Seidi Nesimi
Es fiel der Locken Schatten
Auf seiner Wangen Matten,
Gott! welch' ein Hyacinthenschatten,
Und welche Sonnenmatten!
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Mit Liebchen würde sich die Seele mischen,
Wenn nicht des Körpers Schleyer wär' dazwischen.
Der Schah, den weder Zeit noch Raum beenget,
Hat sein Gezelt in Wüsten aufgehänget.
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Wer ernstlich Eineswerdung sucht,
Muß And'res aus dem Sinn sich schlagen,
Muß in der Welt der Einheit nur
Auf Einen Odem Alles wagen,
Aus Farb' und Duft der Wahrheit dir,
Mußt Rosen gleich dein Zelt aufschlagen,
O Nesimi, verlier' nicht Zeit
Mit denen, die die Nachahmung wagen.*
* Mukallidi sirri hakk, d.i. der Nachahmer der
Geheimnisse Gottes
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Koran ist dein Gesicht, o Weltenlicht,
Gepriesen sey der Herr! Allah Ekber!
Die Brauen, Wimpern und das Haar so dicht,
Sie stellen die acht Thore Eden's vor,
Dein Haar ist dunkler Vers*, die Wange Sonnenlicht**,
Dein Wuchs ist Eden's Lebensbaum, der Mund Kewßer,
Die Schönheit ist der Welt Verklärungslicht,
Sie wird durch dich erleuchtet mehr und mehr,
Die Engel blendet deiner Schönheit Licht,
Was für ein Schacht bist du, was für ein Meer!
Es ist dein Leib das absolute Licht,
Und deine Wesenheit begreift sich schwer,
Es sammelt sich am Mund das Wasser dicht,
In das die Welt sich stürzet als ein Meer.
Aus deinem Thon erschuf der Heer das Licht,
Wie rein ist es! Gepriesen sey der Herr!
Es bethen an das Haar der Wangen Licht,
Der Mond, die Sonnen und der Sterne Heer.
Wer dich nicht kennt, dem sind nur ein Gedicht
Der Hochaltar, des Predigers Minber***,
Die Wahrheit durch den Mund Nesimi's spricht,
Die Wahrheit ist nur Gott, der Ew'ge, Er!
* E lem neschrih, der erste Vers der XCIV Sure
** Esch-schems, die Sonne, die XCI Sure
*** Die Rednerkanzel
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Seid Amameddin aus Nesim, einem Dorfe bey
Bagdad, gebürtig, erhielt von demselben seinen Beynahmen, ein mystischer
Scheich, welcher der Erste die kleinen türkischen Lieder in Schwung
brachte, welche, wenn sie an irdische Geliebte gerichtet sind, insgemein
Türki, d.i. die türkischen, wenn sie aber von göttlicher Liebe
eingegeben sind, Ilahi, d.i. die göttlichen, genennet werden. Er
bekannte sich als Mystiker anfangs zur Lehre des Scheich Schubla,
dann zu der Faslullah Hurufi's, welcher die zwey und dreyßig
Buchstaben des Alphabetes in den Gliedmaßen wiederfand, diese als
Symbole von jenen ansah, und auf diese Weise den Koran durch Sinengenuß
auslegte und commentirte. Der Verfasser des Buches: Die Lobreden auf
die zur Vollkommenheit Gelangenden, vertheidiget den Nesimi wider
die Beschuldigung, daß er dieser Secte der sinnlichen Buchstabirer
angehört, indem er nur unter Allegorien den Sinn der tiefsten göttlichen
Begeisterung verborgen habe. Indessen kostete ihm seine Lehre, daß sich
die von der Liebe Gottes durchdrungene Seele mit demselben wie Regen mit
dem Meere vermische, das Leben. Einige von den Versen, welche das
Todesurtheil des Mufti von Halebi begründeten, sind die folgenden:
Manßur* der sagte, ich sag', Gott sprach wahr,
Wiewohl derselbe fremder Bruder war.
Ungäubiger sah so Wang' als Haar,
Und sprach: Ich glaub' erst jetzt, fürwahr!
An Ihn, der schuf den Tag, die Nacht,
Und so die Wahrheit klar gemacht.
* Ali Manßur, Halladschi's Lehre, der sich selbst vergötterte, und
deßhalb unter den grausamsten Foltern hingerichtet ward.
O hätte doch, ruft der Geschichtsschreiber Aali aus, Nesimi diese
[obere] zum Lobe des Propheten gedichteten Verse vor dem Gerichte, das
ihn zum Tode verdammte, als Beweis seiner Reinheit und Unschuld
beygebracht. Er wurde verurtheilt, lebendig geschunden zu werden, und
das Urtheil vollstreckt. Der fanatische Mufti, welcher das Todesurtheil
gesprochen, und der Vollziehung desselben beywohnte, wickelte sich die
Hände ein, damit ihn ja kein Tropfen Blut anspritzte, weil, sagte er,
jedes von dem Blute solch eines Freygeistes bespritzte Glied nothwendig
abgeschnitten werden müßte. Trotz der Vorsicht des Mufti, ward sein
nicht genug eingewickelter Mittelfinger mit einem Bluttropfen seines
Schlachtopfers bespritzt, den er sich abzuwischen begnügte. Einer der
gegenwärtigen Ssofi sagte ihm: "Nach euerem Fetwa müßt ihr euch den
Finger abschneiden haben lassen". "Das war nur sinnbildlich gesprochen,"
sagte der Mufti, "nach dem Gesetze ist dieß nicht erforderlich." Der
unglückliche Nesimi hatte noch Geist und Kraft genug, mit
halbgeschundener Haut aus dem Stegreife den Vers herzusagen:
Einen Finger soll Strenggläub'ger geben,
Sieh, er kehrt das Wort um, das er spricht,
Schaut den Liebenden, den Armen,
Der geschunden, weinet nicht.
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