Rami
gest. i. J. 1119 (1707)
Fantom des Mundrubins ist in dem Aug' geblieben;
Der Rausch des Weingenusses ist im Kopf geblieben;
Nicht durch den Blick wird Hitze mir zum Kopf getrieben,
Von Liebe trunken, ist das Herz zurückgeblieben.
Es hat die Welt verschied'nen Secten sich verschrieben,
Doch Reinigkeit des Sinns ist in dem Wein geblieben;
Zu lösen dieß Geheimniß wird nichts aufgetrieben,
Ein Wort, das ohne Sinn, ist Großmuth heut geblieben;
Die Kronen, Rami, sind dem Wunsche fern geblieben,
Denn vieler Schahe Aug' ist schon verglas't geblieben.
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Der Flaum des Freund's gibt mir Vergnügen,
Das sich nicht sagt,
Dem Volk bleibt dunkel das Geheimniß,
Das sich nicht sagt;
Wenn du mich siehst, machst mich verstummen,
Die Liebe plagt,
Allein das, was du sprichst mit And'ren,
Wird nicht gesagt;
Nicht möglich ist's, den Wuchs zu schildern,
Der überragt.
Die Auferstehung! - doch vom Gange,
Wird Nichts gesagt,
Mit dir der Nebenbuhler heimlich
Zu sprechen wagt,
O weh! daß des Verliebten Nahmen
Dir Niemand sagt!
Vielleicht, daß einst mit dir zu reden
Der Tag noch tagt;
Zu stolz ist jetzo deine Wange,
Nichts wird gesagt,
Die Freunde wollen das Bekannte,
Was schon gesagt;
Hüth', Rami, dich im Lied vor dem,
Was nicht gesagt.
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Wessen Zelle hat erleuchtet deine Strahlensonne?
Wessen Feste hat beleuchtet deines Mondes Wonne?
Wem hast Fallen du geleget, durch das Haar zerrüttet?
Gibt es Ziele, die mir gleichen im Gemüth zerrüttet?
O Rustem der Wollust, wessen Rücken krümmst als Bogen?
Und wen haben deine Wimpern blutig ausgesogen?
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Wenn einen Augenblick das Mondgesicht mir ferne,
Vergleich' ich Finsternissen meines Auges Sterne;
Wenn meines Freundes Wangen frisch vom Schweiße triefen,
Fließt blut'ger Sehnsuchtsstrom mir aus des Auges Tiefen;
Im Gluthenhimmel flieg' als Vogel ich, als freyer,
Kein Wunder, wenn von meinen Schwingen fließet Feuer;
Wenn Einen Augenblick du wollest nur entsagen
Dem Becher, Schenk', um meinem Kopfweh nachzufragen;
Was ist's, wenn Rami allen zeiget sein Gedicht?
Er schämt sich auf dem Redemarkt der Perlen nicht.
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Es wohnt kein Sonnenstäubchen Groll im Busen, uns'ren,
Die Sonne muß beneiden diesen Spiegel, uns'ren,
O Aug', vergieß nicht Blut um den Kaftan des Amtes,
Befeuchte nicht den Saum des Wollenkleides, uns'ren.
Was ist es, wenn man sagt, wir seyen Schatzbesitzer,
Wenn von Eingebung es wogt im Busen, uns'ren?
Wir haben, Wirth, verzichtet auf den Trunk des Morgens,
Genießen jetzt des Rausches bloß im Traum, uns'ren.
Ey Rami! wird denn jener Jüngling nimmer fragen,
Wie geht es denn, wie geht's dem alten Diener, uns'ren?
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Es scheut sich, als Uneingeweihte* uns betrachtend,
Der Hirsch der Liebenden, gefährlich all' erachtend;
Wie kann der Mann von Herz wohl vom Erstaunen lassen,
Wenn ihn Ereignisse, den Saum zerreißend, fassen?
O Brauenbogen, weil dein Pfeil wird tief empfunden,
Erbittet sich mein Leib beständig neue Wunden;
Was Wunder, wenn die Gluth des Maals sich stets erhellt,
Da es den Lichtausfluß von deiner Wang' erhält?
* Für uneingeweiht in das Harem der Reinigkeit
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Ist Mohammed Ramipascha,
einer der größten Großwesire des osmanischen Reiches, und unter den
Großwesiren Dichtern der dritte, indem er als Prosaiker in die
Fußstapfen des gelehrten Großwesirs Lutfipascha, als Ghaselensänger in
die des unter Murad IV. dichtenden Großwesirs Hafispascha trat. Der Sohn
Hasanaga's, aus der Vorstadt Ejub zu Constantinopel, ward i. J. 1066
(1654) geboren, und trat in erster Jugend in die Kanzley des Reis Efendi
als Practicant ein; die Stelle des Secretärs für die Ausgaben des Serais;
dann das Amt eines Diwan Efendi, d.i. Kanzlers der Admiralität; weiter
als Säckelmeister des Reis Efendi, Beglikdschi d.i. Vicestaatskanzler.
Erster bevollmächtigte Minister beim Friedenschluß von Carlowitz; danach
Wesir der Kuppel und Großwesir.
Rami war ein trefflicher Stylist und Verfasser eines vollständigen
Diwans.
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