffst du mit dem Schwert der Kränkung, in dem Schlag ist Ruh' bereit,
Machest du die Miene herbe, süß ist deine Bitterkeit.

8 Saadi, wenn der Liebe Brandmal dir ist sichtbar ausgedrückt,
Solches ist des Sklaven Stolz, daß ihn des Herren Brandmal schmückt.
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XXXIII.
1 Jedes Laub am Baum
ist dem Blick des Weisen
Eines Buches Blatt
Gottes Macht zu preisen.

2 Nun ist Frühling, auf!
laßt uns gehn und wandeln;
Niemand weiß, wie lang
uns die Stunden kreisen.

3 Eine Nacht einmal
hast du mir versprochen
Und die Nächte gehn
und die Tage reisen.

4 Dunkel blieb vom Blitz,
Staub zurück vom Reiter;
Jugend ging und weiß
Blieb das Haar des Greisen.
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XXXIV.
1 Der Weise der Enthaltsamkeit schlug ein den Weg zur Schenke,
Des Lebens Barertrag gab er für eines Tags Getränke.

2 Der du auf guten Namen hältst, gib Acht, dein Fuß stößt an den Stein!
Zieh dein verstecktes Glas hervor, und laß uns offen trinken Wein.

3 Wenn wir zur Auferstehung gehn ohn' aller Werke Sack und Pack,
Ist's besser als daß wir bestehn in Scham wenn man macht auf den Sack.

4 Denn all derlei Gepräng und Pracht wie Münzen sind verschlagen
Mit übersilbertem Gesicht, die nicht den Stempel tragen.

5 Wenn jeder darbringt frommen Dienst zum Richterstuhl der Erbarmung.
Was bringen wir als Kapital? Bekenntnis der Verarmung.

6 Fällt alle Welt her über uns mit ihrer Schelte brausend;
Der dessen Herz beim Einen ist, was kümmern ihn die tausend?

7 O Saadi, ob ein gutes Werk dir nicht sei anzuschreiben?
Zu deinem Angedenken wird ein guter Name bleiben.
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XXXV.
1 Die Lieb entzieht sich nicht der Pein:
Dorn und Rose, Kopfweh und Wein.

2 Ich glaube fest, ein herbes Wort
Ist süß von der Zuckerlippe dort,

3 An keinen andern wend' ich mich,
Dich ruf' ich um Hilf' an gegen dich.

4 Ich schelte dich nicht daß du lachst
wenn du vor Kummer mich weinen machst.

5 Der Garten ohne Zweifel lacht
Wenn die Wolke weint in der Frühlingsnacht.

6 Du gehst und merkst nicht wie voll Wehn
Dir nach die Herzen und Augen gehn.

7 Wenn einst dir zu Füßen ich sterben soll,
Bin ich nicht leid- und sorgenvoll.

8 Nur möcht' ich Leben wieder erwerben
Um noch einmal vor dir zu sterben.

9 Ich sprach: wie ein Stein will ich sitzen stumm
Das Antlitz gewendet zur Wand hin um.

10 Ich weiß es wird mir nicht möglich sein,
Zur Rede bringst du einen Stein.

11 Saadi geht nicht davon vor den Wehn,
Wo soll ein Gefangner im Block hingehn?
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XXXVI.
1 O Nacht gesegnet, Tag zwiefach gesegnet
Wo mir im Siegesglanz das Glück begegnet!

2 Nun, Pauker, schlag zwiefach Freudenschlag!
Denn gestern Weihnacht, heut' ist Frühlingstag.

3 Mond und Engel? Kind von Adam stammend,
Bist du es oder Sonne Welten entflammend?

4 Weißt du nicht, Gegner lauern im Versteck?
Zum Trotz den Bösen tu dein Gutes keck.

5 O Feind, die Liebe schenkt Erhörung, schließe
Nur fest die Augen, daß dich's nicht verdrieße.

6 Wohl weiß ich Nächte, wo im Trennungsband
Ich mit den Seufzern schürte Weltenbrand.

7 Doch aus dem Dunkel jener Nächte stammen
Auch diese Gluten, die mein Wort durchflammen.

8 Und wenn nicht wäre jener Nächt' Entsetzen,
So wüßte Saadi nicht dies Heut zu schätzen.
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XXXVII.
1 Zur Unzeit hat in dieser Nacht gekrähet wohl der Hahn,
Weil noch Verliebte nicht genug an Kuß und Druck getan.

2 Umspielt von dunklen Locken ist des Liebchens Busen rein,
Wie von des Schlägels Ebenholz des Balles Elfenbein.

3 In dieser Nacht, wo Schlummer selbst des Unheils Aug beschleicht,
Gib Acht! sei wach, daß ungenützt das Leben nicht verstreicht,

4 Bevor du hörst von der Moschee Adina Morgenhall
Oder vom Tor des Schlosses des Atabeg Paukenschall.

5 Wie töricht wär' es, wenn den Mund du hättest weggetan
Vom hahnenaugenroten Mund, weil kräht ein dummer Hahn!
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XXXVIII.
1 Der Frühling kam, nun sing im Strauch
o Nachtigall, mit süßem Hauch
Und bist du gefangen in Trauer
wie ich, so sing im Bauer!

2 Alle nehmen Liebchen sich
unminniglich und minniglich,
Ein andrer Tag ein andrer Sinn,
indeß ich stets beim einen bin.

3 Wie der Zuckerhändler mit der Flieg
im Kriege liege,
Zur Hand hat er den Wedel noch und
wieder kommt die Fliege.

5 Was hilft mir nun der weise Rat,
da mich das Band umschlungen hat?
Wenn ich einmal den Käfig brach,
will ich mich hüten hintenach.

6 Kaum daß ich zu wem mich setze,
hab' ich ihn vergessen auch;
Wie der Morgen ohne Sonne
hab' ich keinen Lebenshauch.

7 Ob ein Freund mag zu mir kommen
oder ein feindlich Schwert über's Haupt,
Ich bin bei einem, der zu denken
an anderes mir nicht erlaubt.

8 Ich bin ein geplünderter Wandersmann,
Wer will der falle mich nur an,
Der Sänger ließ mir nicht soviel
daß mir's die Scharwach' nehmen kann.

9 Willst du, so gib mir guten Rat,
willst du, so leg mir Ketten
Der Tolle legt den Kopf erst ab,
dann aus dem Kopf den tollen Wahn.

10 Saadi's Hilfeschrei warfest du
in die Welt, o Seelenruh.
Statt ihn zu bringen zu Hilfeschrei,
spring ihm einmal mit Hilfe bei!
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XXXIX.
An einen gestürzten Frevler

1 O Füchslein, warum bliebest
du nicht in deinem Bau?
Du machtest die Faust einem Löwen,
nun schmecktest du seine Klau'.

2 Ein Feind gönnt einem Feinde
so bösen Schaden nicht
Als selbst sich antut mit Willen
ein unvernünftiger Wicht.

3 Was über fremde Hände
darf sich beklagen ein Knab',
Der mit eigenen Händen
den Backenstreich sich gab?

4 Welch Leid ists, das vom Frevel
des Vogts der Dieb erträgt,
Dessen eigener Frevel
ihm ab den Nacken schlägt?

5 Des Sultans Purpurteppich
färbt man mit deinem Blut;
Was hast du, Tor, nicht auf deiner
Binsenmatte geruht?

6 Zwei Augen mit einander
im Kopfe, die nicht sehn,
Sind besser als solch ein Auge,
das nicht sieht sein Versehn,

7 Ein Weg ist und Gruben am Wege,
eine Sonn' und ein Auge das sieht,
Damit ein Mensch achthabe,
wohin mit dem Fuß er tritt.

8 So viel Vorleuchter hat er
und geht den falschen Weg.
Laß ihn gehn, daß er falle,
und bleib in deinem Geheg!

9 Doch andern sage: der Frevler
fiel in die Grube hinein,
Damit sie nicht Gruben graben
zu eigenem Ungedeihn.

10 Wer gern den Worten Saadi's
sein Ohr hat aufgetan,
Sucht Gottes Wohlgefallen
zuerst und sein eigenes dann.
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XL.
1 Niemand hat an wem gesehn
solcher Huld und Anmut Strahl,
Niemand sieht dich der dich nicht
möchte sehn das zweitemal.

2 Unser Sänger o wie süß
weiß er um Schmerz zu klagen!
Ein verliebter Vogel versteht
herzenrührend zu schlagen.

3 Oft kommt mir in Sinn, der Liebe
Kummer zu verdecken,
Das Kristallglas kann doch sein
Geheimnis nicht verstecken.

4 Der beschwingte Vogel wenn
im Käfig er gealtet,
Kann doch nicht vergessen daß er
Schwingen einst entfaltet.

5 Was denn tat ich abermalig
daß des Freundes süßer Mund
Nicht zur Rede, noch sein Auge
aufgeht aus dem stolzen Grund?

7 Meer des Grams, in dem ich sinke,
diesen Hauch noch hab ich bloß,
Endlich nun du mich getötet,
laß mich ruh'n in deinem Schoß!

8 Saadi's Blut verdient nicht daß
sich deine Hand beflecke,
Wert daß sie der Falke fange
ist nicht die Heuschrecke.
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XLI.
1 Besser heimlich sünd'gen als mit Frömmigkeit sich brüsten;
Wenn du Gott willst dienen, kannst du dienen nicht den Lüsten.

2 Nicht mit Stolz und Eigendünkel blick auf diese Menge!
Möglich ists daß Gottesknechte sind in dem Gedränge.

3 Auch in deiner Zeit noch gibt es Könige der Ehren,
Die die Reiche dieser Welt für Totenstab erklären.

4 Kurzer Blick der Ungeweihten faßt nicht ihre Helle,
Wie der Fledermaus Gesicht ist vor dem Sonnenquelle.

5 Edeltaten üben sie, und geizen nicht nach Danke;
Streiche dulden sie und richten sich nicht auf zum Zanke.

6 Von dem Kochherd eines Filzes fliehn sie gleich dem Rauche
Machen nicht die Hand zum Löffel, der in Schüsseln tauche.

7 Leer von Liebe dieser Welt und jener die Gemüter;
Denn des Freundes kann man denken oder zählen Güter.

8 Glaubenshelden rüsten stille Tat, nicht laute Mähre;
Denn das Mohnhaupt klappert wegen seines Innern Leere.

9 Das ist des gesegneten Verständ'gen vollster Segen
Gegen heimatlose Streuner keinen Stolz zu hegen.

10 Frommen Manns und Sünders Zustand ist annoch im Schweben;
Sieh aufs gute Lebensende, nicht aufs gute Leben!

11 Nicht aufs äußre Kleid gerichtet ist des Pilgers Treiben;
Kannst des Sultans Gürtel tragen und ein Sufi bleiben.

12 Von der Fülle, die auf dich die Huld des Höchsten streute,
Streue du auch vor die Füße jener Gottesleute.

13 Wo die Frist ist deine Frist, tu Liebes irgend einem;
Wo die Hand ist deine Hand, tu mit ihr wehe keinem.

14 Nicht ein Bild ist Saadi's Rede, das mit Farben prahlet,
Wie ein Maler an die Tür des Badehauses malet.

15 Ein Geweb' ists ausgelegt mit Perlen und Gesteine,
Umgeworfen dem geliebten Schalke, den ich meine.
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XLII.
1 Bist du kommen, ach wie sehnsuchtreich war ich!
Seit du gingest, einem Toten gleich war ich.

2 Kein Vergessen war es, das mich schweigen ließ,
Staunend stumm ob deiner Schönheit Reich war ich.

3 Wo ich ohne dich in Rosenlauben schlief,
Ruhlos in der Wüste Dorngesträuch war ich.

4 Deiner Einung Hoffnungshauch gab Leben, sonst
Sterbend von der Trennung Todesstreich war ich.

5 In des Feuerofens Glut wie Abraham
Dir gestellt auf Rosenblättern weich war ich.

6 Dich zu atmen, Morgenduft, die Nacht durch wach
Harrend auf des Hahnes Zapfenstreich war ich.

7 Saadi spricht im Trennungsschmerz die ganze Nacht:
Du bist untreu und mir immer gleich war ich.
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XLIII.
1 Das Liebchen, das ich habe,
das Holdchen, das mir kund,
Es hat ein süßes Mündchen,
doch fern von meinem Mund.

2 Wird nie das Glück es machen,
daß diesen Zypressenzweig
Ich sitzend zu mir setze
und bestreue mit Rosen weich?

3 Dein herzenschmückendes Antlitz
ist aller Schönheit Verein;
Was weiß, wer so vereint ist,
von eines Zerstreuten Pein!

4 Komm schleunig, nur noch ein Zug ist
auf meines Daseins Blatt,
Sieh, selbst ist erloschen die Seele
wo deiner gedacht hat sie.

5 Ich strebe nicht nach Belohnung
und bebe vor Strafe nicht,
Ich bin der Knecht, den du richtest,
dein ist, o Herr, das Gericht.

6 O schöner als Leila du, zu
fürchten ist nur daß ich
Wie Medschnun in Wüst' und Gebirg
werde verschlagen durch dich.

7 Wenn eine Erdbreit voll Feinde
aufbricht und mich anficht,
Nicht wert bin ich deines Gesichtes,
wenn ich wende mein Angesicht.

8 In deinen Banden gebunden,
überwunden von deiner Hand,
Ist mir die Besinnung geschwunden
seit ich deine Schönheit empfand.

9 Vor Schmerzen die Hand am Herzen
und ein Fuß, der wankend wich,
All das kann ich verschmerzen
nur nicht verscherzen dich.

10 Ich klage nur im Verborgnen,
wie wunderbar ists dann
Daß auf der Welt kein Verliebter
vor meinen Klagen schlafen kann.

11 Siehst du wie heiß die Funken
falln über den Zunder her?
Du bist heißer als die Funken
und entzündeter ich als er.

12 Sie sagen: Saadi opfre nicht
das Leben diesem Triebe.
Geht das Leben darauf, das ist recht,
mein Leben ist deine Liebe.
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XLIV.
1 O erlaube, daß wir nur dir vorübergehn
Und mit einem Blick auf deine schöne Züge sehn.

2 Sehnsucht ist in der Entfernung, Kränkung in der Nähe,
Besser Kränkung, weil ich nicht der Sehnsucht widerstehe.

3 Ob du Blick auf Blick willst richten, das ist deine Sache;
Komm, daß ich dir meine Blicke zum Fußteppich mache.

4 Für mein Leben einen Hauptplan hab' ich, und ob schnaubten
Feinde rings, und drauf das Haupt ging', ich werd' ihn behaupten.

5 Mehr als Staub sind, sagst du, die wurden mir zu Raub.
Mehr als Staub? o nein, sie sind weniger als Staub.

6 Bei dir bin ich und nicht bei dir, kommt es dir seltsam vor?
Ich bin im Ring und draußen bin ich der Ring am Tor.

7 Gegen Feinde trägt man vor Freunde seine Klagen.
Wenn der Freund der Feind nun ist, wohin soll man sie tragen?

8 Weder Hoffnung, daß du Liebe könntest uns gewähren,
Weder Aussicht, daß wir könnten andre Liebe nähren.

9 O wir rennen nicht von selber hinter einem her,
Sondern an der Schnur gefangen schleppt uns nach sich er.

10 Saadi, ei wer bist du denn? es sind in diese Schnur
Soviel gefallen, daß wir sind geringes Wildbret nur.
_____



XLV.
1 Jahrelang hab' ich dem Wunsch begierig nachgestellt;
In dem Hause war der Freund, ich sucht' ihn in der Welt.

2 Außerhalb des Weltenraumes war sein Hoheitszelt
Aufgeschlagen, den ich sucht' im engen Raum der Welt.

3 "Nicht nach Schönen will ich blicken," wenn ich also sprach,
Nahmen sie mein Herz und notgedrungen blick' ich nach.

4 Wie die Nachtigall durchklagt' ich Nächte bis heraus
Trat die Sonn' und ich verkroch mich wie die Fledermaus.

5 Von dem nicht gesehnen Joseph brachtet Schildrung ihr,
Aber als er kam, verging Sinn und Besinnung mir.

6 Nimmer, sprach ich, in der Klause will ich trinken Wein,
Schenke, gib den Becher her, es fällt mir anders ein.

7 Mög die ganze Stadt nun kommen, mag sie sehn daß ich
Alt gewesen und geworden wieder jugendlich.

8 Saadi, sag dem Heer der Jäger, daß es nicht aufschlägt
Gegen mich sein Netz, denn mich hat Einer schon erlegt.
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XLVI.
1 Solang ich habe Geld, will ichs verschwenden;
Solang du Küsse hast, sollst du sie spenden.

2 Mag man mich morgen in den Kerker schließen,
Des freien Gartens will ich heut genießen.

3 Zu Ende sei die Welt für mich gegangen,
Du warest von der Welt mein Herzverlangen.

4 Du hast zuerst die Liebe mich gelehrt,
Sei sie zuletzt mir auch von dir erklärt!

5 O welche Rosenfüll, im Gartenbeete,
Wenn nicht des Gärtners Wort sie uns verböte.

6 Willst du mir, o Zypreß' mit Silbergliedern,
Zuwider sein, was kann ich dir erwidern?

7 Solang' ich lebe, lieg' ich dir zu Fuß,
Und wenn ich schied', laß ich dir meinen Gruß.
_____



XLVII.
1 Die Tür der Klause schlossen
wir hinter dem Freunde zu,
Wir kamen zurück von allen
und bei uns bist nur du.

2 Außer dem Bande des Freundes
brach ich ab jedes Band,
Außer dem Pfand des Geliebten
werf' ich weg jedes Pfand.

3 Ein solcher Handel ist ferne
von der Nüchternen Sinn,
Sie schelten mich natürlich
daß ich betrunken bin.

4 Kein Eigen, daß mit Herzweh
nicht aufzugeben sei;
Ich gab mich einem Hulde
zu eigen und ward frei.

5 Ein Diener deiner Gnade,
wo ich auch immer bin,
Ein Herold deiner Herrschaft
wo ich auch komme hin.

6 Geehrt in aller Augen
bin ich von deinen verschmäht,
Vor dir bin ich erniedrigt,
vor aller Welt erhöht.

7 O du Abgott der Herzen
zeige dich schleierlos
Daß wir dich schaun und werden
der Selbstvergött'rung los.

8 Wir gaben Acht auf das Auge
daß nicht entwischt das Herz,
Aber bei aller Schlauheit
fingest du uns mit Scherz.

9 Bis du Erlaubnis wirst geben:
Streu' es zu Füßen mir!
Trag' ich das teure Leben
auf offnen Händen hier.

10 Das ist Freundschaft, o Saadi,
daß der Treue Verband
So bis zuletzt aushalte,
wie er zuerst bestand.
_____



XLVIII.
1 Ich habe keine Fassung um ohne dich zu ruhn,
Und niemand den ich könnt an deine Stelle tun.

2 Komm doch einmal und frage mich im Vorübergehn,
Wie die traurigen Tage mir vorübergehn!

3 Der Hölle bin ich verfallen, wenn ich leb' ohne dich;
Denn Gott nimmt in dem Himmel keinen Betrübten wie mich.

4 Ich weiß dich nicht zu nennen; du bist mein Augenlicht,
Ohne dein hohes Dasein seh' ich die Schöpfung nicht.

5 Ohne den Freund zu sehen, seh' ich die Welt lieber nicht;
Stellt in der Nacht der Trennung vors Bette mir kein Licht.

6 Im Pfad der Treue muß ich einmal gehn bis ans Ziel,
Ob über mich ergehn mag Weh tausendmal soviel.

7 Nicht wie der Mörser erheb' ich um Freundes Stoß ein Geschrei;
Stell wie den Topf mich ans Feuer, so bleib ich stehn dabei.

8 Geh du Mühle des Schicksals über mein Haupt nur hin
Mit aller Gewalt, weil einmal der untreue Stein ich bin.

9 Der Tiger nicht mit den Klauen ists der mich danieder schlägt,
Du mit gemalten Fingern, o Bild, hast mich erlegt.

10 Wie die Blase des Rehes kocht mir im Herzen das Blut,
Davon geht in den Weltraum der Moschusdüfte Glut.

11 O Saadi, ohne zu prahlen, erweise brauchbar dich;
Was hat der Zucker nötig zu sagen: Süß bin ich?
_____



XLIX.
1 In dieser Nacht, wo mich im Schoß ein zuckern Liebchen hegt,
Schmerzt michs nicht wenn aufs Feuer man wie Aloeholz mich legt.

2 Wenn man den Wunsch erreicht hat, ist der Tod nicht fürchterlich.
Wo ist der Pfeil des Ungemachs? komm' er! der Schild bin ich.

3 Halt, Himmel, einen Augenblick das Morgenfenster zu
Der Sonne, denn heut Nacht gefällt beim Monde mir die Ruh.

4 Ist dies die heilge Wundernacht? ist es der Morgenstern?
Stehst du mir gegenüber? steht ein Traumbild mir von fern?

5 Von diesen beiden Augen, die in dieser Nacht dich sahn,
Wärs unverzeihlich morgen wenn sie sähn was anders an.

6 Die Seele wird den Durstigen gelabt in Eufrats Schoß;
Doch mir ging Eufrat übers Haupt, und durst'ger ward ich bloß.

7 Erst nahm die Sehnsucht, als ich dich erblickte, mir den Sinn,
Nun nimmt ihn mir die Wonne, da ich dir in Armen bin.

8 Sprich ungescheut! kein fremder Blick, kein Schwätzermund ist hier,
Als nur die Kerz', und eben jetzt die Zunge nehm' ich ihr.

9 O sag' nicht: Mit dem Leben kommt hier Saadi nicht davon. -
Wo sollt' ich mit dem Leben hin, das deinem Weh entflohn!
_____



L.
3 Wie ich auch von jener schlanken Zeder, der unhuldigen,
Ward gekränkt, wenn sie nun käme, müßt ich mich entschuldigen.

4 Hauch des Morgens der Erhöhung, wie soll ich dir danken?
Meiner Hoffnung Garten wollte welken und erkranken.

5 Dein Scheiden jenes Tages war des Sinnenlebens Tod,
Heut' aber ist dein Wiedersehn des Geistes Lebensbrot.

9 Die vollkommne Sehnsucht hat nicht wer da liebt und ruht,
Denn unstatthaft ist es frieren an des Feuers Glut.

10 Bist du ein Mensch, o Saadi, stirb an Liebe nur,
Denn solches Todes sterben soll die Kreatur.
_____



LI.
1 Kann man dem Lebenslicht entsagen,
Dem Liebsten kann man nicht entsagen.

2 Süß ist alles von diesen Lippen,
Wie sie mir bitterste Pflichten sagen.

3 Mich reut' es, sollt' ich vor deinem Wuchse
Ein Wort von des Gartens Fichten sagen.

4 So schwindeln vor dir die Gedanken,
Daß ich muß dem Bericht entsagen.

5 In solchem Band bin ich: der Freiheit
Kann ich ehr als der Pflicht entsagen.

6 Ich hab' ein Buch von dir geschrieben,
Aber es muß dem Licht entsagen.

7 Denn du bist schöner als Schirins Schönheit
Daß mans nicht kann in Geschichten sagen.

8 Die Nachtigall darf wegen des Gärtners
Dem Rosengespräche nicht entsagen;

9 Und wer mit dem Lieb in der Sänfte liebäugelt
Wird's dem Treiber mitnichten sagen.

10 Doch ich darf nicht mein Weh dem Freunde
Vor den lauernden Wichten sagen.

11 Heimlich Rede des Freunds zum Freunde
Kann man nicht vor Gerichten sagen.

12 Was hier Saadi erzählt, wird künftig
Oft die Welt in Gedichten sagen.
_____



LII.
1 Liebchen, das den Freund gekränkt hat und den Bund zerrissen,
Also das war deine Treue, dieses dein Gewissen!

2 Mich kennt man in deiner Gasse, doch nicht kennst du mich,
Nicht den Josef fraß der Wolf, dem Blut ans Maul man strich.

3 Nichts hab' ich genossen und es spricht die ganze Stadt
Die Geschichte Medschnuns, der gesehn nicht Leila hat.

4 Wer im Traume biß die roten Lippen einer weißen
Rose, mag vom Traum erwachend nur den Finger beissen.

5 Lang umsonst dir nachgerannt bin ich durch Tal und Hügel
Wie ein töricht Kind dem Sperling, als hätt' er nicht Flügel.

6 Jedes Vögelein des Herzens augbegabter Leute
Werd' nur deiner Augenbrauen-Bogenkrümmung Beute.

7 Wem mag sich dein Gang vergleichen? in dem Hof dem Pfauen?
Und dein Nicken mit dem Blicken eines Reh's der Auen?

8 Als den Fuß aus Schiras ich zu setzen war entschlossen,
War kein Weg, du hattest rings um mich den Kreis geschlossen.

9 Ringen kann man nicht mit deinen Alabasterhänden,
Weg geh ich und segne dich und höre mich noch schänden.

10 Saadi's Auge müsse nimmer sehn dein Angesicht,
Tut er's auch für andern Schimmer, seit er sah dein Licht.
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LIII.
1 Wie du fern dem Auge wohnst,
tief im Herzen lebest du,
Hell ist deiner Schönheit Glanz,
und den Schleier nie hebest du.

2 Volk zur Beute machtest du,
edle Leute schlachtest du,
All ins Netz uns brachtest du,
selber frei entschwebest du.

3 Ob das Herz nach deinem Brauch
du gebrochen, was ists auch?
Stets vernehm ich deinen Hauch,
leis ums Herz mir webest du.

4 Was verhieß' ein andrer Mund
daß ich bräche deinen Bund?
Sei von dir die Seele wund,
Seelenbalsam gebest du!
_____



LIV.
1 Besser ists nach einem Silberarme nicht zu zielen,
Nicht mit einem händelsüchtgen mächtigen zu spielen.

2 Liebst du ihn und gabst dein Herz, was ist dir nicht beschieden?
Ist er mit dir unzufrieden, sei mit ihm zufrieden.

3 Kümmre dich um ihn allein, daß er um dich sich kümmre,
Und dich kümmre dein Geschäft nicht, ob es auch zertrümmre.

5 Solch ein Bündner ist zum Herzenshandel dir erkoren,
Sei das Kapital, nur die Verbindung nicht, verloren!

4 Der Geduld Schild kann den Pfeil der Trennung nicht ertragen,
Hättest mit dem Brauenbogner Kampf nicht sollen wagen.

6 Zu des Herrn Gebot das Haupt zu senken der Ergebung
Ist dem Diener besser als des Stolzes Haupterhebung.

7 Schlägst du wie die Laute mich, nicht auf werd' ich mich lehnen,
Aber spiele lieber doch auf mir in sanften Tönen.

8 Ohne Zweifel wird des Schicksals Pfeilwurf mich ereilen
Da ich fallen muß o fälle mich mit deinen Pfeilen!

9 Unsere Gesellschaft gleicht heut' einem Garten wieder,
Sängerswohllaut übertrifft noch Nachtigallenlieder.

10 Horche nicht den Nachtigallen, jede Herzensfaser
Zittert, wenn die Lieder anstimmt Saadi der Schiraser.
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LV.
1 Wenn du wirfst Moschusriegel von der Wange wieder,
Werfen Liebende die Köpfe dir zu Füßen nieder.

2 Wenn du gehst im Tanz einher, o silberleibge Zeder,
Sieh nur, wie sein Leben trunken für dich ausspielt jeder.

3 Du mit solcher Wohlgestalt und solchem Leibeswuchse
Kannst dich nicht befassen mit Zypresse, Tulp' und Buchse.

4 Welcher Garten kann wie deine Wange Rosen geben?
Welche Zeder darf sich gegen deinen Wuchs erheben?

5 Wenn du am Ohrläppchen nur das schöne Mal betrachtest,
Hast du Zeit nicht daß du deinen feinen Wuchs beachtest.

6 Mit dem Morgenwinde recht ich, mit dem Morgenwinde
Daß er spielt mit deiner Locken rollendem Gewinde.

7 Sänger in der Freunde Kreise bring uns ein Getön,
Sing, o Nachtigall im Garten denn du singst so schön.

8 Wer sagt daß du hundert Herzen fängst auf einem Fange?
Da du tausend Wild vielmehr erlegst auf einem Gange.

9 Seit ich Saadi's zuckertriefend süße Lieder las,
Weiht' ich mich zum Dichter aller Dichter von Schiras.
_____



LVI.
1 Zypressenbaum im Geisterfeld
O du Seele und Wonne der Welt!

2 Vor dir zu sterben auf einmal
Ist besser als fern dir leben in Qual.

3 Dein Aug ist Zauber der Ewigkeit,
Du bist ein Aufruhr der letzten Zeit.

4 Wo man bringt deinen Namen vor,
Steigst du selbst vor den Augen empor.

5 Wenn du kommst von der Reise zurück,
Bring nichts mir mit, doch bringst du Glück.

6 Wer mir ansagt, du nahest schon,
Dem geb ich mein Leben zum Botenlohn.
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LVII.
1 Wär dir der Lustaufgebung Lust bewußt,
Du würdest Lust nicht nennen Sinnenlust.

2 Dein Seelenvogel flöge hoch empor,
Wenn du ihm auftätest der Begierde Tor.

3 Du aber wirst nicht Ankas Mut gewinnen,
Weil du ein Sperling bist im Netz der Sinnen.

4 Du solch ein Götzendiener der Gestalt,
Niemals im Leben kommst du zum Gehalt.

5 Wenn dir ein Gräschen käme jener Flur,
Des Gartens Blumen schienen Gras dir nur.

6 Reu'n würd' es dich zu kaufen beide Welten,
Wär' dir bewußt was deine Schätze gelten.

7 Der Wert bleibt dir vom Leben als Ertrag,
Wenn du ihn mit dir bringst zum letzten Tag.

8 Sag, was du bessres als das Leben hast,
Daß du es von dir wirfst wie eine Last?

9 Nicht um ein Königreich man kaufen kann
Den Augenblick, der ungenutzt verrann.

10 Du gehst so langsam schläfrig deine Bahn,
Ich fürchte du verlierst die Karawan.

11 So wahr du lebst, ich weiß sonst keinen Rat:
Halt' deine Zeit, wie du nur kannst, zu Rat.

12 Zieh deine Zunge wie die Muschel ein,
Um, wenn es Zeit ist, Perlensaat zu streuen.

13 Sein Lebenlang aß Saadi bitt're Speise,
Damit man ihn um süße Rede preise.
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LVIII.
1 Wer mit klarem Antlitz wandelt und mit reinem Saum,
Wäscht mit Licht die Finsternis hinweg vom Weltenraum.

2 Wenn nicht deines Hauptes Sinne Lüsternheit verführt,
Ist ein reizend Liebchen alles, was dein Blick berührt.

3 Dann wird in dein Seelenohr Musik vom Seelenchor,
Lieblich dringen, wenn du stopfest dein natürlich Ohr.

4 Lange wirds nicht mit dem Diener der Begierde anstehn
Und er wird in Haß verwandelt diese Freundschaft sehn.

5 Daß des Herzens Fessel nicht den Fuß dir halte fest,
Teile mit des Auges lüsternem Vogel nicht das Nest.

6 Wenn der Baum sich bieget über deines Nachbarn Haus,
Trägt er bittre Früchte, hau ihn mit der Wurzel aus.

7 Hüte dich, ich sagte es dir, vor der Verstockung Schritt
Denn die Hoffnung der Versöhnung legst du ab damit.

8 Saadi, Tugend ist nicht daß du brechest Mannes Faust,
Die Begierde brich, wenn du ein Mann zu sein getraust.
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LIX.
1 Wenn mit Huld und Wohlgefallen
erst dein Aug auf allen ruht,
Soll an mich die Reihe kommen,
zeigst du lauter Übermut.

2 O ihr die ihr nie den Sinn
der Liebenden entfaltet,
Lieb' ist etwas wirkliches
die ihr für bildlich haltet.

3 O der du den Rat mir gibst:
ich soll Ihn lassen!
Tust du? vor Sebuktegin
Beleidigst du Ejas.

4 Wo ich bete, geht vorbei
der Schlank' und spricht mit Scherzen:
Dein Gebet ist fehl getan,
ich bin die Kibla der Herzen.

5 Gestern sprach ich hoffnungsvoll:
Ich bete für dein Glücke,
Bete, sprach er, für dich selbst;
der Katz Andacht ist Tücke.

6 Ich sprach: beiß' ich die Lippe dein,
so eß ich Zucker und trinke Wein.
Er sprach: du issest wenn ich koch.
Wie lange willst du reden noch?

7 Deinen Saadi nanntest du mich,
dann mit Schmach verbanntest du mich.
Willst du nicht decken den Tischs wofür
machtest du auf des Hauses Tür?
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LX.
1 Weißt, was mir kund hat gemacht
Die Nachtigall in der Nacht?
Was bist du denn für ein Mensch,
Wenn Lieb' in dir nicht erwacht?

2 Kamel gerät bei Arabersang
Gerät in tanzenden Gang.
Welch ein verkehrtes Geschöpf,
Wenn dich nicht Wonne durchdrang!

3 So oft ging meinem Blick dein schönes Bild vorbei;
Wohin ich blick, ist mirs als ob dein Bild dort sei.

5 Das Rebhuhn geht nicht so, die Tanne steht nicht so;
Der Pfau hat sich mit Zier zu brüsten nicht vor dir.

7 Mein Blick dreht sich nach dir, wo du vorübergehst,
Wie du mit stolzem Wuchs den Blick nach keinem drehst.

8 O blick einmal mit Huld auf mein gewelktes Laub
Vielleicht das nächste mal trittst du auf mich im Staub.
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LXI.
1 Gegen Liebesbrauch und Recht wie mocht' es dir behagen
So zu brechen und nach deinem Freunde nicht zu fragen?

2 Angenommen daß du nicht dich scheust vor Menschenangesicht,
Doch unschuldige zu töten, fürchtest du vor Gott dich nicht?

3 Hülle dein geschmücktes Antlitz, deiner Locken Fülle,
Daß der Sonne Schönheitsbild sich nicht vor dir verhülle.

4 Tausend Herzberaubte schmachten voll Begier zu nippen,
Von den Lippen brachtest du die Seele auf die Lippen.

5 Damals merkt' ich meine Geltung meinen Wert für dich
Als an mir vorbei du gingst und gabest nichts auf mich.

6 Sagten wir's nicht tausendmal und nie wollt' es verfangen:
Geh nicht nach der Liebe, Doktor! Du bist doch gegangen.

7 Saadi, daß du rügest Zecher und Verliebter Sitten
Hast du nun kein Recht mehr, da du selber ausgelitten.

8 Mit dem Schwerte schlug er mich und ging und sah im Gehen
Nach mir um: du wolltest Liebe, dir ist recht geschehen.
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LXII.
1 Nimmer stirbt ein Herz, das Leben dessen du wirst sein;
Glücklich, wem aus aller Welt besessen du wirst sein.

2 Kummer kann in jenen Kreis eintreten nimmermehr,
Wo als Mittelpunkt der Lust gesessen du wirst sein.

3 Nimmer wird verstreu'n der Herbstwind jenes Gartens Laub,
Wo die schönste wandelnder Zypressen du wirst sein.

4 Alle Welt blickt auf, wohin des hohen Glückes Blick
Zielt, ein flücht'ger Blick im Auge wessen du wirst sein?

5 O steinherz'ger Brunnen, wo verdurstend Marut sitzt,
Dessen Mund nah, ohn' ihn zu nässen, du wirst sein!

8 Wer ertrüge nicht mit Lust von dir der Trennung Last,
Wenn bei allen Schmerzen die ihn pressen du wirst sein.

10 Saadi, bei dem Aufruhr dort am Auferstehungstag
Hoff' ich, nicht von jenem Blick vergessen wirst du sein.
_____



Aus dem Buche der Wunderpoesien - Beda'i


I.
1 Ohnesorg' hat nichts zu schaffen mit dem Weisheitsbuche,
Wollt ihr daß ein Kopf voll Gährung Predigten besuche?

2 Wasser kannst du mit dem Feuer in ein Wort verbinden,
Doch nie wirst du Einigung von Lieb und Ruhe finden.

3 Zweck des Auges ist es, etwas Schönes zu entdecken;
Wenn es das nicht tut, was kann sein Sehen dann bezwecken?

4 Fragen wohl Verliebte nach des Feinds und Freundes Schelten,
Wenn der Freund dir gelten soll, darf Leumund nichts dir gelten.

5 Daß mein Herz zur Beut' ich gäbe, konnt' ich ungescheuter
Wissen als ich abgab mich mit diesem Herzensbeutrer.

6 Alle könnens wissen, daß ich liebe diesen zarten
Flaum der Lippen, nicht wie andre Tiere Gras im Garten.

7 Laß' nur der Zypresse dort des Wuchses strenge Gleichheit,
Und sieh hier das Gehn und Wandeln anmutvoller Weichheit.

8 Scheuchst du sie, sie geht nicht, wenn sie geht, kommt sie zurücke,
Unentbehrlich im Konditorladen ist die Mücke.

9 Meine Red' und deine Reize, wer kann sie ergänzen?
Redekunst und Schönheit haben hierin ihre Grenzen.

10 Saadi, die Patrull' hat heut wohl Trommel nicht geschlagen,
Oder will vielleicht die Nacht der Einsamkeit nie tagen.
_____



II.
1 Gottes Gnade hat an dir sich kund getan,
O wie reizend deine Lipp' ist und dein Zahn!

2 Der verloren einen Joseph seines Sinns,
Mag ihn suchen in dem Brunnen deines Kinns.

3 Nie gestört wird Persiens Ruhe von Empörern
Als von deinen Augen nur, den Ruhestörern.

4 Möchte die Zypresse gehn und wandeln immer,
Sie erreichte deiner Schönheit Schatten nimmer.

5 Morgen wird der Welt ein Fest der Frühlingswonne,
Denn heut Nacht in einer Kammer schläft die Sonne.

6 O du Seelengarten voll von Wohlbehagen,
Sollen wir stets über deinen Gärtner klagen?

7 Nachtigallen sind wir, laß doch einen Hauch
Klagen uns in deinem Rosengarten auch!

8 Ob du tausend Leides an mir tust im Spiel,
Von dir litt' ich gerne tausendmal soviel.

9 Prüfen wollt' ich, was des Mutes Arm ertrage,
Doch war er ein Glas vor deinem Hammerschlage.

10 Magst du Lust zu Treu nun oder Untreu spüren;
Meinen Bund mit dir will ich zu Ende führen.

11 Nimm aufs Wohlsein der Vereinung meinen Gruß,
Wenn ich selbst im Weh der Trennung sterben muß.

12 Saadi, Leben ist im Geiste dein Gewinn,
Wenn in diesem Suchen geht dein Leben hin.
_____



III.
1 Ist, o Freund, dein Wunsch daß mir der Wunsch nicht sei gegeben,
Will des Wünschens eigner Wunsch ich mich hinfort begeben.

2 Magst du mir zu dir den Zutritt oder nicht erlauben,
Gegen deinen Willen tun ist gegen meinen Glauben.

3 Unter alten Freunden machen Tugenden und Fehle
Keinen Unterschied wo das Vertraun ist in der Seele.

4 Mag die Huld, die du mir zeigtest, auch verändern sich,
Meine Neigung wird sich zeigen unveränderlich.

5 Nicht mit allem was du tust kannst du das Herz mir kränken,
Kann der Freund von dem, was gut dem Freund dünkt, übel denken?

6 Ob im Kampf und Zwietracht seien Araber geschieden,
Zwischen Leila und Medschnun ist lauter Lieb' und Frieden.

7 Zwischen Übelredenden mag tausend Feindschaft walten,
Zwischen Liebendem und Liebem wird die Freundschaft halten.

8 Ohne dich vermöcht ich eine Stunde nicht zu bleiben,
Weil ich ja mit eignem Willen mich nicht möcht entleiben.

9 Stets vorm Auge bleibt die Schönheit, Sehnsucht geht nicht ein,
Schenkte man die Welt dem Bettler, Bettler wird er sein.

10 Heute Leid und Kummer ist für Saadi's Herz des armen
Darum süße, weil er morgen hoffet auf Erbarmen.
_____



IV.
1 Bei aller Lieb' und aller Lust
Was hilft mirs, wenn du, Glück, nicht tust!

2 Was ringst du, Herz? deine Faust ist arm
An Kraft gegen einen silbernen Arm.

3 Nicht tut den Schritt, eh' er sieht die Statt
Wer Augen sein Heil zu sehen hat.

4 Ein kluger Mann von Liebe bestrickt,
Ist ein Kind von der bunten Schlange berückt.

5 Nicht ruht, wer trägt der Trennung Pein,
Als wo statt Kissens ist ein Stein.

6 Wenn ich nun sterbe, weint nicht all!
Denn dies ist nicht das erstemal.

7 Soviel Leid zu tragen ist Spiel,
Denn Lieb ist tausendmal soviel.

8 Ob auch ein Mann sonst Löwen finge,
Weh' ihm, wenn selbst er ist in der Schlinge.

9 Wie tausendmal du mir bitter bist,
Ich glaube fest daß es Honig ist.

10 O Saadi, geh ins Nichtsein ein,
Das rettet dich von Tyrannein.
_____



Va.
(Erste Übersetzung)
1 Welch eine Schau ist dort voran der Karawan?
Hält die Fackel in der Hand der Sarawan.

2 Im Tragesessel scheint zu sitzen Salomon,
Denn auf des Ostwinds Rücken ist sein Schwebethron.

3 Mondgleiche Schönheit auf so hohen Bahnen
Mag wie der Mond des Himmels uns gemahnen.

4 Ein Himmelsantlitz blickt zur Sänft' heraus
Als wie die Sonn' aus dem Planetenhaus.

5 Die Weisen sinnen diesem Wunder nach
Wie eine Sonn' ist unterm Sonnendach.

6 Nymphä' aus Fluten, Sonn' aus Wolkenflor,
So blickt die Feenwang' aus seidnem Umhang vor.

7 Entschleiert hat mein Schicksal auf einmal
Der dort im Schleier verhüllte Schönheitstrahl.

8 Vorsprung gewinnt leicht das Kamel mir ab,
Weil schwerer ich, als es, zu tragen hab'.

9 Wo bleibt nun deine Freundschaft gegen mich?
Mein Treubund bleibt der alte gegen dich.

10 Wie wankelmütig Eide bricht zum Scherz
Ein solches steinernes liebloses Herz!

11 Halt, Sarawan, noch einmal an zuletzt!
Denn ach der Letzung letzte Frist ist jetzt.

12 Wir gaben Treu', man gibt dafür uns Hohn,
Geh Saadi, dieses ist für das der Lohn.

13 Hast du es nicht gewußt, in alten Tagen
Sei nicht der Kampf mit Jugend mehr zu wagen?
_____



Vb.
(Zweite Übersetzung)
1 Welch ein Licht ist das dort vor der Karawan?
Hat ein Licht in seiner Hand der Sarawan?

2 In der Sänfte, scheint es, ist ein Salomon
Den der Ostwind trägt auf seinem Schwebethron.

3 Wie das Mondantlitz in der Höhe thront,
Ist es völlig wie im Himmelsraum der Mond.

4 Aus dem Tragsitz blickt ein Engelsbild heraus
Wie die Sonne selbst aus dem Planetenhaus.

5 Die Verständgen alle nimmt es Wunder,
Sonnenschirm darüber, Sonne drunter.

6 Wie Nymphä' im Wasser, Sonn' im Wolkenflor
Schaut die Periwang' aus Taft und Schleier vor.

7 Meinen Herzenszustand hat der Welt enthüllt
Plötzlich jene Schönheit, die sich hält verhüllt.

8 Vorsprung haben vor mir die Kamele,
Nicht beschwert sind sie wie meine Seele.

9 Stellt nun deine Lieb' und Freundschaft sich so dar?
Aber meine Lieb' und Treu ist wie sie war.

10 O wie bundesbrüchig und an Treue leicht
Ist das Steinherz, von Empfindung unerweicht.

11 Halt, o Sarawan, nur noch ein Weilchen an,
Denn der Abschied ohne Weile rückt heran.

12 Treue gab ich, und Verrat trag' ich davon.
Geh nur, Saadi, denn dies ist für das der Lohn.

13 Weißt du nicht? an Alters Wintergrenze
Kann mans nicht aufnehmen mit dem Lenze.
_____



VI.
1 Schad um langerprobten Bund von Herzen, die sich kennen,
Wenn die Zeit den Stein dazwischen wirft um sie zu trennen.

2 Niemals durften zwei zusammen ruhen eine Weile,
Daß nicht ihr Quartier vom Himmel ward gestürmt in Eile.

3 Muß sich trennen mit Gewalt ein Herz und Liebe lassen,
Glücklich war sein Herz nicht läßt mit Liebe sich befassen.

4 Jene, welche mich aus ihren Herzen ausgeräumt
Räumen kann ich nicht von Lieb ein Herz so ungesäumt.

5 Alles war zurecht gemacht für Trauter Lebensglück,
Was zurecht wir machten, recht nicht war es dem Geschick.

6 Seit dem Tage sucht nicht Saadi Freundesumgang mehr,
Denn die Untreu in des Himmels Umschwung kennet er.

7 Wenn die Zeit dich an ihr Herz als wie die Laute nimmt,
Traue nicht, sie spielt dich sanft, und wirft dich weg verstimmt.
_____



VII.
1 Solch ein Weh der Liebe, daß dafür kein Arzt sich findet,
Wenn ein Liebeskranker klaget, ist die Klage wohlbegründet.

2 Die Verständ'gen wissen alle, daß die Liebeswahnsinnkranken
Nicht des Raters Rat beachten, noch des Mahners Mahnung danken.

3 Wer nie hat der Liebe Wein gekostet und des Schmerzes Neigen,
Der ist der, dem von der Welt und ihrem Leben nichts ward eigen.

4 Aller Düfte, die aus Ambra, Musk und Aloe sich bereiten,
Kommt dem Odem des Geliebten keiner gleich an Süßigkeiten.

5 Wenn ein Wild dem Netz entspringet, mag man es ein Wunder nennen?
Aber wenn es stirbt im Netze, wird sich niemand wundern können.

6 Wenn der Freund will Kunde nehmen des was über mich ergangen,
Brauch ich vor des Feindes Untat, Laurers Unart nicht zu bangen.

7 Meine Feinde mußten weinen als sie hörten meine Kunde,
Großmut ist bei Fremden, untreu ist der Nächste meinem Bunde.

8 Aus dem Lachen ist in Ach und Weh die Rose so gefallen,
Daß sie nicht mehr Acht hat auf die Plauderei der Nachtigallen.

9 Saadi gegen den Geliebten, wohin bringst du deine Klagen?
Denn er ist nicht zu entbehren, wie er nicht ist zu ertragen.
_____



VIII.
1 All' andres kannst du entbehren,
nur nicht entbehren den Freund,
Will alle Welt dir es wehren,
laß dir nicht wehren den Freund.

2 Zu Dienstbarkeit und zu Knechtschaft
wenn er dich brauchet allein,
So nimm von ihm es mit Dank an,
die Huld von ihm ist nicht klein.

3 Wer statt des Freundes dir gäbe
die Welt mit jeglichem Schatz,
Gib deinen Willen dazu nicht,
der Freund hat keinen Ersatz.

4 Die Welt und alles darinnen,
dazu der Lust Paradies
Ist solches Gut nicht, um welches
den Freund ein Bettler ließ.

5 Nicht, wenn in Huld er dich annimmt,
mußt du ihm danken allein,
Du mußt auch wenn dein Verderben
es wär' ihm dankbar sein.

6 Ich selber, der ich das Auge
dem Blick des Freundes erschloß,
Ich darf vor ihm es nicht schließen,
und wenn es träf' ein Geschoß.

7 Und wenn vielleicht, wie man denket,
der Lieb' ein Herz sich erwehrt,
Erwehrts doch nicht sich des Freundes,
wohin es immer sich kehrt.

8 Du magst auf jeglicher Weise
Des Feinds Gefangnen befrein,
Doch kann von dir nicht befreiet
des Feinds Gefangener sein.

9 Wer käme mir in die Seele,
von allen, die auf der Welt,
Da ich noch habe vom Freund nicht
geräumt der Seele Gezelt?

10 Du hast nicht einen dir gleichen;
doch hättest du ihn gleich,
So setz' ich selber doch keinen
an deiner Statt dir gleich.

11 Erwirb die Gnade des Freundes
und üb', o Saadi, Geduld,
Nicht Freundschaft ist es zu klagen
ob deines Freund's Unhuld.
_____



IX.
1 Ich sprach: vielleicht daß im Schlummer das Bild ich schaue des Freundes!
Und sieh, zum Segen des Morgens wird mir die Schaue des Freundes.

2 Nur nach dem Monde des Festes blickt alle Welt; mir im Herzen
Das Fest allein ist die mondgleich gezogene Braue des Freundes.

3 Nicht ferner will ich mich kehren zur hochgewachsnen Zypresse
Vom Ebenmaße des Wuchses im schlanken Baue des Freundes.

4 Drum bin ich außer mir selber, weil kein wahrhafter Verliebter
Des eignen Hauses zu denken vermag im Gaue des Freundes.

5 O Schimmer, schweife du fürder nicht um die Augen des Saadi,
Im Aug' ist Platz nicht für Schlummer zugleich und Schaue des Freundes.
_____



X.
1 Willst du mein Leben? nimm es hin,
Wiewohl ich gefaßt auf Verschmähung bin.

2 Bei deinem Leben! ein Haar, das fällt
Von deinem Haupte, geb ich nicht um die Welt.

3 Wiewohl du Liebe für keinen hast,
Hat jeder für dich von Lieb' eine Last.

4 Was du im Kopf hast, arger Gesell,
Legt manchen Kopf noch auf deine Schwell.

5 Dich sollte mein Mühn errennen? Nein.
Kein Wind holt deine Zügel ein.

6 Denken soll ich an dich einmal?
Dich vergessen hab' ich keinmal.

7 Kurzsichtige dürfen, ich schäme mich dessen,
Dich vergleichen mit Gartenzypressen.

8 Bei solchen Brauen, o Feensprosse,
Was bedarfst du zur Jagd Geschosse?

9 Saadi's Schmächtigkeit hat die Sitte
Wohl angenommen von deiner Mitte.

10 Tät' er sich nicht durch Rede kund,
Wer wüßte zu sagen von deinem Mund?

11 Süßer nichts ist als meine Kunde,
Außer der Seim in deinem Munde.
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XII.
1 Wer jeden Morgen gehet einem nach,
Der ist in Sorgen alle Nächte wach.

2 Such nicht in Torheit diesen Jungen auf,
Der solche Toren aufsucht hundertfach.

3 Vertraulichkeit und Freundschaft übet er,
Wo Gold im Sack und Vorrat ist im Fach.

4 Er spricht: Wenns einer in der Welt jetzt ist,
Bist du mein Ruhebett und Wohngemach.

5 Und dann sagt er zu einem andern drauf:
Die Welt ist ohne dich mein Kerker ach!

6 Wie eine Hummel fliegt er durch die Welt,
Wie eine Flieg' ist er auf Zucker jach.

7 Er ist leer wie die Schelle, voller Klang,
Ein schlechtes Haus, auf dem ein schönes Dach.

8 Er schilt auf dich bei mir: ein Tier ist er,
Und schimpft bei dir auf mich: er ist ein Drach'.

9 Wo immer du solch einen sehen magst,
Denk, es ist keiner, und sieh ihm nicht nach.
_____



XIII.
1 Was man hört von dir sagen,
ist Liebenswürdigkeit,
Was man dir sieht in den Augen,
ist holde Schelmischheit.

2 Ich habe gesehn die Zypressen
und sie betrachtet im Hain,
Kein Wuchs ist wert wie deiner
gepflanzt ins Herz zu sein.

3 Gleich kommt nicht deinem Wohllaut
der Nachtigallen Laut;
Wer sagt, daß Zucker
so zierlich ein Papagei gekaut?

4 Du nicht hast an mich Armen,
noch die Rose, die lacht,
Hat je ans Herzbedrängnis
der Nachtigall gedacht.

8 Einsam ist nicht, wer sitzet
in Gedanken dir geweiht;
Damit du nicht fragest: wie kannst du
ertragen die Einsamkeit!

10 Du hast gesagt: sie alle
sind Lug und Trug und Begier.
Ich bin das nicht; ich bin, was
ich sein soll, sag' es mir.
_____



XIV.
1 Wenn tausend Schweres über mich
ergeht, es ist mir leicht,
Weil tausendmal viel weiter noch
die Kraft der Liebe reicht.

2 Tust du mir Schmach, es ist nicht Schmach,
es ist mir Schmeichelei;
Gibst du mir Schmerz, es ist nicht Schmerz,
für mich ists Arzenei.

3 Dem Fuße wird der Weg nicht lang,
der nach dem Freunde geht;
Der Liebeswüste Dornenpfad
ist ihm ein Rosenbeet.

4 Nicht Wangenflut, ja soll das Blut
vergossen sein, so sprich
Ich steh' nicht hier zu Widerstand,
dir zu Befehl steh' ich.

5 Es wundern die Vernünftigen
sich über meinen Sinn,
Die eigne Seele will nicht, daß
ich dein von Herzen bin.

6 Von deinem Schoße fiel ich weit;
was Wunder wenn ich dann,
Der Trennung Brandmal auf der Brust,
nicht Ruhe finden kann.

7 Mich wundert jene Locke nur
bewegt wie Ambraflut,
Die dir im Schoße ruhen kann,
warum sie doch nicht ruht!

8 Wie mancher, der die Grenzen nicht
des Geistigen ermißt,
Den Unterschied, der zwischen Tier
und einem Menschen ist,

9 Meint, daß im Schönheitsgartenraum
hier Saadi's Blick mit Lust
nur nach des Kinnes Apfel späht
und der Granatenbrust.

10 Darüber schweig ich besser ganz,
denn einen, der nicht klug,
Entschuldigt bei Verständigen
sein Unverstand genug.

11 Ich wasche mich nicht selber weiß
und brenne mich nicht rein,
Denn alles was man sagen mag
vom Menschen, kann wohl sein.
_____



XV.
1 Nun, o silberkinniger steinherziger, - wie lange
Ist das Herz dir leicht von uns, von dir uns schwer, wie lange!

2 Mit dem Dorn im Fuße voll Sehnsucht sehn die Rosen,
Durstge kommen von der Lebensquelle her, wie lange!

3 Deinem schöngemessnen Gange staunt, wie oft, das Auge
Und das Ohr lauscht deiner Töne süßer Mär wie lange?

4 Jeden Augenblick, ich fürchte, werd' ich aufschrein müssen
Fassung außenher und Qualen innerher wie lange?

5 Aus dem Kragen hebest du das Haupt des Stolzes täglich,
Auf den Kragen sinkt mein Kopf gedankenschwer wie lange!

6 Deines Fingers Farb' ist Henna nicht, ist Blut des Herzens,
Menschenblut vergießest du mit solchem Speer wie lange!

7 Saadi's Fuß wird einst von deiner Hand zu Boden kommen,
Denn Bedrückung trägt, Verbannung duldet er wie lange!
_____



XVI.
1 Die Hoffnung einen Augenblick im Heiligtum zu ruhn
Macht eben jeden Tritt, den wir durch tausend Wüsten tun.

2 Die Lieb' ist: Lasten aufgelegt, und Leben dargebracht;
Was Rat sonst? aufzukommen ist nicht gegen Übermacht.

3 Wenn sich auf dem Balkone zeigt die Stirne wie ein Stern,
Als wie den Mond des Festes sehn sie alle Augen gern.

4 Das Tor der Flucht ist aufgetan, allein von deinem Gruß
Macht der Gefangne sich nicht los, gefesselt ist sein Fuß.

5 Das Blut ist mir in meinem Leib das teuerste, zum Pfand
Ist dirs geweiht, wenn du damit besudeln willst die Hand.

6 In deinem Land ist es vielleicht nicht Sitte Freund zu sein?
In deiner Stadt vielleicht nicht Brauch, Verliebten zu verzeihn?

7 Mein Leben für dein Leben, wenn mein Leben dir beliebt,
Ein ohrberingter Knecht gehorcht dem Wink, den man ihm gibt.

8 Im Wuchse dir es gleich zu tun ist grad umsonst bestrebt
Die Zeder, wenn sie tausendmal ihr Haupt zum Himmel hebt.

9 Noch manche Leila wird und mancher Medschnun sein hinfort,
Sie setzen deiner Schönheit Kund' und meine Liebe fort.

10 Das Sandelholz ist Saadi gleich, wenn du es zündest an
So hat sein Hauch und Wohlgeruch der Seele wohlgetan.
_____



XVII.
1 Dir gleich gewachsen mag die Zeder sein,
Doch Herzen schmücken kann dein Wuchs allein.

2 Wenn in Gesellschaft selbst die Sonne käme,
Ich zweifl' ob sie's mit dir an Glanz aufnähme.

3 Und wenn die Zeiten ihren Lauf von vorn anfingen,
Sie würden ein dir gleiches Kind zur Welt nicht bringen.

4 Wer führt im Heer des Sultans einen Bogen
So schön wie deine Brau gezogen?

5 Nie sei, doch sollt' im Islam Plündrung sein,
Ganz Schiras plündre du allein!

6 Nicht seinetwillen soll man dich erflehen,
Wir wollen nur, dein Wille soll geschehen.

7 Zwei Welten räum' ich aus der engen Brust,
Auf einmal, daß du habest Raum nach Lust.

8 Heut laß mich bar erheben mein Schulden,
Was soll ich auf dein Morgen mich gedulden.

9 Süß ist Begierde die im Haupte gährt,
Doch die Begierde nur die dich begehrt.

10 Weil Saadi seinen Kopf verlieren muß,
So ist es doch am besten dir zu Fuß.
_____



XVIII.
1 Aus der Welt der Gotteseinung kommt ein solcher selten
Der mit Einem Atem sich erhebt ob beiden Welten.

2 Schmählich auf dem Weg der Liebe kehrt zur Flucht den Rücken,
Wer von jedem Zuckerrohr sich locken ließ wie Mücken.

3 Paradiesbewohner sind vorm Schicksal unerschrocken,
Stören läßt sich nur ein Kind durch Karawanenglocken.

4 Bist du hinten, strebe vor! auf Gottes Pfad erstrebet
Ein Verspäteter den Vorsprung, wenn er sich erhebet.

5 Kannst du wie ein Fels der Flut des Gießbachs widerstehen,
Wenn vom Weg wie Distelflocken dich die Wind' aufwehen?

6 Saadi, an den Saum der Gottesleitung fest zu halten
Ist nicht etwas, dessen mag ein schwacher Lüstling walten.
_____



XIX.
1 Zeit ist's daß die Schwäche komm und daß die Stärke geh,
Daß dem Redenden die Kraft der süßen Red' entgeh.

2 Unversehens kommt der Herbstwind, und der feuchte Glanz,
Den du siehest, fehlt dem duftgen Rosenbeete ganz.

3 Weiter mich zu tragen wird die Kraft der Füße matt;
Glücklich wer den Weg mit Vorsicht wohl begangen hat!

4 Auf den Tag, der neue Flut dem trocknen Strom beschert,
Gott weiß, wenn ich einen Strom wein', ob die Flut mir kehrt.

5 Mein Verdienst ist dieses, daß ich in Gedankenglut
Mich verbrannte, davon kommt der Welt der Duft zu gut.

6 Saadi's ganzes Kapital war hier das süße Wort,
Dies läßt er zurück, ich weiß nicht, was mit ihm ist dort.
_____



XX.
1 Ob die Welt mir fehlt, ei fehle mir ein Kehrichthaufen doch!
Mag zu Grund ein Rabennest gehn, ich der Adler fliege hoch.

2 Bin kein Rind ja; mag kein Gras auch in des Loses Krippe sein;
Bin kein Hund, sei auf dem Schüsselchen der Nahrung auch kein Bein!

3 Ich der Siebenschläfer Hündlein wart' auf meiner Herrn Gebot,
Schweife nicht an jeder Tür um, stehle mir ein halbes Brot.

4 Was bin ich? im Garten Riswans weniger wächst ein dürres Blatt.
Wer bin ich? im Heer des Sultans fehlt ein einzelner Soldat.

5 Wenn mir all mein Wille ward, so denk, ich aß ein halbes Brot,
Und wenn mir die Welt vergeht, sag': eine halbe Seel ist tot.

6 Soll ich in der Hölle brennen, brenn' ein Aschenhaufen nur!
Soll ich nicht ins Paradies, was ists um eine Gartenflur?

7 Auf die Welt o welches Feuer meines Liebessturmes fällt!
Wenn ich selbst ins Feuer falle, möge nicht sein eine Welt!

8 Wenn am Fuß der Wand des Derwischtumes faßt der Schlaf dich an,
Schlaf, und keine Treppe führe zu des Herrschertums Altan.

9 Saadi, bringst du keine Huldigung zum Thron der Macht herbei?
Ei, was ists ob auf der Schwell' ein schmutzig Stäubchen minder sei!
_____



XXI.
1 Zechers Auge läßt nicht schlafen eine Nacht wie diese;
Auch die Selgen schlafen nicht in Riswans Paradiese.

2 Frühlingsschmeicheln haucht dem Erdenstaube Leben ein;
Wessen Herz der Hauch nicht macht lebendig, ist ein Stein.

3 Einen Duft des Hemdes riech' ich des, den ich verloren;
Sag' ichs, sagen alle: den Verstand verlieren Toren.

4 Ein Verliebter hat kein Ohr um guten Rat zu hören,
Arztes Kunst soll den Verlauf nicht meiner Krankheit stören.

5 Reisebrüder, lasset ab mit euch mich fortzutreiben,
Denn vor meines Freundes Türe will ich sitzen bleiben.

6 Denke, daß der Liebe Feuer Nimrods Glut nachahme
Und die Funken gehn zu Leibe mir wie Abrahame.

7 Tanzend aus dem Grabe wird der Tote sich erheben,
Wenn du über sein Gebein einhergehst, ewges Leben!

8 Hoffnung des Vereinens hab' ich und Furcht vor deinem Scheide
Sonst kenn' ich nicht Furcht noch Hoffnung in der Welten beiden.

9 Wunder nimmt mich vor des Freundes Zelt nicht, wer erschlagen
Liegt, mich wundert nur, wer heil sein Leben fort mag tragen.

10 Saadi, Lieb' und Sinneslust sind nicht in einer Grenze;
Satan der gesteinigte flieht Engelrosenkränze.
_____



XXIII.
1 Also legt der Liebe Scheideweh sich schwer mir auf die Seel',
Daß ich gehn will und nicht unter meiner Last geht das Kamel.

2 Das Kamel, wenn es zu einer Rast kommt, legt es ab die Last,
Doch mir bleibt das Herz belastet, komm ich tausendmal zur Rast.

3 O der du am Halfter ziehest, schone mich, gedulde dich,
Denn wie du von dieser Seite, ziehn von jener Ketten mich.

4 Mich mit Schmach beladen lasse, räume meiner Neigung Stall,
Vor mir her der Weg und hinter mir das Herz, o schwerer Fall!

5 Der Entfernung Schleier deckt nicht alte Herzbekanntschaft zu,
Du gerückt aus meiner Nähe, mir vor Augen stehest du.

6 Du bist meiner Wünsche letzter, meines Strebens höchster Traum
Vor Erreichung zieh ich nicht der Hoffnung Hand von deinem Saum.

7 Kann dein Name von der Zungen, dein Gedanke vom Gemüt
Weichen, da du mir gedrungen bist durch Adern und Geblüt!

8 So bin ich mit dir beschäftigt daß mir fehlt für Alles Sinn
So in dir versonnen, daß ich taub und blind für alle bin.

9 Gibst du einen Blick, so gibt mein Saatfeld grüne Halme mir,
Gibst du keinen, ohne Wurzel ist der Hoffnung Palme mir.

10 Willst du dem Gesetz der Liebe, Saadi, nicht entsagen? Nein.
Wie sollt aus dem Herzen gehen, was gebrannt ist ins Gebein?
_____



XXIII.
(Erste Übertragung)
1 Du verschleierst dich, und schon lassen wir das Herzblut rinnen,
Wenn du dich entschleierst, ha was werden wir beginnen!

2 Schmück uns nicht den Himmelsgarten! wir Berauschte drängen
Nicht danach, uns an den Saum der Huris dort zu hängen.

3 Und wenn du zur Höll' uns stößest, weinen wir die Fluten
Nicht aus Furcht der Pein, aus Hoffnung deiner, in den Gluten.

4 Da du Häßliches und Schönes mit erfinderischen
Farben mischtest, welche Farbe sollen wir dir mischen?

5 Andre bangen für ihr Leben, ach das Kleid zerreißen
Wir vor Lust, wenn du vom Leben uns willst aufstehn heißen.

6 Vor der Drangsal fliehn die Menschen, die uns nicht verstehen,
Daß in deiner Sehnsucht wir den jüngsten Tag erflehen.

7 Trunknes Herz zu Schild gemacht, auf offner Hand das Leben,
Sichtbar ist es daß vorm Pfeil des Wehes wir nicht leben.

8 Saadi, Anspruch ohne Wahrheit kommt zu keinem Zwecke
Stumpfes Ganges sind wir also scharf von Red und kecke.
_____



XXIII.
(Zweite Übertragung)
1 Du bist noch hinterm Vorhang und dahin strömt unser Blut,
O wenn der Vorhang fallen wird, wie lodert uns're Glut!

2 Den Himmelsgarten schmück' uns nicht! wir haben keine Lust,
Wir Trunkene, den Huris uns zu werfen an die Brust.

3 Und stößest du uns aus, so fließt uns in der Hölle Schoß
Die Träne nicht aus Furcht der Pein, in deiner Hoffnung bloß.

4 Aus Schön und Unschön hast du selbst gemischt das Farbenspiel
Der Ewigkeit; was spielen wir vor dir nun Farben viel!

5 Ein andrer hat sein Leben lieb, wir reißen das Gewand
Vom Leibe, wenn von uns begehrt, das Leben deine Hand.

6 Die Menschen fliehn vor Weltaufstand, und wissen nicht daß wir
Den Jüngsten Tag ersehen aus Verlangen nur nach dir.

7 Das trunkne Herz zum Schild gemacht, und auf der offnen Hand
Das Leben, also halten wir dem Pfeil des Schicksals Stand.

8 O Saadi, falsche Prahlerei befördert nicht zum Zweck:
Im Gange stumpf, sind wir gar sehr in Worten scharf und keck.
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XXIV.
1 Von deinem Anblick getroffen,
ists eine geraume Frist,
Daß mein Schlafort im Staube
von deiner Gassen ist.

2 Bei deinen beiden Augen,
dunkler als mein Geschick!
Verwirrter als deine Locken
bin ich von deinem Blick.

3 Alle Barschaft des Zaubers,
die im Säckel des Geistes lag,
Wiegt weniger als nichts mir,
wie sie liegt auf deiner Waag'.

4 Es fehlt mir ein Geselle,
der rede von dir mit mir,
Es fehlt mir ein Vertrauter,
mein Wort zu bringen zu dir.

5 Aus Melodienschleier
klagt Saadi minniglich:
Entschleire dich mein Türke,
dein Indier bin ich.
_____



XXV.
1 Ein zärtlich Liebchen minniglich
Hat jeder lieb, und eins hab' ich.

2 Seit langem wird gescherzt und gelacht,
Ich habe den Brauch nicht aufgebracht.

3 Sagst du: der Zucht bin ich beflissen,
So muß ich's glauben, Gott mag's wissen.

4 Doch sagst du: nie hab' ich an Liebes gedacht,
So laß ich das unausgemacht.

5 Und sagst du: eine Sünd' ist Lieben;
So hat sie Adam und Eva getrieben.

6 Gefangen im Band der Schönen, gelten
Mir gleich dies loben und dies schelten,

7 Aufs wunde Herz des Liebchens Hand,
Ich kenn kein bessres Wundverband.

8 Laß Becher umgehn Zug um Zug,
Wie die Sterne sich umdrehn Flug um Flug.

9 Die Welt verdient deine Sorge nicht,
Erfreu dich an freundlichem Angesicht!

10 Hasche Genuß! Ein Tag entflogen
Wird vom Leben dir abgezogen.

11 O Saadi, nicht aufs Leben bau,
Denn baufällig ist dieser Bau.
_____



XXVI.
1 Ach der Schelm, der Herzensräuber, welcher mich hat umgebracht
Ging' er noch einmal vorüber, weil sein Duft lebendig macht!

2 Er hat mir entsagt, dem ich nicht so entsagen kann zum Scherz;
Was zu tun? ich habe nicht ein solches Herz von Stahl und Erz.

3 Wenn mir eines Schrittes Kraft bleibt, schreit ich ihn auf seiner Spur;
Wenn ein Hauch mir bleibt, verhauch ich ihn in seinem Suchen nur.

4 Seine Lipp' an meine Lippe, welcher Einbildungen Flug!
Ja vielleicht einst, wenn aus meinem Staub ein Töpfer macht den Krug.

5 Warum, Schah der Schönen, schlägst du in die Flucht nur mich allein
Bin der Ball in deines Schlägels Windung, doch nicht ich allein.

6 Wo sich eine Schönheit findet, bracht' ich einen Lobspruch an;
Du bist eine solche Schönheit, daß ich vor nichts bringen kann.

7 Gestern sprach er: Saadi, scheint es, hält auf uns kein große Stück,
Was? Wenn du mein Haupt verlangtest, zög ich nicht die Hand zurück.
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XXVII.
1 Ein trunkenes Götzchen zart und glatt
Das in der Hand den Becher hat,

2 Kommt in der Zecher Kreis geschlüpft
Den Gürtel gebunden, das Wams gelüpft,

3 Sein Mund ein Rubinschrein perlenvoll,
Sein Lockenhaar wie der Fangschnur Geroll,

4 Auf seines Gesichtes Rosenfloren
Mohrenknötchen vom Monde geboren;

5 Erde sich neigend seinen Mienen,
Himmel sich hebend ihm zu dienen;

6 Sonne, König im Himmelszelt
Als Bauer gezogen in seinem Feld.

7 O Saadi, er wird dir nimmermehr,
Denn du bist voll Scheu, voll Einfalt er.
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XXVIII.
1 Verkleidet als ein Schlemmer ging ich eines Nachts zum Weinhaus ein,
Der Weinverehrer Zelle stand vom Wonnefest im hellen Schein.

2 Doch ich vom Fest des Herren trug die Zuversicht im Herzenshaus,
Es könne nie der Hoffnung Schloß erschüttern ungeweihter Braus.

3 Als nun der Schenke beim Gelag Kredenzung des Getränks begann
Wie unverständig ward gesagt: verständig sei zuerst der Mann.

4 Ha, sprach ich barsch, ich habe Wein getrunken im geweihten Ring
In dessen Kerzen Glutbereich sich nicht getraut der Schmetterling.

5 Ein Herz, dem aus der Einheit Welt der Wesenheit Musik erklang,
Wie kann zu dessen Hochsinns Ohr eingehn leichtfertiger Gesang?

6 Für blöde Kinder hielt ich sie und sprach altvatergreisenhaft,
Da gab der Kneipenälteste die Antwort mir mit Manneskraft:

7 Das Licht der obern Welt erstreckt hell über jedem Tage sich,
Im Kloster hast du es geschaut und in dem Weinhauswinkel ich.

8 Wer hier tritt in die Einsamkeit, wird in Einfarbigkeit getaucht
Ob er als frommer Büßer glänzt, ob er als toller Schlemmer raucht.

9 Dem Saadi ward im Innersten das Tor der Wahrheit aufgetan
Als eben in das Himmels Schloß des Morgens Schlüssel schlug den Zahn.
_____


XXIX.
1 Du magst erquicken oder magst mich quälen,
Lieb über Liebe nur soll mich beseelen.

2 Durchs Schwert kann ich dir nicht entfremdet werden,
Als sei ich sonst bekannt mit wem auf Erden.

3 Vom Bande will sich jeder Vogel retten,
Ich will mich nie befrein von deinen Ketten.

4 Jedwede noch so schwere Pein zu leiden,
Hab ich Geduld, nur nicht von dir zu scheiden.

5 Ob Ehrenkleider Fremde schenken, doch
Bei Freunden Bettler sein ist süßer noch.

6 O sieh mein Leben auf der Lippe schweben,
Gib, Liebchen, einen Kuß mir für mein Leben!
_____



XXX.
1 Nie beneidet hab' ich wen um Ehrenamt und Gut,
Sondern einen nur der traut bei einem Trauten ruht.

2 Weißt du welches Glück sich jeder Schilderung entzieht?
Wenn ein Aug' in jedem Augenblick sein Liebstes sieht?

3 Selig, wem die Liebe kommt ins Haus, wie täglich Brot
Gottgeliebten, ohne daß darum die Bitt' ist not.

4 Wie zwei Mandelkernehälften in der einen Schal
Innig unter sich verbunden, andern fremd zumal.

5 Weißt du welcher Unverständige der Gefühle lacht?
Der es nie in seinem Leben zum Gefühl gebracht.

6 Nach der Lieben blieb mir nur das Schattenbild der Liebe
Und ich selber bin mein eignes Schattenbild geblieben.

7 In des Sufi Zelle wohnt kein andrer Spielgesell,
Und wenn Saadi ein Ghasel singt, singt es der Gesell.
_____



Aus dem Buch der Siegelringe - Chawatim

1 Durch meines Eigenwillens Wahl hab' ich des Griffels Strich gezogen,
Und meine Wahl ist das, was Er hat seinem Bettler zugewogen.

2 Der du Vermögen mehr verlangst, als man durchs Los dir zugemessen
Begehre minder, und du hast des Loses mehr und mehr besessen.

3 Mit Kopfweh ist der Wein der Welt, die Rose mit dem Dorn vermenget;
Verlangt dich nach dem Honig? komm, wenn es dich nach dem Stachel dränget.

4 Oder du hinterm Reisetrupp zurücke bliebst, vom Schlaf umgossen
Nun streng dich an, um wiederum zu finden deine Fahrtgenossen.

5 Die Mannheit seh ich nicht an dir, um Glaubensfeinde zu bekämpfen,
Zeig dich als Mann, die böse Lust, den Glaubensfeind in dir zu dämpfen.

6 Vom Schlaf wird nie ein weiser Mann, wann er gestorben ist, erwachen,
Als wie ein Hirte, wann das Schaf gefallen in des Wolfes Rachen.

7 Willst du gewinnen dir ein Heil, wirk Anderen zum Heilgewinne
Denn niemals wird es übel gehn dem Mann der Gutes trägt im Sinne.

8 Erbarmung den Verlassenen, das ist der Menschen echte Kunde,
Denn einem Menschensohn erbebt der Leib beim Anblick einer Wunde.

9 Was bittest du für dich allein? Du sollst dich des nicht unterfahen,
O Saadi, bittest du's zugleich nicht für die fernen und die nahen.
_____


II.
1 Wer hat ein Herz gesehen,
das mir abhanden kam,
Aus Rausch und Liebestollheit
von selber Urlaub nahm?

2 Wem es zur Hand mag kommen,
ist er ein Muselmann,
Vielleicht sieht, Bettler zu plündern
er für ein Unrecht an.

3 Menschenfreundlich ist es wieder
zu geben ein Herzensstück;
Wer gibt mir armen Kranken
das wunde Herz zurück?

4 Ein Mond von vierzehn Jahren
hat es gelegt in Band,
Und vierzehn Tage vergingen,
seit seine Spur verschwand.

5 Solch ein verirrtes Herz,
das sich selbst verloren hat,
Merkt weder fremden Tadel
noch nachbarlichen Rat.

6 Des Feindes Schadenfreude
verdient, wer in den Wind
die Warnungen geschlagen
von Freunden wohlgesinnt.

7 Nun magst du fein ergeben
in Herb und Sanftes dich;
Denn in der Wespe Wesen
ist Süßigkeit und Stich.

8 Gib keinem gefährlichen Liebchen
hinfort, o Saadi, dein Herz.
Wir geben es nicht ihnen
sie nehmen es im Scherz.
_____



III.
1 Den Freund wir verkaufen ums Leben nicht,
Und feind' uns die Welt an, wir beben nicht.

2 Und wenn mit dem Schwerte du treffen willst,
Triff nur, mein Leben! wir sind der Schild.

3 Dem ich die Treuen nicht kann versagen,
Von dem muß das Dräuen ich auch ertragen.

4 Sei es im Zorn oder sei's mit Huld,
Einen Blick! wir blicken mit Ungeduld.

5 Ein Blick in des Freundes Angesicht,
Und gelt' er das Leben, wir feilschen nicht.

6 Und sagst du: Das ist gegen die Vernunft;
Vernünftge und wir sind zweierlei Zunft.

7 O heiß zum Tode uns nicht gehn,
Bevor wir an dir uns satt gesehn.

8 Ob man uns ausschloß oder erkor,
Wir sind die Bettler des Blicks am Tor.

9 Wir sind, so oft uns der Freund mag ermorden,
Durch Gottes Gnade lebendiger worden.

10 O Luft vom Garten des Freunds, mit Wehn
Geh über uns hin, eh hin wir gehn.

11 Du bist der Gebieter mild und lind,
Wiewohl wir unnütze Knechte sind.
_____



IV.
1 Die Bettler von des Sultans Hofgesind,
Des Liebsten Staatsgefangene wir sind.

2 Kein eigner Name kommt den Sklaven zu.
Wie dir beliebt Beinamen gib uns du.

3 Wenn der Geliebte zückt das Schwert, empfangen
Wir's auf die Stirn und wenden nicht die Wangen.

4 Verliebte streuen für der Liebe Schmaus
Ihr Gold, wir streuen unser Leben aus.

5 Daß ein Verständiger doch nicht beständig
Uns schmähen möchte! Wir sind unverständig.

6 Für jede Rose, die mit neuem Schimmer
Die Welt betritt, sind wir die Tausendstimmer.

7 Die engen Augen der Begierde spähen
Nach Frucht, wir wollen nur den Garten sehen.

8 Du bist vom Glanze des Gebildes trunken.
Wir in die Kunst des Bildners stumm versunken.

9 Was wir geredet außer Liebesklang,
Bereuen müssen wir es lebenslang.

10 Ob er uns annimmt oder treibt uns fort,
Wir kennen keinen Weg zu anderm Ort.

11 Aufgeben kann man nicht das süße Leben
Wir können nicht den süßen Freund aufgeben.

12 O Saadi, ohne seines Angesichts
Verklärung achten wir die Welt für nichts.
_____



V.
1 Nicht anders zu erbeuten hoff' ich des Herzens Ruh
Als daß ich dich seh' von weitem und dann umkehr' im Nu.

2 Nie fällt mir ein zu haschen ein Körnlein dort nach Wunsch
Wo über mich die Netze der Locken schlagen zu!

3 Ich steh in Dienstbereitschaft, und wenn du mich mit Huld
Berufest, naht der Diener mit ausgezognem Schuh.

4 Du magst mir tausend Leides wie tausend Liebes tun,
Das Herz läßt sich's nicht nehmen zu bleiben da wo du.

5 Davon werd' ich nicht weichen, daß wo den Kuß vom Mund
Zu nehmen nicht erlaubt ist, ich es verboten tu.
_____



VI.
1 O frohe Stunde, wo du gleich der Rose zu dem Hain
Wirst kommen, oder Freunden gleich zu meiner Tür herein.

2 Meiner Freunde Rosenbeet wird an jenem Tag erblühn,
Wo du der Zypresse gleich wandelst in des Gartens Grün.

3 Meine Kerz, ist noch der Tag nicht, meine Nächte zu verklären?
Meine Seel', ist noch die Zeit nicht zu dem Leib zurück zu kehren?

4 Ich weiß nicht, wie der Flasche stockt das Wasser mir im Schlunde
Bis wie der Becher eines Tages kommst zu meinem Munde.

5 Selber hab ich soviel [... ?]
Und du selbst hast soviel Glück nicht, mir herbei zu kommen.

6 Saadi ist kein Dämon, den man scheucht mit Zauberhort
Willst du nicht auf Menschenweise nahn mit gutem Wort?
_____



Aus dem Buch der alten Ghaselen - Gaseliat Kedim

I.
1 An deinem Zypressenleibe
wie lieblich ist das Gewand:
Ach legt' ich wie der Gürtel
um deine Mitte die Hand!

2 Wenn du willst ein bittres Wort
sagen zu einer Stunde,
Wird kein bittres Wort es sein
wenns kommt aus deinem Munde.

4 Nicht wird man ob meiner Liebe
mit Fingern deuten auf mich,
Denn wenn du hebst einen Finger,
Sehn alle Augen auf dich.

5 Feinen Wuchs hat Zypresse,
Mond Wangen reizend blaß
Du bist nicht dieser noch jene,
Doch hast du dieses und das.

6 Hüter, tust du zum Liebchen
keine Tür auf für mich,
Wirst ihm wenigstens melden:
Saadi betet für dich.
_____



II.
1 Was ist wieder geschehen
daß du redest kein Wort?
Hab' ich hie Klage zu führen,
oder bist du böse dort?

2 Von allen Gartenpflanzen
nimmst du den Preis dahin
Der Sinnigkeit, doch bist du
ein Pflänzchen Eigensinn.

3 Tausend liebende Blicke
suchen dich sehnsuchtstumm,
Du Steinherz siehst dich liebend
nach keinem Herzen um.

4 Doch mit all' deinen Fehlern
kann man nicht von dir gehn;
Komm nur und tu so garstig
Du willst, du bist so schön.

5 Dir wird der Staub von Saadi,
den Liebesweh entseelt,
Noch tausend Jahren duften
wenn nicht Geruch dir fehlt.
_____



Aus dem Buch der Vierzeilen - Ruba'ijjat

1.
Liebsgefangne sind vor deinen Zelten, komm!
Übel nehmen sie dir nicht Zorn und Schelten, komm!
Jede Sünd' entschuldigt Schönheit, säume nicht
Weil noch die Entschuldigungen gelten, komm!
_____


2.
Trunken ist dein Aug vom Schlummer und dein Haupt vom Wein,
Unser Blick ist Durst und deine Gunst im Wasserschein.
Ein Gebild' dir ähnlich in der Stadt und auf der Flur
Siehst du, dort im Spiegel, hier im Wasserspiegel nur.
_____



3.
Das Herz muß gehn:
Wer kann die Augen vernähn?
Ists mit der Frömmigkeit vorbei,
Wer kauft die Heuchelei?

Den Schmetterling die Kerze nicht
Hat angebrannt,
Der tat es, der der Kerze Licht
Hat angebrannt.
_____



4.
Bleibt auch von deinem Staub nur übrig Haut und Bein,
Unfein von dir ists, wenn du glaubst, es sei unfein.
Müßt auch auf Lanzenspitzen hin gegangen sein,
Der Liebende dankt dem Geliebten auch die Pein.
_____



5.
Geben andr' ihr Herz an andre; meins, o Freund, ist dein
Denn dein Sinn und Sein ist hold, dein Duft und Schein ist fein.
Jedem Dasein kann mein Herz entsagen ohne Pein
Nur nicht deinem Dasein, das mein Dasein ist allein.
_____



6.
Wenn mein Übel ist im Blick des Freundes gut,
Ziehe mir vom Leib die Haut des Feindes Wut.
Ist der schonungslose Feind von ihm gesandt,
Treulos wär' ich, würd' er mir nicht Freund genannt.
_____



6a.

Wenn mich der Feind kränkt, Feindesart ist weh zu tun,
Doch du, o Freund, Geliebter, tust du weh mir nun?
_____



7.
Längst sagt' ich's deinen Dienern an dem Tor,
Daß sie dir nie den Spiegel hielten vor.
Wenn du dich selbst erblickst, wird dich's berücken,
Wenn anders du dich selber kannst erblicken.
_____



8.
Auf, ich will hin, weil hier nicht Schmerzensruh ist,
Vor ihm die Seel' hinstreun, wo Herzensruh ist.
Auf, daß ich laut vor Freund und Feind bekenne,
Daß meinen Mörder ich unschuldig nenne.
_____



9.
Lebensgewinn
Mußt du suchen bei frohem Sinn;
Des Wohlbefindens Kapital.
Ist Genüge zumal:
Ein lahmer Arm kann das Schwert nicht schwingen
Ein zages Herz nicht Rat aufbringen.
_____



10.
O du mir im Herzen traut,
Wie die Seel' in Senn' und Haut!
[Senn': Sehne]
Was immer deine Hand mir tut,
Ist alles gut.

O Morgenvögel, vom Schlummer
Bist du so früh erwacht,
Ich aber habe vor Kummer
Gar nicht geschlafen die Nacht.
_____




11.
Dieser Leichtsinn ist die Bürde, die mich schwer bedrängt
Diese Kerze für die andern, die mich selbst versengt.
Ei im Friede du mit allen, mir feindselig bloß,
Ich verklage dich nicht, sondern mein unglücklich Los.
_____



12.
Keine Nacht wo nicht mein Auge langt nach dir
Und die Seel' auf meiner Lippe bangt nach dir.
Wenn du andre wählst statt meiner, das ist leicht;
Schwerlich wähl' ich einen, weil dir keiner gleicht.
_____



13.
Gegangen ist mir aus dem Netz der Hoffnung Fisch
mein Tag vergangen wie Nacht der Trunknen träumerisch,
Die Zeit, in der auf jedem Nu ein Leben stand,
Umsonst ach, ist sie mir gegangen aus der Hand.
_____



14.
Wer sündiget und meint, daß recht er tut,
Der spiegelt sich in seinem Fleisch und Blut.
Bestärk ihn nicht, er sei auf rechtem Pfade:
Der schiefe Spiegel zeigt das Bild nicht grade.
_____



15.
Eines Tags hast du gesagt: gewährt dir sei
Eine Nacht, die meines Wehs dich mache frei.
Siehst du, seit dem Tag wie manche Nacht vorbei
Ging, und was du hast gesagt, fällt dir nicht bei.
_____



16.
Sie sagen mir: die Luft des Maien ist angenehm;
Rosenduft und Gesang im Freien ist angenehm,
Die grüne Flur, der blaue Himmel; allein, ich bin
Allein, da all das nur zu zweien ist angenehm.
_____



17.
Was von mir sie sagen mögen hinterm Rücken,
Mich mit welchen falschen Lügentiteln schmücken;
Feindesrede bringt mich nicht vom Freunde fort:
Weißt du, welchen Schatz ich aufgäb' um ein Wort!
_____



18.
Nicht verbessern läßt sich Mißgeschick durch Rat;
Unterlassen soll man eitle Red' und Tat.
Ich will gehn und will entsagen, sprach ich: Wie?
Geh, Entsagung! denn entsagen kann ich nie.
_____



19.
Im frommen Derwischkleide ging
Ich manchen Tag, mein Auge hing
An des Predigers Munde,
Mein Ohr voll seiner Kunde.
Unversehns kam mir zu Gesicht
Die schlankste der Zypressen,
Und alles was die Weisheit spricht
War im Augenblick vergessen.
_____



20.
Rettungslos ist, wer verfallen deinen Gluten;
Wenn er fern von dir ein Herz hat, muß es bluten.
Der dich keinen Augenblick entbehren kann,
Denk, wie ihm ein Zeitraum ohne dich verrann.
_____



21.
Die Hindin, wenn nach ihr den Sprung begonnen
Der Löwe hat, wie lang' ist sie entronnen?
Wie lange hält das Eis wohl auf dem Bronnen,
Und dieser Schnee wie lang' im Strahl der Sonnen?
_____



22.
"Wer ist, der des Herzens Lust mir rauben kann,
Der mir des Genusses Baum entlauben kann,
Der das Spiel mir abgewöhne, noch so klug?"
Sprach ich; du gewannst mir's ab mit einem Zug.
_____



23.
Mein Schmerz ist keiner, den die Ärzte kennen,
Lieb' ist ein Schmerz, den nur Verliebte kennen.
Weh tötet mich um ein bekanntes Antlitz;
Den Zustand darf kein Unbekannter kennen.
_____



24.
Ihr sagt: Was suchst du jener Pinie Spur?
Wie lang soll man auf dich mit Fingern deuten?
Was hilft der Rat mir von den weisen Leuten?
Ich geh ja nicht, man zieht mich an der Schnur.
_____



25.
O Wind, willst du nach jener Gegend lenken,
Dort Wang' an Wange dich dem Freunde senken;
Bring vielfach unsern Gruß und unsre Dienste;
Sag: Willst du so an deine Freunde denken?
_____



26.
Ein Antlitz periwangig, zuckermündig,
Verbirgt es seine Schönheit, das ist sündig.
Der Schleier ist unnütz nicht im allgemeinen,
Er deckt die häßlichen und zeigt die feinen.
_____



27.
Manchen König hat gleich dir die Zeit gesetzt
Auf den Thron, nach Wunsch hat er sein Herz geletzt.
Jeder ließ es, und der Zeitlauf gab es dir:
Nun genieß' es, denn du lässest es auch hier.
_____



28.
Männer sind, die nicht den Himmelshain verlangen,
Nicht nach süßem Duft und holden Schein verlangen.
Einen Freund sie haben, der ist ohne gleichen,
Den in beiden Welten sie allein verlangen.
_____


29.
Wer Lappen stets zu flicken bei der Hand ist
Durchs Land mit tausend Müh' nach Brot gerannt ist,
Solch einen Mann wird man am jüngsten Tag
Gewiß nicht brennen, weil er schon gebrannt ist.
_____



30.
Nicht ein jeder, dessen Tun Zeitläufe hemmen,
Wird mit Klageschrei den Himmel überschwemmen.
Mancher dämpft den Donner in des Busens Schacht,
Während seine Lippe gleich dem Blitze lacht.
_____



31.
Über das Sprichwort:
Die Sonne kann man nicht mit Ton verkleben
In einem Bade war ich jüngst mit meiner Minniglichen,
Da ward ihr rosiges Gesicht mit Badeton bestrichen.
Wer, sprach sie, kann nun dies Gesicht lieb haben mehr im Leben?
Ich sprach: Sei unbesorgt! wer kann die Sonne mit Ton verkleben?
_____



32.
Wer seinen Blick nach jedem Antlitz wendet,
Ist vor dem Blick Einsichtiger geschändet!
Der Kadi mag zwei Liebchen wohl erlauben,
Ein Liebchen aber ist der Liebe Glauben.
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33.
Tauchst du die Hand in meines Lebens Blut,
Glaub' nicht, daß dann mein Leben leid mir tut;
Nur sagen werd' ich: wodurch hab' ich nun
Den Freund gekränkt? nur das wird leid mir tun.
_____



34.
Glaub's nicht, daß ich der Sehnsucht Bann entsprungen,
Für Lieben und Entferntsein Kraft errungen.
Allein was könnt' ich tun als ruhn? Verliebter
Zufriedenheit ist immer notgedrungen.
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35.
Wenn im Lenz der Gießbach von der Halde glitt,
Gleitet das Gestein vom Bergesgipfel mit.
Meinem Aug' entquollen ist so mancher Bach;
Steinerner nur ward davon das Herz dir, ach!
_____



36.
Der Liebste, der die Lust des Herzens mein,
Man sagt, nicht schön sei er; laßt ihn so sein!
Recht ist mirs, daß er ander'n dünkt unfein,
Daß seine Liebe bleibe mein allein.
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37.
Nicht jeder, wer sich schmückt mit einem Orden,
Ist auch von Hochmut drum berauscht geworden.
Treulos ist, wer den armen Freund, indessen
Er selbst ist reich geworden, hat vergessen.
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38.
Mit Rosen muß man allenfalls ein Dorn sein,
Mit Freund und Feinden muß man ohne Zorn sein,
Die Rede mußt du nach dem Tage stimmen,
Wenn du nicht willst, dein Reden soll verlorn sein.
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39.
Weichlicher Begierde soll kein Weiser pflegen,
Blindlings handeln nicht, noch eitle Wünsche hegen.
Füllst du nicht die Kanne bis zum Hals mit Wasser,
Kriegst du Händel nicht des Überlaufens wegen.
_____



40.
Was ist ein Herz, das nie Musik entrückte?
Ein Stein; die Liebe nie den Stein beglückte.
Musik darf nur ein Liebender empfinden,
Denn nur wo Feuer ist, kann sich Rauch entbinden.
_____



41.
Wer kann einen Feind wie dich bekriegen?
Deinem Bande muß er stets erliegen.
Weder Herz hat er, das Schwert zu ziehen
Gegen dich, noch Mut dir zu entfliehen.
_____



42.
Endlich wird das Auge schlafen, das wach hielt die Wehen
Von der Rosenwange wird der Wind die Jugend wehen.
Als sie blühte, tat die Ros' Abbruch dem Würzeladen;
Wenn sie welket, heilt ihr Wasser des Würzkrämers Schaden.
_____



43.
Die Rose kommt, und Lust und Freude dabei
Und Herzenswunsch; um ist die Zeit, wobei
Die Kälte dich nicht kommen ließ; vorbei
Ist Kälte, nun kommt Zärtlichkeit herbei.
_____



44.
Ich huldige jedwedem, der sich raubt ein Herz
Und jedem, welcher eines verschenkt im Ernst und Scherz.
Wer aber weder Lieben will noch sein geliebt,
Verdient daß keinen Platz man in der Welt ihm gibt.
_____



45.
An den Schah, den sein Roß abgeworfen
Schah, deines Gauls Huf schlägt ans Sternenzelt,
Daß Neiders böser Blick auf dich nicht fällt.
Doch eine Welt von Huld und Macht bist du
Und tragen kann ein Gaul nicht eine Welt.
_____



46.
Wie plötzlich dir des Bartes Lauch ist aufgegangen!
Das Kraut, mir unerwünscht nun auch, ist aufgegangen.
Am Feuer deiner Wange sind so manche Herzen
Verbrannt, davon nun dort der Rauch ist aufgegangen.
_____



47.
Dein Fuß ists, der als Glückslos mir genügen muß,
Denn auf den Fuß darf ich drücken meinen Kuß.
Beglückter, wessen Losung deine Wangen sind
Daran er sich erholt von seinem Herzensverdruß.
_____



48.
Die Rose, die nun wollt' erblühn,
Dem Sturme sehn wir sie schon hingegeben.
Die arme trug im Sinn so manche Hoffnung.
O lange Hoffnungen, und kurzes Leben!
_____



49.
Mein Glückstand gestern nachts war kein geringer,
Ich drang in deiner Wangen Rosenzwinger.
Die Rosenlippen wollt' ich eben beißen,
Da wacht' ich auf und biß in meinen Finger.
_____




50.
Das Mützchen, das der Herzensabgott trägt,
Wenn ihm ein Düftchen nur der Ostwind raubt
Und übers Grab weht einem, der zehn Jahr
Begraben liegt, so hebt er d'raus sein Haupt.
_____



51.
Jede Pinie, die im Erdenraume steht,
Sollte sich vor deinem Wuchse neigen.
Von der großen Pinie dort erwart' es nicht;
Langem Leib ist wenig Weisheit eigen.
_____



52.
Wär' ich dein eine Nacht allein, was wär' es!
Ein Dorn in deinem Rosenhain, was wär' es!
Die Leun des Tags sind Füchse deines Hofes;
Sollt' ich dein Stubenhündchen sein, was wär' es!
_____



53.
O vergiß nie die Befehle deines Vaters,
Daß dir nie die Seele fehle deines Vaters!
Deines Vaters Seele spricht von droben: tu mir
Nichts zuwider, bei der Seele deines Vaters!
_____



54.
Da dein Haufen hundert ist und Feinde tausend,
Renne nicht ins eigne Verderben brausend,
Wie du kannst, verdirb den Feind; wo nicht im Stande
Du zum Krieg bist, halte Frieden nicht für Schande!
_____



55.
Bist du ein Mensch, nimm rosenfarb'nen Wein,
Bei Flötenton und Lautenklang nimm ein!
Wenn Opium du nimmst, wirst du ein Stein,
Und sollst, so oft du's nimmst, gesteinigt sein.
_____



56.
Obgleich von Schönen voll rings ist die Erdenflur,
Doch ist mein Liebling ein Araber rein und pur.
In Schiras wohnt er spricht Kas'runisch Dur und Lur
Ja, mit der Zuckerlippe spricht er Bittres nur.
_____



57.
Wenn ich dir entsage, sag, ich sei kein Mann;
Willst du, bring mich um, und willst du, nimm mich an!
Und, o Schatz der Anmut, wenn ich dir entrann,
Such' ich deinesgleichen wieder, wo ich kann.
_____



58.
Dein Gesicht verbirg entweder in der Andacht Zelle tief,
Oder zünde Liebesglut an und verbrenn' den Ehrenbrief.
Sittsamkeit und Liebesflammen nicht zusammen einest du,
Soll nicht Herzensvorhang reißen, mußt du Auge nähen zu.
_____



59.
Das Gesicht, das jedem sollte sein verholen,
Wo allein ich wollte meine Freuden holen,
Ist nun jedem zugekehrt, mir abgewendet,
Gott im Himmel, dir ist mein Geschick empfohlen.
_____



60.
Was Tag und Nacht in Wohlbehagen fließt
Weiß nicht warum sich Bettlerklag' ergießt.
Im Oxus und im Eufrat fließt viel Wasser,
Wonach in Wüsten lechzt ein Todesblasser.
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61.
Sind dir unwert meine Dienste treu und bieder,
Laß mich hingehn meines Wegs und her nicht wieder
Oder über mich breit aus dein Glücksgefieder,
Daß ich in Gehorsam dir mich tue nieder.
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62.
Manch besonnen weiser Freund hat mich beschworen
Tu Verzicht, wenn dich das Glück hat nicht erkoren!
Die Geduld ist schwer; was bleibt mir als sie üben?
Will ich oder nicht, man hält mich bei den Ohren.
_____



63.
Der Nachbar, dem du zeigst, daß du nicht hassen
Ihn willst, hats Paradies in seiner Gassen.
Und wem du dein Gesicht nicht sehen willst lassen,
Der wird im Himmel eine Höll' umfassen.
_____



64.
Ohne dich ist mir die Welt zu klein;
Ich bin stolz auf dich, du schämst dich mein.
Friede, ruf' ich; du sagst: Krieg soll sein.
Sag, ist das ein Herz wohl oder Stein?
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65.
Ich von deinen Knechten bin der knechtlichste,
Deines Stolzes Augen der verächtlichste.
Doch zurück nehm' ich mein Herz nicht; denn je mehr
Du mich tötest, werd' ich so lebendiger.
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66.
Ich will hingehn, denn mir bleibt kein andrer Rat,
Wenn der Feind auch lauter Schwert und Pfeile hat;
Wenns gelingt, will ich am Saum ihn fassen
Oder will auf seiner Schwell erblassen.
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67.
Das Einkommen meines Lebens geb' ich für ein Nu hin.
Alle Herzensruh geb ich für eine Herzunruh hin.
Wenn auf einmal tausend Seelen zu Gebot mir stünden,
Alle geb' ich gleich für einen Staub an deinem Schuh hin.
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68.
Ich dacht' ich dürfte keinem Löwen weichen,
Der Feind kam und als Füchslein mußt' ich schleichen.
Ich sprach: am Abschiedstage bleib ich standhaft;
Er kam, und meine Kraft fühlt' ich nicht weichen.
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69.
Ich bin ein Sklave deinem Zedergange,
Ein Ferhad deiner Schirinwange.
Mein Auge blickt, mein Ohr lauscht deiner Kunde,
Und mir entgeht dein Wort aus Lust an deinem Munde.
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70.
Seit ich mich den Rücksichten der Welt entrang,
Mag ich hundert Gnaden nicht für einen Dank.
Nur ein Jünger erst, doch lach' ich wonnereich
Ob der alten Welt, der jungen Rose gleich.
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71.
Heimlich über alles Menschenleben wein' ich
Wenn die Augen sich zum Himmel heben, wein' ich.
Wie das Kind weint, weil das Vöglein ihm entschlüpft ist,
Also um das entflohne Leben wein' ich.
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72.
Das Sonnemondbild das mich bringt ums Leben,
Mein Leben will ich ihm umsonst nicht geben.
Mit Küssen will ich ihm den Mund verschließen,
Denn, wenn mein Blut soll fließen, mag es fließen.
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73.
Laß mich dort, die Huri gerne will ich sehn,
Dort den Glanz der Himmelssonne will ich sehn.
Wollt ihr keinen Raum mir geben ihr zu nahn,
Schlagt mich nur nicht, sie von ferne will ich sehn.
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74.
Jeder Pinienwuchs, der mir vorüber wallt,
Dauernd hängt mein Aug' an seiner Wohlgestalt.
Da ich jung nicht wieder werden kann, warum
Säh' ich mich nicht wenigstens nach Jugend um!
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75.
Du kommst, und Anmut, Huld und Sitte schau' ich,
Des Lebens Wonn' in deinem Tritte schau' ich.
Wo du verschwandest, seh' ich dich; wohin ich
Blick', überall dich in der Mitte schau' ich.
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76.
O Sonnenwang', ich bin in deiner Fangeschnur,
Dein Joch trag' ich, und folge willig deiner Spur.
Was willst du? Gold und Silber? Leib und Leben? Mich
Verkauf' ich, und erkaufe dein Verlangen nur.
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77.
Weil wir, liebe Vettern, sind Geschwisterkind,
Wollen wir uns nicht zerreißen ungelind.
Sag mein Schlimmes nicht, so sag' ich deines nicht,
Weil wir einer schlimmer als der andre sind.
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78.
Soll mirs nicht geschehn, mit dir das Feld zu sehn,
Und zu sitzen, wo des Baches Fluten gehn?
Was ich wünsch', ist, daß du pflückest Ros' und Veil',
Und ich deiner Wangen Rosen in der Weil.
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79.
O glaube nicht, daß meinem Schwur ich lüge.
In deiner Liebe hab' ich mein Genüge,
Ich sehne mich wie sonst nach deiner Nähe,
Wie sonst leg' ich vom Eise deine Züge.
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80.
Der Freund, ihn hält in seiner Hut das Auge
Und nur in seinem Anblick ruht das Auge,
Um ihn zu sehn, dazu ist gut das Auge,
Wo ich ihn sehn nicht kann, was tut das Auge?
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81.
Wenn ich durchwacht der Nächte langen Raum,
Sink ich gen Morgen auf des Lagers Saum.
Ich denke wohl von Liebe fern den Schlummer
Zu finden, doch mein Denken ist ein Traum.
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82.
Lieber im Auge statt der Salb eine Nadel,
Lieber vom Blitz angezündet Speicher und Stadt,
Lieber der Franken Joch auf den Nacken gebunden
Als beim Liebchen den Feind gefunden.
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83.
Den Mond vom Himmel herabzupflücken,
Von Rom nach Damask die Kirche zu rücken,
Am Morgen das Abendgebet zu beschicken
Ist möglich, unmöglich ist dich zu bestricken.
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84.
Einst uns begegnen im Hain ich und du
Fern von der Stadt allein ich und du.
Weißt, wo wir ich und du wären wohl?
Wo wir nur wären zu zwein ich und du?
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85.
O hätt' ich nie gehangen nach dem Auge,
Nie würdest du zu Ungemach dem Auge.
Das Herz ist schuld, es war zu schwach dem Auge,
Ach Weh dem Herzen, Weh und Ach dem Auge!
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86.
Zwei, drei Tage hast du mich vergessen,
Keine Huld dem Diener zugemessen.
Meine Feinde, fürcht' ich, sehn den Schaden,
Daß ich bei dir nicht mehr steh' in Gnaden.
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87.
Die Götzen Sinas gegen dich sind Neger,
Wer wandelt stolz wie du mein Herzensjäger?
Ob du dich abkehrst und ob du dich sträubest,
Dir bleib' ich gut, wenn du mir böse bleibest.
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88.
Wenn einen Tag des Glücks mir schreibt des Schicksals Feder,
Verschreib ich dir zu Fuß den Kopf, o schlanke Zeder.
Staub dir zu Fuß zu sein, vergnügt bin ich damit,
Ich fürchte nur daß auf den Staub dein Fuß nicht tritt.
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89.
Ich sprach: abtun will ich das Blickespiel
Damit das Liebesunheil hab' ein Ziel.
Ich blick und sieh du bist, o Schönheitstrahl,
Das letzte schöner als das erstemal.
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90.
An jedem Tag mit neuen Huldgeberden,
Je mehr ich seh, seh ich dich schöner werden.
Zurückgegeben, doch ich fürchte, du
Nimmst mir des Kadis Herz dazu.
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91.
O könnten alle sehn dies Liebesbild,
Die Rede hören, die der Lipp' entquillt,
Daß sie im Herzen fühlten gleiches Sehen
Und nicht mehr lachten der Verliebten Tränen.
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92.
Nicht zu ergründen ist wie süß dein Mund ist,
Nur daß er mir so ferne noch zur Stund ist.
Ich darf mich in das Fürstenschloß nicht wagen,
Du magst bei Bettlern nicht dein Zelt aufschlagen.
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Aus: Scheich Saadi Bostan Diwan Gulistan
aus dem Persischen übertragen
von Friedrich Rückert
Herausgegeben von
Fredun Rainer Kirsch und Brigitte Denzer
Ehrenwirth Verlag München 1988
 


 

 


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