Alewi
gest. i. J. 988 (1580)
Die Wange, Locke, Aug', der hohe Wuchs, o Freund,
Mir Rose, Hyacinth, Jasmin und Ceder scheint.
In meinen Händen Wind, in meinem Auge Fluth,
Auf meinem Kopfe Staub, in meinem Herzen Gluth,
Mich fesseln Haar und Stirn, die Wangen und der Flaum,
Durch Dunkelheit und Licht als Wahrheit und als Traum,
Sie brennen mir den Leib und braten mir das Herz,
Es stöhnet das Gemüth, die Seele seufzt vor Schmerz.
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Bild von den Lippen des Freundes wohnt tief in dem thränenden Auge,
Salomon's Siegel ist's, welches gefallen in's Meer.
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Des Angesichtes Glanz gibt Kraft dem Mond, der Sonne,
Dein Wort gibt den Geschmack dem Honig und dem Zucker,
Als Reisenden sandt' ich den Strom der Augen aus,
Daß Kund' er bring' von dir, fließt er von Haus zu Haus;
Vergleich' die Thränen kühn mit Silber und mit Gold,
Du weißt, die Schönen sind dem Gold und Silber hold.
Kann in dem Rosenhain der Schönheit Frucht gedeih'n,
Wenn Weise nicht zu dem Gespräch' sich stellen ein?
Und tränkt den Garten nicht der Frühlingsschauer lind,
So nützte wenig ihm der frische Morgenwind!
Willst du die Eigenschaft, Vollkommener, ergründen,
Mußt du das Prädicat von dem Subject verkünden*,
Sag', missest du mein Herz nach Klaftern Kummer aus?
Sprüht Böses Funken wohl bis an den Himmel aus?
Was ist's, wenn Alewi auch heut erzürnt den Freund,
Vielleicht, daß morgen ihm er freundlicher erscheint?
Gib acht, daß nicht dein Wort vegebens fall zu Boden;
Es schätzt die Welt nicht nach Verdienst des Liebes Odem.
* wörtlich: dem Subject wird die ganze Seele
als Prädicat beygelegt.
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Aus Costantinopel,
bekannt unter dem Nahmen Mohammed Dersisade, d.i. der Schneiderssohn.
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