Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Fehim, d.i. der Verständige
gest. i. J. 1054 (1644)


Mich macht zu Staub die Sehnsucht nach dem Schönen,
Dem Quälenden, der Niemand's bedarf;
Dem Bettler thut es Noth, den Fuß zu küssen,
Indessen der Schah Niemand's bedarf.

Geschlossen ist der Blick, das Aug' voll Rauch,
Der Becher ist's nur, welcher genügt;
Wenn Herzgeheimnisse enthüllet werden,
Mitwissender dann Niemand's bedarf.

Es kennt der Freund des Herzens Zustand wohl,
Doch thut er, als ob nichts ihm bekannt;
Welch' sonderbar Gestirn, das zum Geheimniß
Liebkosung des Freund's, Niemand's bedarf.

Ist's Wunder nicht, wenn meines Freundes Blick
In zornigem Muth Aug' mir entreißt.
Durch Glück wird Eul' zu einem Königsgeyer,
Indessen der Falk' Niemand's bedarf.

Ich bin Fehim, des Wortes Zaub'rer,
Welchem Liebkosung sperret den Mund,
Wiewohl zu Wunderwerken in der Regel
Des Zauberers Kunst Niemand's bedarf.
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Seyn und Nichtseyn Ssofi
Zum Gedankenpfeile mache,
Und dich selbst zum Opfer
Von des Schönen Liebe mache,

Trinke reinen Wein aus
Eines Schenken Hand, der lache,
Und des Herzens Glas zum
Aufgangsort der Lichter mache;

Denkend an Rubin und
Flaum den Leib zum Staube mache,
Eine Leiter dir zur
Höh'ren Welt der Geister mache,

Daß Verklärungslichter
Fließen von dem Himmelsdache,
Deinen Gram zur Augen-
Schminke deiner Neider mache.
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Der Falke seines Aug's ist mit dem Herz vertraut,
Des Herzens Vogel nur verzweifelnd nach ihm schaut.
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Man sagt, daß auf dem Meer der Liebe
Im Liebesgrund erst sey Gestade;
Es stieß das Herz den Kahn der Liebe
Hinaus in dunkler Wogen Pfade.
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Wir klagen nicht, daß wir vom Grame was gesehen,
Sonst hätten wir ja von der Welt nie was gesehen;

Indem die Welt wir durch des Auges Glas gesehen,
So haben wir, beym Licht besehen, was gesehen?

Laß Mährchen seyn! und wollst der Brauen Bogen sehen,
So hast du von Rustem, wir meinen, was gesehen.
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Glaube nicht, es häng' am Seelenzwirn das Herz,
Denn es ist gebunden an das Haar das Herz.
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Der Strom der Augen fließt dem Fluß des Freundes nach,
Es neigt die Palme sich vielleicht zum Herzgemach.
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Macht deiner Wangen Schein die Welt zum Rosenhain,
So ist's kein Wunder:
Macht deiner Liebe Gluth die Himmel all' zum Herd
So ist's kein Wunder;

Es ringelt sich dein Haar wie Drach' in Kraus' auf Kraus'
Wie Schupp' auf Schuppe,
Wenn sich nach Zufluchtsort der Herzensfreund umsieht,
So ist's kein Wunder;

Aus Sehnsucht nach der Wangenkerze flammt der Leib
In tausend Funken,
Wenn er mit Knabenschmetterling dann schwanger geht,
So ist's kein Wunder;

Im Unglücksangesicht, da ich geworden bin
Zum Schmetterlinge,
Wenn mir beym Tag das Licht der Sonne feind,
So ist's kein Wunder;

Da auf dem Feld, wo Blick begegnet sich mit Blick,
Wir wacker kämpfen,
Wenn uns're Panzer von des Fiebers Hitze zittern,
So ist's kein Wunder;

So lang' den Pfeilwurf wir, den kühnen, staunen an
Der Augenbrauen,
Wenn unser Herz mit Fenstern ganz durchlöchert ist,
So ist's kein Wunder.

Da mit dem Himmel wir auf Leben oder Tod
Im Kampfe liegen,
Wenn das Besetz des Hemd's dann ganz zerrissen wird,
So ist's kein Wunder;*

Wir treten an den Weg in das Entbehrungsland
Geschlag'ner Seelen,
Wenn uns die Leitung abgeschnitten wird am Weg',
So ist's kein Wunder;**

Es brennet uns das Maal der Lieb' die Seele bald,
Und bald im Herzen,
Wenn wir in Rosen bald und bald in Tulpen wohnen,
So ist's kein Wunder;

Wir sind die Sonne, und es ist der Ocean
Des Freund's Verklärung,
Wenn Sonnenstaub von uns zu einer Sonne wird,
So ist's kein Wunder;

Die Sänger sind, Fehim, wir der Vergänglichkeit,
Auf dieser Erde;
Wenn uns'res Tones Lust in Zweifeln nur verhallt,
So ist's kein Wunder.

* Kein Wunder, wenn der Hemdkragen
der Geduld zerrissen wird, d.i. wenn uns
die Geduld ausgeht.
** Chisri tewfik ise rehsen ne adscheb,
wörtlich: wenn der Chisr der Leitung uns den Weg
abschneidet, was ist's ein Wunder?
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In schwarzen Herzensrauch getüncht ist Kiel des Morgens,
Wie käme sonst zu Stand der weiße Brief des Morgens?

Von meiner Seufzer Brand verbrannt' hat sich die Schwingen
Die Taube, welche bringt die frohe Post des Morgens.

Vom Blute meiner Großmuth, welches überwallt,
Wird rosenfarb' gesäumt das lichte Kleid des Morgens.

Natürlich wird der Kopf erhitzt durch Sonnenbrand,
Wenn jeden Morgen brennt der Flammenbund des Morgens.

O Weh! o Ach! Fehim! was seufzest du beständig,
In diesem engen Raum von ein Paar Morgen, Morgens?
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Glaub' nicht, gebunden sey an Seelenstaub das Herz,
Gebunden ewig ward an Seelenstrick das Herz.

Der Dichter Liebe nahm ein Blatt vom Loos-Diwan,
Dieß aus der Sammlung ausgeriss'ne Blatt ist's Herz;

Der Knospen gibt es viel, nur Einen Rosenduft,
So wird durch Einen Hauch belebet nur das Herz,

Das Kleid des Herzens ist's, aus Sonnenglanz gewoben,
Es tanzet wie der Mond als einz'ler Geist das Herz,

Das Herz ist Wesenheit, Zufälligkeit der Körper,
O Weisheit wunderbar! von ewig ist das Herz.

Was kümmert's uns, wenn wir, bald hoch und niedrig bald!
Dem Liebesschah ist Kron' und Polster bald das Herz;

Ich liebe rosigen Emir mit grünem Bund;
Dem Hause Mohammed's, Fehim! ist treu dein Herz.
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Undschisade Mustafa-Tschelebi, von Constantinopel. Verfasser eines vollständigen Diwans, den er schon mit achtzehn Jahren gesammelt.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Dritter Band (von der Regierung Sultan Murad's III.
bis zu Ende der Regierung Sultan Mohammed's IV. 1574 - 1687)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 372-377)