Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Rasim
gest. i. J. 1119 (1707)


O Rosenwangichter, wer schaut den Rosenflor?
Wer lös't die Knospen auf von deinem Schönheitsflor?
____________


Es fehlt dem Leib an Kraft, er nimmt kein Körnchen ein,
Doch treibt ihn Tag und Nacht des Weltenmühlrad's Stein;

Ob eines einz'gen Korns auf seiner Hoffnungsscheuer
Hat Herzensvogel sich gemacht sein Nest im Feuer.

Es hat der mag're Leib nicht Ruhe vor Gefahr,
Er ist gekrümmt und kraus wie des Geliebten Haar;

Am Herzensspiegel, den ein Stäubchen sonst getrübt,
Mit Steinwurf tausendfach das Loos Muthwillen übt;

Als Schatten ward getreten ich dem Fuß zum Staube,
Der Liebe Sonne schäm' ich mich nur vor dem Staube.
____________


Das Herz ist Perle in dem Meer der Klarheit,
Verborg'ner Schatz im Magazin der Wahrheit;

Es scheint zwar glatte Tafel nur zu seyn,
Doch steh'n viel Sprüche d'rauf und Phantasey'n;

Bald ist es voll von Lust und froh und rein,
Bald ist's ein Becher voll von Liebeswein.
____________


Ich kann vergessen nicht die Rosenau,
Die blüht, o Schönheitspalm', in deinem Gau!

Wie könnt' ich sie vergessen, es ist dort,
Wo ich zum Staub aus Sehnsucht ward, der Ort!

O du vom Angesicht, Peri gleich, klar,
Ich bin gebunden an dein krauses Haar!

Wie könnt' ich es vergessen, es ist dort,
Wo ich wie Kamm gespalten ward, der Ort.
____________


O hüthe dich, mit jeder Leila schön zu thun,
Denn dieses Thal führt zu dem Loose von Medschnun.
____________

 

Mohammed Efendi von Constantinopel, Muderris, dann Lehrer der Söhne Selimgirai's, endete seine Tage zu Tschataldsche in der Nähe Constantinopel's. Verfasser eines vollständigen Diwans.

 

 

zurück

Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 31)