Hamdi, d.i. der Lobbegabte
gest. i. J. 909 (1513)
Aus Jusuf und Suleicha:
Die Liebe ist der Seele König,
Wer wehrt den Eintritt ihm ins Reich?
Der harte Fels zerspräng' aus Sehnsucht
In tausend Stück' bey Jusuf's Anblick.
Wirst du der Liebe angeschuldigt,
Bist du durch sein Gesicht entschuldigt.
Gibt's wohl auf Erden freye Seelen,
Die er nicht in Verwirrung brächte?
Dich kann darob kein Tadel treffen,
Du hattest freye Willkühr nicht.
Mit tausend Augen hat die Welt
Solch eine Sonne nicht erspäht,
Mit tausend Augen blickt der Himmel,
Ihn anzuschau'n, aus Sternen nieder,
Es wäre Grausamkeit, fürwahr!
Wenn du beständig ihn nicht schautest.
Wenn seine Lippe Zucker schmeckt,
Sind die Chosroen ihm Ferhade.
Hin ist die Kraft, seitdem wir ihn
Geseh'n, versteh'n wir deinen Schmerz,
Kommt mit, wir wollen ihm nun rathen,
Und seinen Gaul mit Rath bezügeln,
Die Huld beleuchte sein gemüth,
Sein steinern Herz erweicht für dich.
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Beschreibung des Zustandes Suleicha's,
als sie im Traume Jusuf's Schönheit sah.
In einer Nacht, wo Phantasie
Auf Herzenstafel Bilder grub,
Und wo Suleicha's Narcissen
Ganz trunken von dem Trunk des Schlaf's,
Das Hyacinthenhaar verworren
Als seid'ner Polster unterlag,
Als rosenfarb und moschusduftend
Sie lag im Bett als Rosenbeet,
Bestieg die Phantasie den Gaul,
Und flog von ihrem Polster auf,
Sie jagte Hirsche, die verborg'nen,
Erging in stillem Garten sich,
Da hüpfte Kanaan's Gazelle,
Als Seelenjäger vor ihr auf.
Ein schöner Jüngling, dessen Augen
Inmitten Schlaf's ein wachend Herz,
Vom Wein des Anblick's war sie trunken,
Die Seele tanzt im Busen ihr.
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Der jüngste der sieben Söhne des großen
Scheichs Ak Schemseddin, des Waffengefährten Mohammed's II. bey der
Eroberung Constantinopels.
Er war der Benjamin seines Vaters, welcher in ihm noch als Knaben
den künftigen großen Dichter prophezeyte; als solcher bewährte er sich
durch Ghasele und Mesnewi, vorzüglich als der Sänger Leila's und
Medschnun's, dreyer mystischer Gedichte: der geistigen Geburt,
der leiblichen Geburt, des Geschenkes für Liebende, des
Vertrauten des Liebenden, des Ahmedije zum Lobe des Propheten
und einer Physiognomik, vorzüglich aber Jusuf's und Suleicha's,
welches eine mit Zusätzen vermehrte Übersetzung des berühmten Gedichtes
dieses Nahmens von Dschami.
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