Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Wehbi


Der Mundrubin, den Er
* an's Glas des Weines legt,
Ist Knosp', unaufgeblüht ins Wasserglas gelegt;

Es mischt durch Zauberey das Feuer und das Wasser
Der Schenke, der zum Wein krystall'ne Flammen legt;

Wenn mit dem Wimperndolch hinausstürzt jener Blick,
Aus Furcht vor Unruh' Mars in Scheide seinen legt;

O Sonne, streite mit dem Freund um Schönheit nicht,
Weil er den Schleyer lüftend in den Scart dich legt.
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Die Müh', den Sinn in Wort so hell, wie Tag zu fassen,
Den Geist nicht selten auf das Rad der Folter legt;

Die Herrschaft gibt dem Menschen neues frisches Leben,
Das Glück dem Greis die schöne Jugendzeit zuletzt;

Wer sich bemüht, wie Wehbi, gleiches Lied zu dichten,
Mit vieler Angst die Stirn' in tausend Falten legt.

* Dilruba, der Herzensräuber
** Hidschabe kor, in die Scham legt
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Die Cypress', die hohe, ey! was wähnt sie?
Ob sie jener Palme gleiche, wähnt sie;

An des Aug's Pupille, ey was denkt sie?
Als Ghasel umher zu schweifen, wähnt sie;

Gram sey Spiegel für verliebte Köpfe,
Wähnt die Menge, Spiel für Liebe, wähnt sie.

Schönheitsgötzen steh'n vor Ihr entseelet;
Diese sey ein Götzentempel, wähnt sie.

Über mein Geweine lacht die Schelminn,
Wenn ich weine, sey ich trunken, wähnt sie.

Ihr Phantom sitzt fest in meinem Auge;
Meine Wimpern seyen Reisig, wähnt sie.

Selbst Bekannte blickt sie an so fremd,
Daß es wirklich Fremde seyen, wähnt sie.

Unruh' zu erwecken, schläft ihr Auge,
Unrecht sey nur Liebeszauber, wähnt sie.

Wer die Neige hört von Wehbi's Reinem,
Wohlgekrauste Locken seyn es, wähnt sie.
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Lippenflaum hat voll Verlangen
Den Rubin des Mund's umwunden,
Der Koran von deinen Wangen
Ist in finst'res Haar gebunden;

Schmuck und Schminke sind verloren
Für die Denkenden der Sphären,
Schönheit, welche angeboren,
Kann der Schminke wohl entbehren;

Blumenflor magst du ausgießen,
Lächelnd schäkernd wie die Almen,
Ich verlang' nicht, zu genießen
Deiner Reize frische Palmen;

Eine Zeitlang war ich trunken
Vom Genusse meiner Lieben,
Nun ist das Phantom versunken,
Kopfweh ist zurückgeblieben;

Wehbi's Nahmen, den ihr kennet,
Wiederhallten alle Wände,
Jedem Laut ist Weg verrücket,
Wenn Erstaunen schlägt die Hände.
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Verwundet ist mein Fuß vom Dorn der Trennung,
Und müde bleib mein Herz im Pfad der Trennung;

Das Rosenbeet der Welt ward für mein Haupt zu enge,
Durch's Dorngesträuch, womit mich streift die Pein der Trennung;

Seit Adam ward getrennt von Paradieses Flur,
Ward krumm des Lebens Baum bald von der Last der Trennung;

Kurz, wie das süße Glück war des Genusses Tag,
Und länger wie dein Haar ist nun die Nacht der Trennung;

Rubin des Herzens ist als Kohle ausgebrannt,
O Wehbi, welche Gluth! o welche Gluth der Trennung!
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O Brust, hast keine Feuerflecken,
Keine kleine?
Sind auf der Flur nicht Rosenhecken,
Keine feine?

Wenn von dem Auge strahlt die Schminke,
Reine, feine,
Ist's nicht zu wundern, o Gebieth'rinn,
Meine kleine?

Setz' nicht Begierde in den Kopf
Durch Locken feine?
Und ängst'ge Nebenbuhler nicht
Durch Künste feine?

Hast du dein Herz nicht dargebracht
Dem Schönheitsschreine?
Hast in Bereitschaft Nichts
Für ihn, den ich hier meine?

O gehe doch vor uns
Zum Nebenbuhlerraine,
Wenn dir o Schwert des Freund's
Im Herz der Raum zu kleine.

O Wehbi, wer schaut wohl
Nach der Pleiaden Scheine,
Wenn er den Knoten schaut
Der Liebesperlen deine?
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Sein Nahme Hasan und seine Familie Huseinschah aus Constantinopel; Mulasim des Vorstehers der Emire, Chodschadsade Es-seid Osman Efendi's, erhielt 1123 (1711) die erste Medrese. Wehbi ist Verfasser eines vollständigen Diwans.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 340; 344-345)