Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Saadi


Wie wär' es denn, wenn in der Welt das Herz nicht wäre?
Wenn selbes nicht empfindlich für die Schönheit wäre?
Was wüßte von der Liebe denn Ferhad, Medschnun,
Der würde im Gebirg und der in Wüsten ruh'n.

 

Der Bruder Tadschisade Dschaafer-Tschelebi's, der zur Zeit Selim's I. als einer der Achter an der Moschee Mohammed's II. starb. Als sein Bruder Dschaafer hingerichtet ward, fürchtete Saadi für seinen eigenen Kopf, und versteckte sich zu Constantinopel. Der Sultan, welcher schon mehr als einmahl seine Reue über die vorschnelle Hinrichtung des Bruders ausgedrückt, gab dieselbe abermahl zu erkennen, als es sich um ein an den Sultan Ägyptens auszufertigendes Staatsschreiben handelte. Die nächsten Umgebungen des Sultans bemerkten, daß nur Saadi solchem Aufsatze gewachsen sey, und der Sultan befahl, ihn zu holen. Saadi, der das Todesurtheil erwartet hatte, erhielt den Auftrag, das Schreiben zu verfassen, und verfaßte dasselbe noch in der Nacht zu solcher Zufriedenheit des Sultans, daß derselbe seiner Muderrisstelle täglich dreyßig Aspern zulegte und ihm einen Pelz aus Wollenzeug (Ssuf), mit Zobel ausgeschmückt, schenkte.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 241)