Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Schemii, d.i. der Kerzenhafte
gest. i. J. 936 (1529)
 

Frühling ist's wieder, es tosen die Flüsse,
Schleppen die Ketten wie blutige Thränen;

Knospen sind Wunden von Seufzern gekühlet,
Herz ist mit Maalen wie Rosen gefüllet!

Still' ich im Haine als Freyer mein Sehnen,
Wird er zum Kerker, sind Ketten die Flüsse;

Wegen Schirin hat Ferhad laut gestöhnet,
Tulpe verbrennt und Gebirge erdröhnet,

Papagey war in dem Käfig verschlossen,
Während die Raben des Zuckers genossen.

Wegen des Schemii, des Elenden, Armen,
Welchen gemordet das Haar ohn' Erbarmen,

Haben die Wolken gelöset die Haare,
Um zu begleiten in Trauer die Bahre.
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Wie die Fluth verfloß das Leben
Und es schäumt der Thränen Bach,
Meere weinen aus Erbarmen
Und die Flüsse weinen nach,

Glaube nicht, daß mir zu nahe
Deine Fieberhitzen gehen,
Schön auf Kleidern Liebender
Maal' als gold'ne Flecke stehen.

Deines Haares Hyacinthen
Sind des Grames Brand für mich,
Garten wird mir nur zum Kerker,
Schöner Joseph, ohne dich.

Wie die Wolken schwarz gekleidet,
Wird in steter Trauer weinen
Jeder, der sein Herz gebunden
An die Hyacinthen deinen,

Glaub' nicht, daß das Morgenroth
Auf der Berge Gipfeln scheint,
Wann Ferhad in dem Gebirge
Mit der Flamm' am Haupt erscheint;

Wie Halbtrommel schlägst die Brust,
Und durchlöcherst sie wie Rohr,
So daß Schemii überall
Deine Maale schau'n hervor.
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Aus Perserin bey Uskub, ein Derwisch von dem Orden Scheich Wefa's, der unter der Regierung Sultan Suleiman's starb. Über die Ursache seines Dichternahmens sagt Latifi: "Jedes seiner Worte brannte wie Feuer, jeder seiner Verse schmolz Seelen, er verdiente den Nahmen der Wachskerze so bildlich als sinnlich, denn sein ausgezehrter Leib war gelb wie eine Kerze aus gelbem Wachs." Seine Gedichte hauchen das Feuer, das ihn verzehrte.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 16)