Gertrud Pfander (1874-1898) - Liebesgedichte



Gertrud Pfander
(1874-1898)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Verliebt und - verlogen

Sie haben es täglich mit Augen gesehn
Und haben es nicht begriffen,
Sie sahen mich stündlich in Tränen stehn,
Recht eckig und ungeschliffen;
Sie sahen den Kampf und sie hörten im Schrei
Meine Seele sich offenbaren,
Doch gingen sie redend und ratend vorbei
Beständig am Rechten und Wahren.

Lang rieten sie hin, lang rieten sie her,
Doch tappten im Dunkel sie immer,
Und wenn es so klar wie die Sonne wär,
Ich glaube, sie rieten es nimmer.
Sie haben da glücklich ein Flämmchen entdeckt,
Es rührend mit Nachsicht belächelnd,
Doch nicht die Flamme, die lodert und leckt
Aufjauchzend! aufzischend! - Verröchelnd!

Vielleicht doch hab ich geschickt mich verstellt
Und meisterlich sie betrogen
Und hab mich zur Sippe der Heuchler gesellt,
So jung - so verliebt - so verlogen!
Da sahen sie wirklich nicht hinter die Wand
Und haben's allmählich vergessen,
Dieweil der verderbliche selige Brand
Das Herz, das Herz mir durchfressen.
(S. 91)
_____



In Gesellschaft

I.
Es gibt Besuch! - und "er" ist auch dabei,
Natürlich "Er", der Löwe dieser Kreise!
Begreiflich ist mir das ganz einerlei,
Und es berührt mich das in keiner Weise.

Ich halt mich ruhig und beherrscht beiseit,
So kann er unzweideutig draus ersehen,
Daß ich bei irgend welcher Festlichkeit
Ganz ohne ihn vernünftig kann bestehen.

- "Ich bitte"! . . . "Danke schön"! . . .
"Gewiß"! und "Nein". -
Wie geistreich klingt das zwischen beiden heute;
Kein warmer Ton fällt je mitunter ein - -
Wir sind doch wohlerzog'ne junge Leute!


II.
Lichtwelle! Tonflut!
Süßbittre Festtag!
Wildjagend Herzblut!
Hämmernder Pulsschlag!

Zuckende Lippe,
Glühende Stirne,
Unter der Sippe
Sitz ich und zürne.

Fernab, ganz klüglich,
Schnippisch Geschwätz satt,
Äußerst vergnüglich
Sitzt da mein Herzblatt.

Fernab dort tront er,
Furchtbar beleidigt,
Hab mich ja trotzig
Gar nicht verteidigt.

Lächeln und nicken
Soll ich zum Zweikampf?
Ach! Schier ersticken
Will mich der Herzkrampf!

Augen, o sehet
Nicht mehr hinüber!
Träume, vergehet! -
Jetzt ist's vorüber.
(S. 92-93)
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Goldene Lüge

Der Himmel lügt.
Warum sah ich den vielgeliebten Namen
Jedwede Nacht in meines Fensters Rahmen,
Wie er aus Sternen leuchtend sich gefügt?
Der Himmel lügt.

Der Himmel lügt.
Es lügt das Meteor, das sprühend, gleißend
Und meiner scheuen Bitte glückverheißend
Zuweilen über dieses Zeichen fliegt.
Der Himmel lügt.

Der Himmel lügt.
Das Sternbild steht noch droben wie vor Wochen,
Das Glück ist längstens mir zerbrochen.
Welch Wunder, daß der Mensch sich auch betrügt,
Wenn ihm der Himmel, selbst der Himmel lügt!
(S. 94)
_____



Erwache . . .!

Erwache, Kind - es war ein Traum -
Und quäl mit falscher Reu dich nicht!
Sei sicher, er vermißt dich kaum,
Er hat wohl andre Liebespflicht.

Und sage nicht: "Es ist mein Tod!"
Und schilt die Welt nicht Tand und Schaum!
Er trägt zu dir ja keine Not -
Sei ruhig, Kind, es war ein Traum.

So wenig als in seliger Höh
Ein mondlichttrunkner Gletscher weiß,
Daß ihm zu Füßen, halb im Schnee,
Aufstaunend sprießt ein schlankes Reis . . .

So wenig Indiens Mandelbaum
Um Nordlands Haideblume minnt . . .
So wenig . . . still! - Es war ein Traum,
Der wie ein flüchtiger Hauch zerrinnt.
(S. 95)
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Wildnis

Es schäumt der Fluß;
Am Ufer steht der Tann;
Und höher starrt nur noch Geröll und Stein.
Und immer muß
Ich wieder dann und wann
In diese Wildnis ziehn mit Gott allein.

Zu blau das Dach,
Und fast zu grün der Grund,
Zu donnergrollend fast des Bergstroms Wort;
Und doch wie heilend, ach,
Wie sänftigend die Stund!
Für ein verschmachtend Herz ein Ruheport.
(S. 103)
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Strandzauber

Nordlands Welle schäumt,
Nordlands Föhre träumt,
Nordlands Sturmwind fegt den Felsen kahl;
Nordlands Bucht liegt feucht,
Nordlands Nebel streicht
Über die Gebirge wetterfahl.

Eine Möve flieht,
Und ein Segel zieht,
Nordlands Fischer kommt den Weg entlang,
Steigt in raschem Lauf
Jauchzend zu mir auf,
Bis ich ihm vom Munde küß den Sang.

Was an Blumen heut
Uns die Haide beut,
Sammle mir, du vielgeliebter Mann!
Flicht aus rotem Mohn
Mir die Hochzeitskron,
Daß mein bräutlich Haupt ich schmücken kann!
(S. 105)
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Spätrot

Hinter Hütte, Busch und Weide
Sank die Sonne, reich an Farben;
Lang noch über öder Haide
Zucken rote Feiergarben.

Ob ich gehe, ob ich scheide,
Trennungsschmerz wird auch vernarben,
Zucken überm Abschiedsleide
Der Erinnrung Feuergarben.
(S. 107)
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Hallucination

Nur dann und wann . . . nur momentan . . . doch scharf
Seh ich die hochgebenedeite Stätte
Und hör sekundenweis des Stromes Grollen,
Des wilden Stroms im eingedämmten Bette.
Und seh das Tal in wunderbarer Pracht
Und seh der Berge sommerheißes Prangen,
Und süß und müd, von ferner Turmuhr Schlagen
Bleibt halbverlorner Schall in Lüften hangen.

Nur dann und wann . . . nur momentan . . . doch scharf
Hör wieder ich Lockvogels Ruf und Necken,
Und finde mich zur Abenddämmerstunde
Hoch oben in den wilden Rosenhecken,
Und seh das Dorf in friedlich stiller Ruh,
Und seh den Mond an schlanker Pappel klimmen,
Und seh dich selbst, herzfesselnd wie vor Zeiten,
Vor meinem seligen Auge glanzvoll schwimmen.

Nur dann und wann . . . nur momentan . . . doch scharf
Seh ich die hochgebenedeite Stätte . . .
Noch bin ich jung und muß schon dein gedenken,
Als ob Jahrzehnte hinter mir ich hätte.
Als wär mein Sinn schon alt, mein Haar schon weiß
Und ewig fern der ersten Liebe Tage. - - -
- - Ein funkelnd Streiflicht, zuckt mir das Erinnern
Nur dann und wann . . . Wie eine alte Sage.
(S. 108)
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Neues . . .

Ich hab's versucht in einem fort! -
Was mich bewegt zu schreiben,
Muß ungeschrieben bleiben,
Tot ist der Reim und tot das Wort.

Ich weiß nur, daß der Himmel lacht,
Und daß die Berge prangen,
Daß ich durch's Korn gegangen
Mit einem, der mich selig macht . . .
(S. 109)
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Drei Sonette

1. Schicksal
Ich weiß, es war vom Schicksal mir beschieden,
Daß einst zu dir mein Aug ich sollte kehren,
Und ich Unselige, wie konnt ich wehren,
Daß du mir raubtest kaum errungnen Frieden?

Tiefschmerzlich Glück ward seither mir hienieden,
Traumselig Elend will mein Hirn betören.
Ich muß dich suchen, muß die Sehnsucht mehren,
Wünscht auch die Welt, daß wir uns streng vermieden.

Könnt ich dich hassen nur, könnt ich dir grollen,
Daß du mich wider Willen hast entflammt . . .!
So aber muß ich wilde Glut dir zollen.

Muß fühlen, was mein Mädchenstolz verdammt,
Muß lieben, wo ich hätte hassen sollen, -
Maßloses Weh, das solchem Streit entstammt!


2. Liebesmacht
Und türmt sich himmelhoch die Bitterkeit,
Und ob mich alle, alle mißverstehn,
Dir nach, mein Lieb, will unentwegt ich gehn,
Dein zaubermächtiger Blick hat mich gefeit.

Hohn auf die Mädchenwelt, die nicht verzeiht,
Hohn dieser Art, mit der sie nach mir sehn!
In dir, mein Lieb, will unentwegt ich stehn,
Ob auch der Sturm mich faßt, ich bin gefeit.

Und flöss' der Becher voll des Gifts, des herben,
Und droht mir Untergang und jäh Verderben,
Wie selig wär's, um deinetwillen sterben!

Dir an die Brust, dem ich mich gab zu eigen,
Wollt mein ermüdet Haupt ich wortlos neigen,
Bis uns umschläng' barmherzigen Todes Schweigen.


3. Licht
Wir zaudern, wo ein Gott uns Rettung fand
So glückumwoben und so glanzumlichtet?
Nun hat mein bangend Herz sich aufgerichtet.
Den Vorhang heb ich auf mit zager Hand.

Und würd uns hier im düstern Abendland
Jedwedes Glück durch Vorurteil vernichtet:
O weißt du noch, wie du mir oft berichtet
Von jenem fernen, zauberischen Strand?

Wo ungekühlt glutfarbne Sonne loht,
Wo nimmermehr uns bittre Trennung droht,
Wo friedevoll die heiligen Palmen winken,

Dorthin, Geliebter, lass' uns gläubig ziehn,
Dort will ich glückdurchschüttert auf den Knien
Maßlose Wonn' aus deinem Antlitz trinken.
(S. 110-112)
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Nuit blanche

Der Mond steht schweigend im Zenith,
Und draußen herrscht ein blasses Graun.
Ich will, dieweil der Schlaf mich flieht,
In diese Nacht der Helle schaun.

Es liegen in dem blassen Strahl
So See wie Gletscher mondengroß,
Die Bäume stehen blitzesfahl
Und doch gespenstig schattenlos.

Als kennt seit längsten Zeiten ich
Kein Lachen und kein Weinen mehr,
So ehern kommt es über mich
Und so entsetzlich gnadenleer.

Und daß es kalt ans Herz mir greift,
Da ist die Liebe schuld daran,
Liebe, die mich ins Elend schleift,
Und die nicht Gnade finden kann.
(S. 116)
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Dans macabre
v. Saint-Saens

Mein Lieb spielt einen Totentanz
Mit kreideweißer, schmaler Hand,
Das erste mal versteh ich ganz
Die Schauer aus dem Totenland.

Mein Lieb spielt einen Totensang,
Die sumpfig-seichte Symphonie,
Mit krassem, hohlem, fremdem Klang
Ihm unterm Bogen fröstelt sie.

Und spielte mit der ganze Chor
Und spielte mit das ganze Haus:
Ich schiede doch mit seinem Ohr
Den Wehlaut seiner Geige aus.

O Herz, so stell dein Hoffen ein -
In seinem Aug glimmt Totenglast.
Bald wird dir ganz entrissen sein,
Was niemals du besessen hast.
(S. 117)
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Brustkrank

Die Brust tut mir so bitter weh,
Der Husten steigt so rauh und hart,
Man bringt mir Lindenblütentee
Und schenkt mir freundlich Gegenwart.

Was hilft auch Pfleg und Trostwort mir,
Was soll die Freundschaft um mich her,
Wo dir, mein teures Lieb, wo dir
Verlassenheit nun doppelt schwer?

Der Arzt sagt, daß es Fieber ist,
Was mich seit Tagen niederzwingt,
Ich weiß, daß du es, Lieber, bist,
Um den das Herz verzweifelt ringt.

Herr Gott! Ich dämm ihn nicht zurück,
Der Liebe frömmsten, reinsten Strahl.
Schenk mir ein selig Liebesglück
Ein einzig Mal, ein einzig Mal!
(S. 118)
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Resignation

So darf's nicht sein, das ist nicht gut.
Wo bleibt der Glaube, der nicht narrt?
Der Glaube, der da Wunder tut,
Daß nicht das Herz im Weh erstarrt.

Ich lieg auf meiner Lagerstatt
Mit trocknem Aug und heißem Mund,
Jedweder Nerv ist schlaf und matt . . .
Käm Er, ich säh mich gleich gesund.

Ich säh so gern recht friedereich
Das edle Haupt, das Aug in Glut,
Die Hand, die so dämonengleich
Beschwört der Lieder Zauberflut.

Warum mich Gott gefesselt hält?
Ich sehe weder aus noch ein.
Gott, der mich vor das Nichts gestellt,
Lehr mich jetzt blindlings gläubig sein!
(S. 119)
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Verzeihung!

Ich bitte ab, ich bitte ab,
Wenn Leid dir draus erwachsen ist,
Daß ich so sehr geliebt dich hab,
Weil du so maßlos liebwert bist.

Ich hab mich unbemerkt geglaubt
Und hab mich zu gering gewähnt,
Und hab mir Liebe stumm erlaubt,
Die nichts erhofft und nichts ersehnt.

Ich wollt dir nicht im Wege stehn,
Du aber hast mich festgebannt,
Muß staunend dir ins Antlitz sehn,
Halb fürchtend, daß du mich erkannt.

Des Herzens Schlag, der Seele Gruß,
Hast du das doch vielleicht gefühlt
Und meinst, jetzt wo ich scheiden muß,
Ich habe schnöd mit dir gespielt?

Wenn Leid dir draus erwachsen sollt,
Daß ich so sehr geliebt dich hab . . .
Herr Gott! Ich hab es nicht gewollt.
Ich bitte ab, ich bitte ab!
(S. 120)
_____



Echo

Stille starrt und Dunkelheit
Mir zu Häupten, mir zu Füßen,
Schwergetroffen, todbereit
Werd ich lang noch siechen müssen.
Doch in meines Geistes Nacht
Immer wieder, immer wieder
In betörend heiliger Pracht
Klingen deine Zauberlieder.

Tief in meine Lethargie
Klingt ein Ton, ein wundervoller,
Klingt mir eine Melodie,
Eine Weise, toll und toller -
Weise, die du noch gespielt
Glutvoll zur Oktoberneige. -
Wie das fiebert, wie das quillt
Märchenhaft von deiner Geige!

Halb im Schlaf lausch ich empor - -
- Schwanenzug auf rosigen Bahnen -
Segelgleiten - Weltenchor -
Sonnenrote Bergtitanen!
Jetzt - ein marmorblasses Haupt,
Marmorblaß bis in die Lippen!
Ein barmherziger Trug erlaubt:
Komm, mich dürstet, laß mich nippen!

Noch - und noch - und Glücks genug . . .
Mag das Fieberbild erblinden!
Rückwärts streift der Schwanenzug,
Und die Farbentöne schwinden.
Dunkelheit starrt wie vorher,
Nur noch deiner Geige Weise
Klingt wie eine trübe Mär
Mir im Hirne . . . leise . . . leise . . .
(S. 121-122)
_____



Blendung

Grüne Flut und roter Sonnenball
Mischt sich fern wie tausend Farbensträhne;
Einer letzten Abendglocke Hall . . .
Dann ein Schlummergurgeln der Fontäne.

In die tausendfach verglühnde Glut
Schau ich kühnen Blicks und lichtestrunken,
Bis der Ball im kühlen Wasser ruht
Und das Märchenfeuer ganz versunken.

Plötzlich - von der stillen Wildnis her
Kommt mein göttlich schönes Lieb gegangen,
Und mein Aug vergißt das Strahlenmeer,
Möcht an seinem Auge dürstend hangen.

Doch, wie tief ins Antlitz ihm zu sehn,
Hochbeglückt ich ihm mich zugewendet,
Seh ich Sonnen sich und Sonnen drehn
Und erkenn ihn nicht! . . . Ich bin geblendet.
(S. 124)
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Bitterkeit

Ich suche durch das ganze Haus . . .
Gib dir nicht Müh! - Das Glück ist aus.
Gib dir nicht Müh! - Das Glück ist hin.
- Wie ich auf einmal einsam bin.

Ich suche auf verschneitem Hang . . .
Gib dir nicht Müh! - Es ist für lang.
Gib dir nicht Müh! - Es ist vorbei.
- Dumpf schleicht der Tage Einerlei.
(S. 125)
_____



Novemberbesuch

Den ganzen Sommer konnt ich dein vergessen . . .
In leuchtend langen Sonnenwendetagen
Ist die Erinnerung mählich mir verblaßt.
Jetzt wo die bleiernen Novembertropfen
Einförm'gen Takts auf Dach und Fenster klopfen,
Da denk ich wieder dein.
Ging nicht die Tür im Angel?
Kehr wieder ein, -
Du lieber, blasser Gast.
(S. 126)
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Der Liebste spricht:

Ich bin so groß und stark, mein Herz liegt grad so hoch,
Daß du die weiße Stirn nur gläubig lehnst daran.
Mein Nacken ist so stolz, und sieh - er biegt sich doch,
Daß deine Haarflucht, Lieb, die Lippe streifen kann.

Großmächtig ist mein Herz, so daß es eine Welt
Mit Sonne, Mond und Stern und Flut und Äther mißt,
Und sieh - nun ward es doch so völlig überschwellt
Von einer Träne, Lieb, die dir entfallen ist.
(S. 147)
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Sie antwortet:

So nimm mich an dein Herz - und sage
Mir wiederum das eine Wort.
Und wenn ich dir im Arme zage,
So küsse mir die Tränen fort.

Du weißt, in meinem Innern trage
Ich einer Harfe Liederhort . . .
Nun nimm mich an dein Herz - und wage
Drauf den unsterblichen Akkord.
(S. 148)
_____



Das Märchen vom Ritter Ruhelos

Das Märchen hab ich nie begriffen,
Wie einst ein edler Königssohn,
Von einem Mädchenbild ergriffen,
Sein Volk vergaß und Tron und Kron.

Mußt über alle Meere eilen
Von Mond zu Mond, von Jahr zu Jahr.
Mußt Land und Flut und Feuer teilen
In Not und Stürmen und Gefahr.

Mußt über Paß und Gletscher streichen,
Mußt waten, wo der Samum stob,
Bis er die Holde sondergleichen
Auf starkem Arm zum Herzen hob.

Und Ritter Ruhelos ward stille,
Fand Ruh, dran suchend er geglaubt,
Als tief in ihrer Locken Fülle
Er barg sein helmentblößtes Haupt.

Des Königssohnes wollt ich lachen,
Den so ein Bildnis unterjocht,
Daß er am Marmorschloß mit Drachen
Um ungewisse Beute focht.

Und heute steh ich wie entgeistert
Vor einem kleinen Mädchenbild,
Von fremdem Trieb und Drang bemeistert,
Sehnsüchtig zart, dämonisch wild.

Durch alle Meere wird's mich treiben,
Durch alle Lande wird's mich ziehn;
Die Wolke wird's am Himmel schreiben,
Mit Sternschrift wird's im Äther glühn:

Bis daß ich Sie am Herzen trage
Und berg mein Haupt in ihrem Schooß,
Bin ich der Königssohn der Sage,
Bin ich der Ritter Ruhelos.
(S. 149-150)
_____



Iris

Es wuchs im Herbststurm eine Liebe nächtig,
Reiftrotzend, wetterfreudig, stark und prächtig.

Sie stund allein. - Die erste Herbstzeitlose
War ihre Freundin, und die letzte Rose.

Schwertliliengleich erblüht sie herb und schweigend,
Verhaltnen Stolzes dunkle Färbung zeigend;

Schwertliliengleich, mit länglicher Lanzette,
Damit sie Heiliges verteidigt hätte.

Sie spürte sich im Kelche Tränen tragen
Und Sturmgesang, und konnt es keinem sagen.

Verräterisch nur fühlte sie entquellen
Dem Herzen traumgetränkten Duftes Wellen.

Und ging Er dann vorbei zur hohen Stunde,
So bebte sie bis zu der Wurzel Grunde.

Und sprach er: "Welch ein Düften überm Wege!"
So ward im Kelch ihr Sang und Tropfen rege.

Doch er, der Schein und Wahrheit nicht erkannte,
Ging blind vorbei der Glorie, die ihm brannte.

Sie sah ihn nach den reichen Gärten gehen,
Wo Tulpen unterm Glas bei Klatschmohn stehen.

Sie sah, wie er auf bunte Farben starrte,
Dieweil sie schweigend draußen seiner harrte. -

- - Und weil er nicht um ihren Duft geworben,
Ist sie am eignen heißen Hauch gestorben.
(S. 152)
_____



Das Bild

Sie maß sein Bildnis mit entzücktem Blick;
Sie pries ihr junges Leben, ihr Geschick.

Sie lehnt mit weißer, allzuweißer Hand
Auf ihrem Armstuhl, dran sie schwankend stand.

Und jetzt, mit einem leisen Jubelschrei,
Holt sie vom Schrank ihr eignes Bild herbei.

Sie stellt ihn auf den Tisch und sich dazu,
Besieht sich dann das Paar mit Traumesruh.

Die Lippe bebt. Sie stammelt: "Mann und Weib".
So schafft sie wie ein Kind sich Zeitvertreib.

Und wieder: "Er und ich", und "Frau und Mann".
Ach Gott, wie man sich Lebens freuen kann!

Das Glück ist groß, naiv das Spiel und gut.
Ein Paar! - Am andern Tage brach sie Blut . . .
(S. 154)
_____



Ein andere Brief

Liebster - oh - mir ist so bang.
Seit ich Dir zuletzt geschrieben,
Bin ich nun neun Tage lang
Ohne Brief von Dir geblieben.

Liebster - oh Du bist mir gram,
Und das Heimweh will mich beugen.
Was mir nachts den Schlummer nahm,
Ist Dein Zürnen und Dein Schweigen.

Liebster - oh - mein Fieberwahn
Raunt mir tolle Siebensachen.
Hab ich Unrecht Dir getan,
Neig' verzeihend Dich der Schwachen!

Liebster - oh - bis Du ein Wort
Klar und stillend ausgesprochen,
Muß ich harren, fort und fort,
Nacht um Nacht - und ging es Wochen.

Liebster - oh - sollte früher Tod
Den versengten Mund mir küssen:
Bis zum ewigen Morgenrot
Würd ich dann
Deines Wortes harren müssen.
(S. 168)
_____

Aus: Helldunkel Gedichte und Bekenntnisse
von Gertrud Pfander
Mit einer biographischen Einleitung
herausgegeben von Karl Henckell
Der "Passifloren" zweite vermehrte Auflage
Bern Verlag von A. Francke 1908

 

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gertrud_Pfander

 

 

 


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