Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Omri (Omrewi), d.i. der Lebenshafte oder Omerische
gest. i. J. 930 (1523)
 

Küß' die Locken, welche wallen,
Denn sie sind der Kaaba Schleyer,
Küß' die Ambramaale freyer,
Denn sie sind nur Bethkorallen.

Reibe dein Gesicht an seinem,
Denn es ist der Vers des Lichtes
*,
Küß' die Flaumen des Gesichtes,
Denn ein Wunder sind die Reinen.

An der Schwelle will ich weinen,
Kibla ist sie meinem Geiste,
Und wie Pilger, die gereist,
Will als Mann ich wandernd ziehen.

* Der Lichtvers der XXXVI der 24. Sure
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Seitdem Jasminenblatt mit Veilchen schmückt Natur,
Strahlt Gottes Huld als Silberschrift auf dem Lazur;

Es ist nicht Flaum, was so sorglosem Aug' erscheint,
Es ist nur Hoffnungsgrün, das an die Liebe raint.

Glaubt mir, selbst Gabriel vergäße den Koran,
Ständ' er an einem Punct von deiner Schönheit an:

Der Zähne Perlen hebt Rubinenzuckerfaß,
Gefaßt ist Mundspinell* in Flaumen Chrysopras;

Weil bey Schwarzaugigen die Treue nie was galt,
Bedroh'n den Glauben sie aus ihrem Hinterhalt.

Der Flaum bemächtigt sich der Wangen mit Gewalt,
Liegt ge'n Omer, den Elenden, im Hinterhalt.

[* Spinell - ein dunkelroter Edelstein]
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Stell' nicht ein, o Nachtigall, die Klage,
Mache Liebe in der Welt zur Sage,

Flieg' nicht niedrig, schwing' dich himmelan,
Bau dein Nest im höchsten Himmelsplan,

Ziehe Kreis' im Feld der Ewigkeit,
In dem Felde ohne Raum und Zeit,

Fliehe nicht, und laß mich mit dir sprechen,
Gut ist's mit Wortkundigen zu sprechen.
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Das Stirnenhaar als Vorhang von dem Hareme küsse,
Das Maal als die Koralle des Rosenkranzes küsse,

Reib' sein Gesicht an deinem, daß selbes Lichtgebeth
Den grünen Flaum, o Armer, als Vers der Hulden küsse.

An seiner Thür als Kibla von Rum verricht' Gebeth,
Umkreis' den Gau als Kaaba, das Thor, die Mauer küsse.

In seiner Wangen Spiegel der Himmel offen steht,
Als Herz, o Seelenspiegel, du seine Wangen küsse,

Sie sprach, es gebe Omri die Seel' auf im Gebeth,
O süßes Wort, für welches den Mundrubin du küsse.
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(das gleiche Gedicht in freyer Übersetzung:)

Schleyer des Heiligthums ist die Moschus duftende Locke,
Küß' sie mit Andacht.

Dunkles Maal ist Koralle des Rosenkranzes der Seele,
Küß' es mit Andacht.

Schaue das holde Gesicht mein Herz, Gebethe des Lichtes
Lies't du auf selbem.

Seiner Wangen Flaum ist Vers der göttlichen Milde,
Küß' ihn mit Andacht.

Knie dich hin auf seine Schwelle, die Kibla des Geistes,
Bethend zur selben.

Seine Wangen sind Himmelsspiegel des Geist's und der Seele,
Küß' sie mit Andacht.

Omrewi gib die Seele, so sprach sie, gab' ihm hingegen
Bittere Herzen.

Welch ein süßes Wort sprach zuckerkosender Mund aus,
Küß' ihn mit Andacht.
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Ich habe, o Peri, für Menschen dich gehalten,
Ich habe dich für Freund des närr'schen Sinn's gehalten,

Wenn deine süße Liebe mit mir wollte walten,
So würd' ich uns für Nachtigall und Rose halten;

Es tödtet mich dein Wimpernpfeil doch so gestalten,
Daß ich für lindes Herzenspflaster ihn muß halten,

Wer kennet nicht der Brauen zaub'rische Gewalten,
Die scheltend und liebkosend mich zum Narren halten?

Ich weinte, und die Welt hat mir's zu gut gehalten,
Daß ich dazu gelacht, hab' ich dafür gehalten;

Den Rosen gegenüber, welche Herzen spalten,
Hab' ich für Trauer Nachtigallenlied gehalten.

Daß du dem Omri werdest Wort und Treue halten,
Hat er, wie sein Gefühl, für sicher stets gehalten.

 

Nicht der Sohn Abdulkerim's, sondern der Diener desselben. Sein Vater hieß Abdullah, aber der Mufti Abdulkerim, gest. i. J. 879 (1474), nahm denselben zum Sohne an.
Mit entschiedener Anlage zum Dichter, trat Omri in die Bahn der Richter, und stand als solcher auch zu Serfidsche; er lebte bis zur Zeit des Großwesirs Ibrahimpascha unter Suleiman, welcher ihm für eine gut gerathene Kaßide die Richterstelle von Wise verlieh.


 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 10 - 12)