Mesihi, d.i. Messiashafte
gest. i. J. 918 (1512)
Horcht dem Gang der Nachtigallen,
Schaut den Frühling niederwallen!
Auf den Fluren rund umher
Bauet er sich Rosenhütten;
Mandeln streuen Silberblüthen
Auf dem Wege vor ihm her.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Schaut im Garten, schaut im Felde,
Seine vielgefärbten Zelte
In den Blumen aufgestellt!
Uns nur heut ein Lustgelage!
Denn wer weiß vom künft'gen Tage,
Ob des Lebens Loos ihm fällt.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Rosen funkeln in den Beeten
Mit dem Nimbus des Propheten*,
Und in seiner Herrlichkeit.
Hyacinth' und Tulpen glänzen
Mit der Heil'gen Strahlenkränzen;
Freude, Freude herrschet heut.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Seht der Liljen Degenspitzen
Feucht vom Morgenthaue blitzen,
Dessen Tropfen kostbarlich
Aus dem Äther niederfließen.
Freunde, wollet ihr genießen,
O so höret, höret mich:
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Was sind Rosen? - Sie sind Mädchen,
Sehet, wie vom Ohr an Fädchen
Silberthau in Perlen hängt.
Werden Rosen ewig glühen?
Nicht, wie Mädchen, schnell verblühen?
Nicht durch jüngere verdrängt?
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Tulpen, Rosen, Anemonen,
Die sich jetzt frohlächelnd sonnen,
Jetzt in Regenthränen steh'n,
Lehren alle zur Genüge,
Wie die Freude schnell verfliege,
Trübe Stunden schnell entsteh'n.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Jene Tage sind verflossen,
Wo der Rosen Kelch verschlossen,
Und das Gras verkranket lag;
Nur die Zeit ist, wo die Höhen
Sich mit Blumen übersäen,
Die kein Pinsel mahlen mag.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Bey dem Morgensonnenscheine
Fallen köstliche Gesteine
In dem Regen auf das Land,
Und des Zephyrs sanftes Wehen
Scheint mit Moschus sich zu blähen,
Aber schnell verfliegt der Tand.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Moschusbalsam, Rosendüfte
Haben rund umher die Lüfte
So mit Wohlgeruch erfüllt,
Daß der Thau jetzt aus dem Äther,
Wie durch weiße Rosenblätter,
Schon als Rosenwasser quillt.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Stürme herrschten als Tyrannen;
Um nach Recht sie zu verbannen,
Hält der Welten Herr Gericht.
Alle Kelche wird er füllen,
Aller Durst'gen Gierde stillen,
Wie es jeder sich verspricht.
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!
Mesihi! als ew'ge Kunde
Lebt dein Lied in jedem Munde,
Wird der Schönen Lieblingsschall.
Auf den weichsten Rosenwangen
Darfst du liebekosend hangen,
Bist ja eine Nachtigall!
Genießet, genießet was Liebe beut,
Sie fliehet, sie fliehet, die Rosenzeit!**
* Anspielung auf die weißen Mützen der Janitscharen.
** Eines der schönsten Gedichte Mesihi's
hat S. W. Jones aus der Blüthenlese Kassade's
in seinem Werke über die asiatische Poesie
lateinisch übersetzt und schon vor vierzig Jahren
ist dasselbe in Wieland's deutschem Merkur
in dieser obigen Übersetzung erschienen.
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Willst du des ew'gen Licht's Verklärung seh'n,
Mußt du dem Freunde gegenübersteh'n.
Mit Liebeswein bin ich so sehr berauscht,
Daß dem Posaunenstoß mein Ohr nicht lauscht.
So oft mein Herz den Rosenkranz sagt her,
Verweilt es beym: O Allgeduldiger!
Ich führte auf mein Grab des Grames Bild,
Als Ameise, die ein im Staub sich wühlt.
Dieß ist Mesihi's Auferstehungswort,
Es lebt als das des Herren Jesus fort.
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Weil in's Meer des Tintenfasses Feder tauchet,
Ist der Brief mit Perlenlasten voll gestauchet,
Wenn du, Liebster, mir die Antwort schreibst, so setze
An die Stirne meinen Vers, als Perlbesetze.
"Mond, wie willst du seinen Wangen ähnlich seyn?"
Stürmen Sterne nächtlich auf den Mond herein?
Nur dein Auge hält den Wimpernpfeil gerade,
Folget als Ungläub'ger auch des Islams Pfade,
Weil, Mesihi, du die Silbergötzen ehrest,
Scheint es faßt, als ob du Götzendiener wärest.
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Glanz auf Glanz sind deine Wangen,
Jeder Glanz ist eine Sonne,
Lock' auf Lock' sind deine Haare,
Jede Locke reicht gekraust,
Über diesen Glanz auf Glanz
Schwitzt aus Scham den Thau die Sonne,
Über diese Lock' auf Locke
Ängstigen sich Hyacinthen.
Korn auf Korn ist dein Rubin,
Jedes Korn ist voll Juwelen,
Ring auf Ring ist deine Locke,
Jeder Ring getaucht in Moschus,
Über dieses Korn auf Korn
Sind Rubinen durstig worden,
Über diesen Ring auf Ring
Ist die Wolk' verliebt geworden,
Gram auf Gram sind deine Leiden,
Jedes Leiden heilet Schmerzen,
Mähr' auf Mähr' sind deine Sagen,
Jede Mähre hundert Bücher,
Über diesen Gram auf Gram
Ward Medschnun zur bloßen Fabel,
Über diese Mähr' auf Mähre
Denket Leila's man nicht weiter,
Wort auf Wort ist deine Süße,
Jedes Wort sind hundert Schmerzen,
Blick auf Blick sind deine Stacheln,
Jeder Blick sind hundert Leiden,
Über dieses Wort auf Wort
Geht Mesihi's Wort zu Grunde,
Über diesen Blick auf Blick,
Jung' und Alte in die Runde.
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Mein Kopf ist in dem Land des Grams der Berg der Leiden,
Zwey Thränenquellen springen aus den Augen beyden,
Der Flaum ist dunkle Wand, das Kinn ein runder Ballen,
Dein Angesicht ein Schloß, vor dem die Feinde fallen;
Wer band den Gurt der Liebe dir wohl um die Lenden,
Ein Schönheitsgötze konnte dir denselben senden,
Seitdem die Vögel auf dem Kopf Medschnun's genistet,
Ist in der Welt verliebte Narrheit eingenistet.
O Mesihi! wirf alle Dichter in das Feuer,
Denn keines Verse athmen duftiger und freyer.
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Seine Hand thut auf der Ast,
Deines schönen Ganges wegen,
Ringeltauben singen Chor,
Des anmuth'gen Schwankens wegen,
Meine Augen sind zwey Quellen,
So genährt der Thränen Regen,
Sie verströmen helle Perlen,
Bloß der Mundrubine wegen,
Steigt die Seele nur zur Kehle,
O so greife nach dem Degen,
Gib mir Wasser, ich beschwöre
Dich ob deiner Seele wegen,
Stärke deiner Wangen Glauben,
Der ungläub'gen Locken wegen,
Daß sie selbe nicht bedecken,
Bitt' ich deines Glaubens wegen.
Mesihi will sich in's Grab,
In des Kinnes Grübchen legen,
Denn gegraben ward der Brunn,
Deiner Grausamkeiten wegen.
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Aus Piristina, in der
Nähe Uskub's, ein durch seine Eigentümlichkeit ausgezeichneter
trefflicher Dichter, welcher seinen Beynahmen verdient, indem er durch
seine Wunderhand die erstorbene Poesie neu belebte; er war der
Diwansecretär des Großwesirs Aali des Beschnittenen, der ihm ein Lehen
verlieh, von dem er lebte.
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