Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Aaßim
gest. i. J. 1179 (1766)


Herzem, welches Liebesschmerz des Freund's durchdringt,
Plato's Rath und That doch nimmer Nutzen bringt;

Herzem, das sehnsüchtig schaut Cypressen an,
Wird der Turteltaube Halsband angethan;

Dem Getrennten nützt Phantom des Freundes nicht,
Denn es heilt Vergifteten nicht Milchgericht;

Jenem Schah genügt's, die Augen aufzuschlagen,
Er bedarf nicht Pfeils, sich Freunde zu erjagen;

Aaßim's Herzensbau durch hartes Wort zerschlagen,
Wird durch Wort des Trost's empor von neuem ragen.
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Im Herzen hab' ich Liebesmaal versteckt gefunden,
In der Ruine hab' ich einen Schatz gefunden;

Ich bin die Nachtigall, die auf der Welt, der runden,
Nicht Korn, nicht Wasser und nicht eignes Nest gefunden;

Die Welt träuft keinen Balsam in die Schmerzenswunden,
Im Freunde hab' ich Feind, nicht Sicherheit gefunden.

O weh! daß in der Welt die Wahrheit nicht will munden,
Nicht Lenz des Lebens hab' ich durch den Herbst gefunden;

Als ich das Glas erblickte, war mein Blut entbunden,
Den Dolmetsch, der mich faßte, hab' ich nicht gefunden;

In allen Meeren, Aaßim, und in allen Sunden
Hab' ich den Reiz der trüben Hefe nicht gefunden.
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Ismail, der Sohn des nach der Schlacht von Zenta abgesetzten Reis Efendi Kutschuk-Tschelebi, und daher insgemein unter dem Nahmen Tschelebisade bekannt, 1118 (1706) Mulasim des Mufti Feisulah Efendi und Eidam des Mufti Ismail; an mehreren Medresen angestellt. Dann 1152 (1739) Richter von Medina, später von Constantinopel. 1172 (1758) Scheich des Islams, welche höchste Würde des Gesetzes er bis zu seinem Tode bekleidete.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 197-198)