Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Rewani, d.i. der Fließende
gest. i. J. 930 (1524)
 

Jetzt, wo Wald und Flur vor mir bedecket mit Schnee liegt,
Scheint mir's Zuckerwerk für Papageyen gestreut.

Auf dem Wege der Liebe, o Herz, verlerne zu seufzen,
An gefährlichem Ort geh'n Karawanen nur still.

Als Rosenfläschchen ständen nicht die Tropfen Thau,
Wär' Ros' nicht Wohldufthändler auf der Au.

Die Lilienkelche sind die Ambrakerzen,
Als goldne Leuchter steh'n Narcissen da.

O Neumond, zürne nicht mit meines Freundes Brauen,
Wenn er sich Nägel schneidet, ist Neumond zu schauen.
*

Als Rosenkranz sollst du den süßen Freund umarmen,
Planeten bethen dann mit ausgestreckten Armen.

Wie kann der Freund mich mit Wachholderbaum vergleichen,
Hab' ich den Rosenzweig auf Haiden denn gefunden?

* Die abgeschnittenen Nägel sind so viele Neumonde.
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Hat seinen Nahmen, weil er zu Adrianopel am Ufer der Tundscha wohnend, in einem schönen Garten immer mit Entzücken dem fließenden Wasser zusah. Sein eigentlicher Nahme war Elias, der Tapfere. Rewani war ein höchst lebenslustiger Genußmensch, starken Körperbaues und dem Trunke sehr ergeben. Alle seine Gedichte athmen Wein und Genuß. Seinen unvergänglichen Ruhm begründet sein Buch der Wollust, welches die Hauptwerkzeuge des Vergnügens sinnlichen Genusses, das Glas, die Flasche, die Kerze, die Vergnügungen des Frühlings, Sommers und Winters in lebendigen Bildern beschreibt; da er sich minder mit Liebe als mit Trunk abgibt, ist der Titel des Buches der Wollust meistens von dem Trinkgelage zu verstehen.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 191)