Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Ahmedpascha
gest. i. J. 981 (1496)
 

Seinen Geist gibt auf
Wer vom Mundrubine Küsse will,
Seine Kopf gibt hin
Wer von dunklen Locken Wohlduft will,

Sehnsucht hört nicht auf,
Bis geschaut nicht wird des Freundes Gau,
Nie zufrieden ist
Wer die Paradiese schauen will.

Zarter Wangenflaum
Sprosset um des Mundes Zucker auf,
Dornen findet der,
Der Genuß von frischen Rosen will,

Willst du den Genuß,
Senke dich ins Meer der Liebe tief,
Sey vertraut dem Meer
Wer nach Königsperlen tauchen will,

Wenn der Schöne schimpft
Auf Ahmed's Gebrechen, macht es nichts,
Ohne Freunde bleibt
Wer nur tadellose Freunde will.
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Also strahlen deine Wangen jede Nacht,
Daß sich Sonn' und Mond verbergen jede Nacht,
Tausendfachen Gram mir der Gedanke macht,
Daß die Lock' am Busen lieget jede Nacht,
Wißt ihr, was auf einem Fuß die Kerze lacht,
Von Ahmed's Begeist'rung spricht sie jede Nacht,
Heil dem Feste, dessen Wohlgeruches Macht
In dem Maal das Hirn durchduftet jede Nacht.*

* wörtlich: Die Seele macht das Bild der Locken
des Geliebten zum Rauchwerk jede Nacht.
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Wenn ich deiner Lippen denke,
Mir vom Munde Zuckerbäche fließen,
Wenn ich deiner Zähne denke,
Mir vom Auge frische Perlen fließen,

Wer gedenket der Rubinen
Deines Mundes sich mit Blut genährt,
Darf nur treten auf die Erde,
Und es werden gleich Rubinen fließen,

Wer den Silberleib gesehen,
Als Cypresse, nackt, beraubt der Kleider,
Hat geglaubt, es sehe glänzend
Vollen Mond hervor aus Wolken fließen,

Ahmed, ist's ein Wunder dann,
Wenn das Paradies dir lieget ferne,
Durch Unkunde siehet man
Viele Dinge aus den Händen fließen.
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Des Freundes Flaum ist Tod den Liebentbrannten,
Sie seufzen Ach! der Tod verkehrt's in Ha!
Sie wähnen, daß der Liebe Bahnen enden,
Sie enden nicht, der Anfang ist im Tode da.
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Ich sagte, wenn ich deine Lippen küßte,
Geliebter, was es dir wohl schaden müßte?
Er sagte, wenn du meine Lippen küßtest,
Befiele nach Umarmung dich Gelüste.
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Was ist's, wenn deiner Wangen Pfeil durch's Herz mir geht,
Da in zerbroch'nem Glas das Wasser nimmer steht.
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Der Wangen Sehnsucht hat des Auges Glas gefüllt,
Gleich einem Rosenblatt, das auf dem Wasser schwillt.
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Deiner Zähne lichte Perlen in Rubin gefaßt,
Zieh'n aus meinem Auge Perlen und Rubinenlast.
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Stürze schwachen Leib
Nicht in blut'ges Thränenmeer,
Fädle nicht Rubine
An so dünnen Faden an.
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Des Bartes Flaum sind Pharaonis Heere,
Ertränket in der Wangen rothem Meere.
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Leg', o Arzt! nicht Pflaster auf
Wider deiner Wimpernpfeile Schmerzen,
Denn es steckt der Wimpern Pfeil
Leider noch zu tief im wunden Herzen.
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Ist die Locke heut' aus dem Gesicht,
Nimmt es mich doch wahrlich Wunder nicht,
Denn die Überlief'rung spricht:
Nacht wird es in Eden nicht,
Ohne Maal soll dein Gesicht auch bleiben,
Ohne Puncte weißt du schön zu schreiben.
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Wenn ich dein Gesicht nicht sehe,
Rafft mich so der Kummer hin,
Daß zu Grund aus Gram ich gehe,
Weil ich nicht gestorben bin.
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Wenn im Genuß die süße Thräne nicht mehr fließt,
Was hat es denn zu sagen?
Es lehren heil'ge Sagen,
Daß in der heil'gen Nacht* sich Wasser nicht ergießt.

* In der Nacht Kadr, wo der Koran vom Himmel kam,
standen die Wasser still.
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Welch' eine Lockenkraus', welch' Gram und welcher Bund,
Daß, wer es sieht, den Rath verschmäht, irr' wird im Wandel,
Welch' Aug', welch' Haar, welch' Angesicht und welch' ein Mund,
Narcisse, Hyacinth' und Ros' und Zuckerkandel.

Ist Wimper dieß? ist es ein Dolch? ist es ein Pfeil?
Ist dieses Haar? Ist's Fangstrick, Ambra oder Panzer?
Leb' du! der Rose Leben wird dem Wind zu Theil,
Cypresse dienet deinem Wuchs von Seele ganzer,

Wo ist die Seele, die von dir, o Herz, getrennt,
Gestorben wäre nicht zuletzt am kranken Herzen,
Wo ist ein Herz von deiner Sehnsucht nicht gebrennt?
Und welches frey geblieben wäre deiner Schmerzen,

Es soll, so lange währen mögen noch die Zeiten,
Der Untergang Vollkommenheiten ferne bleiben,
Und deiner Schönheit soll Verderben nicht bereiten,
So lang die Sphären sich herum im Kreise treiben.
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Der Sohn Wellieddin's, des Heeresrichters Sultan Murad's II., war eine Zeitlang der Lehrer Sultan Mohammed's, seiner ausgezeichnetetn Talente willen, vom demselben mit der Wesirwürde beehrt. Doch verscherzte er des Sultans Gnade durch seine Liebschaft mit einem Pagen Günstling. Mohammed begnügte sich aber statt der Todesstrafe, den verliebten Wesir, seinen Nebenbuhler, abzusetzen, ihm den Knaben zu schenken und ihn als Verwalter der frommen Stiftungen an der Moschee Murad's nach Brusa zu verbannen.
Unter Mohammed's Nachfolger, Bajesid, wurde er zum Statthalter von Brusa befördert, als welcher er i. J. 981 (1496) starb. Die Beschuldigung, daß er einzig den Knaben ergeben, wird durch die Thatsache seiner Ehe mit der Sclavinn Papagey widerlegt, welche ihm Mohammed II., und dazu die Einkünfte des Bäckerdorfes (Etmekdschi) bey Adrianopel geschenkt; er hatte eine Tochter, die über siebenjährig starb und nach deren Tode er von den Weibern weiter nichts wissen wollte.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 201-204)