Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Naati, d.i. der Hymnensänger
 

Wo ist die Zeit, wo wir noch schwelgten in Freuden und Wonne?
Wo von Freunden zwey einer der wirkliche war?

Wo ich spät und früh abrieb die Stirne im Fußstaub?
Wo das Glück noch wach und mir noch günstig das Loos?

Ach, verweht ward die Zeit vom unerbittlichen Weltsturm,
Wo Naati noch Staub war an dem Fuße des Freund's!
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Herz und Seelenfaden gab ich
Für der Liebe Flamm' als Docht,
Lichte Zeugen, was für Liebe
Aufzuopfern ich vermocht!

Laß mich trockner Lippen nicht
In des Schmerzes Wüsteney,
Strömet dir mein Auge doch
Auf dem Weg der Lippen frey!

Traurig war ich als der Nil
Meiner Augen mächtig schwoll,
In Ägypten, wann der Nil steigt,
Ist doch alles freudenvoll,

Fliehe Menschen, nicht Peri!
Und dem Menschen reich' die Hand.
Von den Ahrimanen* hörst
Nimmer du, was spricht das Land;

Wenn einst Naati ist gestorben,
An geschminkter Augen Flucht,
Steh' als Maal auf seinem Grabe
Spießglassteines** schwere Wucht.

[* Ahrimann der Herr der Diwe, das Prinzip des Bösen]
** Sürme taschi, Antimonium, woraus
die Augenschminke bereitet wird.
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Naat heißen die in den Moscheen zu Ehren des Propheten abgesungenen Hymnen, und ein solcher Hymnensänger Naat Chuan; aus Constantinopel war der Diplomenschreiber und Secretär Kadri Efendi's, als dieser Oberstlandrichter Anatoli's war; noch begleitete er den Suleimanpascha, da er als Statthalter nach Ägypten ging (i. J. 1536), als Sekretär dahin, und hinterließ ein nahmhaftes Gedicht im Sylbenmaße Reml, betitelt: Ferruch u Gülruch, d.i. der Fröhliche und Rosenwangige.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 546)