Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Fighani, d.i. der Wehklagende
hingerichtet i. J. 933 (1526)
 

Dein Wort sey wasserrein, gib Antwort mit Bedacht,
Dreh' dich wie Mühle nicht, wenn dir das Loos nicht lacht.

Der Himmel treibt als Wasser mich bald fern bald nah,
Und Beulen springen auf als Blasen hie und da.

Kein Wunder, wenn das Herz vom Haar ist angstgefährdet,
Der Vogel in dem Netz sich stets mit Angst geberdet,

Was ist's, wenn Cederwuchs auf meine Thränen schauet,
Die Fluth, wenn schnell sie fließt, mit vielen Augen blauet,

Seit Ihrem Aug' und Mund' Fighani sich geweihet,
Hat er in Aug' und Mund' nicht Schlaf, nicht Speis' gestreuet.
____________


Kein Maal ist was an Brauen glänzt, o Mondgesicht,
Es ist ein Stern, umarmet von des Mondes Licht,

Dem Haar entnahm der Ost den Duft von erster Hand,
Und legt ihn in die Narde nieder als ein Pfand,

Die Locke, die den Saum mit Rosenschweiß beträuft,
Ihn wider Wangengluth als einen Schild ergreift,

Beliebt es dir, in's Herz die Pfeile abzusenden,
Vergiß nicht, selbe auch der Seele zuzuwenden,

Fighani! in das schwarze Haar die Thränen gieß,
Es nützt am schwarzen Tag als weißes Geld gewiß!
____________

 

Aus Karaman, ein Schreiber Sultan Abdullah's, des Sohnes Bajesid's II. Als Ibrahim, der Großwesir Suleiman's, der Belagerer Wien's, bey seiner Rückkunft von Ofen's Eroberung auf dem Hippodrome Statuen, die er von Ofen weggeführt, aufstellte, bemerkte Fighani in einem satyrischen Distichon: Ibrahim I. (Abraham) habe die Götzenbilder zerbrochen, Ibrahim II. stelle sie auf. Der Dichter bezahlte den Witz dieses Vergleiches mit einem Eselsritte durch die Stadt und dann mit dem Strange. Ibrahim's am Dichter verübte Grausamkeit erscheint um so schwärzer, als Fighani denselben früher in einer herrlichen Kaßide gelobt.

 

zurück

Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 19)