Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Die Sultaninn Heibetillah


Hastig trank ich Gift hinein,
Mich langweilt die Seele mein,
Mich verbrennt des Lebens Pein,
Mich langweilt die Seele mein.

Wie lacht' ich im Weltenhain,
Nie sah ich der Treue Schein,
Nie sah ich dergleichen Pein,
Mich langweilt die Seele mein.

Schicksal will's, so soll es seyn,
Keinem geht mein Flehen ein;
Kann die Welt mir nöthig seyn,
Mich langweilt die Seele mein.

Fremde lad' zum Leben ein,
Mir kann es gleichgültig seyn;
Mir kann nicht die Welt gedeih'n,
Mich langweilt die Seele mein.

Niemahls sah ich Treue rein,
Freunde trinken Freudenwein,
Und vergebens leid' ich Pein,
Mich langweilt die Seele mein.
 

Sultan Mahmud's Schwester verdient um so mehr hier aufgeführt zu werden, als Dichterinnen unter den Türken eine höchst seltene Erscheinung, und die Geschichte der osmanischen Poesie in dem Zeitraume von drey Jahrhunderten, deren nur sehr wenige aufzuweisen hat. Sie dichtete dieses Lied in der Scharki, d.i. östlichen oder saracenischen genannten Volksweisen, als sie im Kerker, und bey der Thronrevolution ihr Leben in Gefahr stand. Die Reimfolge des Originals ist in der Übersetzung beybehalten.
 

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Vierter Band (von der Regierung Suleiman's II. bis auf unsere Zeit 1687 - 1838)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 574)