Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Likaji, d.i. der Formhafte
 

Die Erinn'rung deiner Wimpern, deiner Brauen,
Ist im Busen als Geheimniß aufbewahrt,
In der Hoffnung, daß er deine Hand dürft' küssen,
Küßt aus Artigkeit der Falke sich den Fuß.
Wir sind Falken, die sich nicht auf Ästen setzen,
Sondern auf Sultanenhände, die uns schätzen.
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Deiner Schönheit Buch ist offen,
Blatt für Blatt,
Morgenwind liest d'raus die Strophen,
Blatt für Blatt,

Als zum Brautfest er gekommen,
In die Stadt,
Hat er Silber ausgeworfen,
Blatt für Blatt,

Mache meinen Busen dir zur
Liegerstatt,
Irre nicht, o Hirschenaug', von
Stadt zu Stadt,

Weil von deinen Tulpenlippen
Herz nichts hat,
Trinkt es Herzensblut in Schüsseln,
Matt und matt,

Ehe noch gebauet worden
Liebesstadt,
Führten Wege zu der Liebe,
Pfad auf Pfad,

Als ein Bissen für dein Auge,
Voll Verrath,
Wird mein Herz auf Gluth gebraten,
That auf That,

Mit der Hand woll't ich berühren
Stirnennaht,
Wimpern starrten mir entgegen,
Saat auf Saat,

Ich bin Sclave eines Schahes,
In der That,
Welchem Engel als Trabante
naht und naht,

Wenn den Glücksgaul Er besteiget
Ohne Rath,
Sollen tausend Oste blasen,
Glatt auf glatt,

Deine Locke, deine Wimper
Sinnt Verrath,
Um zu morden, wie es komme,
That auf That,

Wenn du gnädig blickst auf dieses
Verseblatt,
Wird Likaji's Herz zerblättern
Blatt auf Blatt.

 

Ein Zeitgenosse Ssafaji's.

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Erster Band
von der Regierung Sultan Osman's I. bis zu der Sultan Suleiman's
1300 - 1521
Pesth, 1836
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 295-296)