Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Thariki, d.i. der Pfadhafte
 

Frühling ist wieder gekommen,
Laßt uns im Essen und Trinken nicht säumen,
Grün ist die Erde geworden,
Höret die Fluth, die lebendige, schäumen,

Kommt, o kommt in den Garten,
Wo sich gelagert der Herrscher der Welt;
Sehet, er hat sich die Rosen
Über die Fluren gespannet als Zelt;

Sieh, wie mit goldenem Glase
Jetzt die Narcisse auf Fluren erscheint;
Glaube nicht, daß ich als Geiz'ger
Silbernen, goldenen Pfennig beweint,

Schmerz um den Rosenwangichten
Füllet die Brust mir mit Peinen und Qualen.
Überall die Tulpen stehen
Jetzo gedränget, mit Maalen auf Maalen,

Wer vor Sehnsucht nicht verschmachtet,
Kennt nicht die Leiden des Auges, die brennen,
Können wohl der Kranken Zustand,
Können denselben Gesunde wohl kennen?

Sieh, den Standort hat Sonne
Sich in dem Hause des Herzens erwählet,
Und als Sterne hat selbe
Brennende Maale des Busens gezählet,

Vom Rubine deiner Lippen
Tränkte Thariki die siechenden Herzen,
Wenn gleich bey des Grames Feste
Kerzen zerflossen in Thränen aus Schmerzen.

 

Aus Aidin, starb zu Ende der Regierung Bajesid's II.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 266-267)