Aus der Geschichte

der Osmanischen Dichtkunst

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1836)



Kiami, d.i. der Standhafte
gest. i. J. 952 (1545)
 

Die Überlief'rung der Vernunft
Hat bey der Liebe nicht Bestand,
Es gilt das Wort des Richters nicht,
Der abgesetzet ist, im Land.
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Des Grams Geheimniß wird von Liebe nicht gefaßt,
Wird wie ein Ocean vom Tintenfaß gefaßt.
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Aufopf'rung ist das Zeichen,
Daß sich die Liebe reine,
Am Wallfahrtsweg sind Zeichen
Wallfahrender Gebeine.
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Es weint das Auge Blut auf blut'ge Flammen,
Es wirft Korallen und Rubin zusammen.
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Was soll ich von Zuckerlippen sagen,
Soll ich Zucker nach Ägypten tragen?
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Die Luft ist kalt, mein Lamm, o komm' in meine Arme!
Daß an dem treuen Busen dein liebes Herz erwarme.
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Erblickt das Herz den Wuchs, die Wang',
Zu der die Schattenlocken gehen,
So meint es schon am jüngsten Tag
Des Himmels Lotosbaum zu sehen.

Auf einer Seite zieh'n die Locken,
Und auf der and'ren meine Wehen,
So kannst mich Elenden du bald
Im Himmel, bald in Höllen sehen;

Vielleicht hat sich der Wind verliebt
In deines Auges Länderlehen,
Weil er in deinem Gaue oft
Sich wirbelnd pflegt herumzudrehen.

Von meines Liebchens Mitte kannst,
O Ssofi, du kein Haar verstehen,
Und wenn sich d'rüber Streit erhebt,
So hüte dich haarfein zu sehen,

Die Seelen opfern deiner Locken
Verliebte, die um Schönheit flehen,
Die Schönheit, so die Welt erobert,
Ist Vorwurf von Kiami's Wehen,

Doch Wamik's Gluth und Asra's Schönheit
Von Mund zu Mund auf ewig gehen.
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Es kann der Pfeil dir nicht den Stand der Brust entdecken,
Wenn du ihm nicht erlaubst die Zung' in Mund zu stecken,

Die Wimper schoß so viele Pfeile in die Brust,
Daß blut'ge Thränen weinen ich darob gemußt.

Seit deinen Wuchs der Ahorn sah im Rosenhain,
So bildet in der That er sich viel minder ein;

Seh' ich in deiner Wangen Spiegel nur hinein,
So leuchtet mir das ganze Universum ein.

O Kiami, aus Sehnsucht nach den Schönheitsflammen
Soll nackt der Leib und so wie Kerzen liebend flammen!
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Aus Koron; der Neffe Dschemali's, insgemein Mohammed-Tschelebi, war Mulasim des Mufti Ali-Tschelebi, Richter zu Arkadia und an anderen Orten. Er verfertigte eine Auslegung in Reimen der Geschichte des ägyptischen Josephs, die aber, so wie andere seiner Gedichte, als zerstreute Blätter verloren gingen.

 

 

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Literatur:
Geschichte der Osmanischen Dichtkunst
bis auf unsere Zeit
Mit einer Blüthenlese aus zweytausend, zweyhundert Dichtern
von Hammer-Purgstall
Zweiter Band (von der Regierung Sultan Suleiman's des Gesetzgebers
bis zu der Sultan Murad's III. 1521-1574)
Pesth, 1837
Conrad Adolph Hartleben's Verlag

(Seite 238-239)