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Frieda Port
(1854-1926)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Es waltet rings des Frühlings erster Gruß -
Ein leises Knospen, halb entfaltet Grün -
Ein Schleier deckt die Sonne, zart Gewölk
Stieg Nachts empor; doch dringt des Himmels Blau,
Verheißung naher Seligkeit, hindurch -
Es kos't die Luft - wie eine liebe Hand,
Die mehr nicht wagt, mit deinen Locken spielt.
(S. 8)
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Mit unberedtem Munde
Wie lang wir heut uns sahn!
Doch weht's aus dieser Stunde
Wie lauter Glück mich an.
Wenn uns die Worte fehlen,
Wenn Jedes ruhig scheint,
Was ist's, das unsre Seelen
Noch inniger vereint?
(S. 9)
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Du klagst aus deiner Herzenstiefe,
Kein Wörtchen Liebe,
Kein Hauch Erhörung leb' in meinem Briefe.
Ja, unser Beider Leid wird ewig währen.
So starke Flammen,
Die mich bedrohn, wie wagt' ich, sie zu nähren?
(S. 12)
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Nicht alle Schmerzen heilt der Schlaf,
Und nicht so bald wirst du gesund,
Wenn dich ein Wort zu tödtlich traf
Aus einem allzu lieben Mund.
Wie viel ein solches Wort entdeckt
Und dir erklärt mit einem Mal!
Wie's dich aus sel'gen Träumen weckt
Durch eines Blitzes grellen Strahl!
(S. 13)
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So wie der Gott des Stromes Lauf
Durch weit entfernte Gauen lenkt,
Und hält durch ein Gebirg ihn auf,
Eh' er die freie Bahn ihm schenkt:
So lenkt er meines Herzens Glut;
Wer weiß, wann sich das Glück erschließt?
Und weiß des Stromes rasche Flut,
Wie bald sie sich ins Meer ergießt?
(S. 14)
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So kommst du heute nicht? Du willst mir grollen,
Auch war ich gestern schwerlich zu verstehn.
Wir können aber nicht, wenn wir auch wollen,
Jetzt von einander gehn.
Wir haben schon verlernt, den Ton zu meiden,
Der offen kund die tiefste Seele giebt -
Wie könnten wir nun von einander scheiden,
Noch eh wir uns geliebt?
(S. 17)
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Wie zürnt' ich dir voll Ungestüm und grollte
Zu jeder Frist,
Daß ich so theuer nie dir werden sollte,
Wie du mir bist!
Doch seit mich heut dein voller Blick getroffen,
Erschreckt mich's fast,
Daß du mein Zagen über alles Hoffen
In lauter Glück verwandelt hast!
(S. 18)
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Ich fürchte mich vor unsrer großen Liebe!
O hätte sie, wie Andrer Liebe, Schranken!
Kein Unglück konnte je mein Herz zerquälen,
Wie diese furchtgeborenen Gedanken.
Wie sollen wir mit engen Menschenseelen
All diesen Jubel, diese Stürme fassen!
Wir müssen endlich aus zu großer Liebe
Noch vor einander fliehn, einander hassen!
(S. 19)
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Als du heute früh erwachtest,
Ob du denn getreulich dachtest:
"Übermorgen!"?
Wie das eine Wort so schön ist,
Daß die Luft heut voll Getön ist:
Übermorgen!
Weit wirft unser Glück sein Glänzen -
Laß die Zukunft uns bekränzen!
Übermorgen!
Könnt' ein Andrer da verstehen,
Daß wir nur uns wiedersehen
Übermorgen,
Nicht um Herz an Herz zu schließen,
Nur um lächelnd uns zu grüßen
Übermorgen? (S. 20)
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Laß uns alle Wege gehen
In der ganzen weiten Stadt,
Bis von unsrer Liebe jedes
Steinchen was zu sagen hat,
Bis die Stadt der blaue Himmel
Gleich als einen Tempel krönt,
Der von unsrer wundervollen
Liebe Tag und Nacht ertönt.
(S. 21)
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Nein, nicht im Tod das letzte Lied -
Im ersten, schönsten Lied den Tod!
Daß diesem Frühling im Gemüth
Kein Sommer naht, kein Winter droht;
Daß unsre Liebe bleibt bewahrt
Vor jeder bösen Fährlichkeit,
Daß ich dir nicht nach Menschenart
Bereite je ein schweres Leid.
(S. 22)
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Wenn ich des Nachts in meinen Kissen ruhe
Nicht schlafend noch, doch träumend und die Lider
Geschlossen - wenn die schweifenden Gedanken
Dann bis zu dir gelangt sind, muß ich immer
Die Augen wieder öffnen, gleich als wär' es
Noch Tag, als stündest du vor mir - denn einzig
In Blicke kann sich all die Lieb' ergießen,
Die mich erfüllt, sobald ich dein gedenke.
(S. 23)
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Wenn ich erwach', erwacht ein staunend Fragen
Mit mir zugleich:
Warum denn bin ich nun so unverwundbar,
Warum so reich?
Warum steht mir die ganze Welt in Blüten
Und leuchtet mir?
Warum in nie gekannter stiller Demuth
Neig' ich mich dir?
(S. 24)
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Der volle Mond erhebt sich
Am Horizont, ein später
Gedanke unsrer Liebe,
Und schwebt im stillen Äther.
Wie ist es schwer, die Nähe
Des Lieben zu entbehren!
Nun ist's, als ob wir wieder
Einander nahe wären;
Denn mir zu Häupten leuchten
Ganz nah dieselben Sterne,
Wie über deinem Haupte -
Die Nacht hat keine Ferne.
(S. 25)
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Küsse mich nicht! Denn ich habe
Neulich dem Blitze versprochen,
Mich zu bewachen,
Flehend: Tödte mich, Höchster,
Mit deinem Blitzstrahl,
Wenn ich zu schwach bin,
Durchs Leben rein
Meine Liebe zu tragen!
Er ließ mich leben -
Darum küsse mich nicht!
Aber gehe nicht herzlos
Neben mir hin,
Sondern gönne zuweilen
Mir einen freundlichen Blick,
Sonst drängt mich's immer zu sagen:
Küsse mich! küsse mich!
(S. 26)
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Ich denke dein in nächt'ger Morgenfrühe,
Wenn aus dem Dunkel sich die Dämmrung ringt,
Wenn kaum erblaßt der Horizont sich röthet
Und eine erste Wachtel singt.
Und kaum in Nacht versunken taucht die Liebe
Mir auf der Morgenröthe Flügeln auf.
Ich denke dein und kürze wie die Wachtel
Voll Sehnsucht mit Gesang der Stunden Lauf.
(S. 27)
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Sieh, Alles in der Welt ist wandelbar.
Was gestern du gesagt, war gestern wahr,
Doch daß du morgen schon mich nicht mehr liebst,
Wie mannichfalt und groß ist die Gefahr!
Wenn du bedächtest: Weß ein Geist bedarf,
Wird niemals doch dem andern offenbar,
Und Jeder wandelt einsam durch die Welt
Von Allen, die zum Leid das Weib gebar -
Ach, du entrissest mir damit, was lang
Des Lebens Schmuck und milde Perle war. -
Und wenn ich nun - wer kennt sich selbst genug? -
Nur einem Falter gleich bin, du dem Aar,
Und Jeder wüßt' es, ich allein nur nicht
In meiner Blindheit, Jeder, du sogar!
Und wär' es Frauenschicksal, unser Glück
Zu opfern, ja uns selbst, auf dem Altar
Nie ganz vergoltner Liebe? Daß du mich
Verlässest, o wie groß ist die Gefahr!
Wenn eine Andre dir entgegentritt
Und dir den Kranz reicht aus der Frauen Schaar,
Die schöner denkt und größer fühlt als ich,
Ob ich dir das in tiefster Seele zwar
Nicht zutraun will, - du neigtest dich zu ihr -
Denn Alles in der Welt ist wandelbar.
(S. 28)
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O erster Frühlingsglaube, Liebesfülle,
Die in den österlichen Lüften schwebt!
Und welcher Reichthum nach des Winters Stille
Aus unsern eignen Herzen sich erhebt!
Mir ist, als gäb's von nun an keine Leiden
Und unser Weg sei wie der Sel'gen Flur.
Denn selbst daß du mich kränktest, wird uns Beiden
Zum festern Grund für unsre Liebe nur.
(S. 29)
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Ja, schön ist's, hinzuschreiten
Durch Sturm und Wetternacht
Und mit einander streiten
Aus ebenbürt'ger Macht.
Doch schöner noch, zu gehen
Im Abendsonnenschein,
Einander ganz verstehen,
Einander folgsam sein.
(S. 30)
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War nicht auf einmal mein Gemach
Ganz von dem Dufte deiner Rosen voll
Und auch zugleich von unserm Glück?
Führt Rosenduft mir diesen Tag zurück,
Wenn deiner Liebe Schmuck ich missen soll,
Wie scharfe Dornen würden wach
Viel lieber bin ich jetzt schon sorgenvoll
Und sinn' im Voraus jenen Schmerzen nach,
Gefaßt auf fernher drohendes Geschick!
(S. 31)
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Die allzu liebevollen Worte
Wie bann' ich sie? wie bann' ich sie?
Die hohen Fluten meiner Seele
Nicht mehr beherrschen kann ich sie.
Daß dich die Arme nicht umschlingen,
Wie bann' ich sie? wie bann' ich sie?
Daß meine Lippen dich nicht küssen,
Kaum mehr beherrschen kann ich sie!
(S. 32)
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Ich spüre noch von deinem Geiste
Ein liebes Etwas in der Luft,
Und leise noch verströmt die Rose,
Die du mir ließest, ihren Duft.
Und ob wir Abschied auch genommen,
Ob wir auch weit getrennt von dir,
Klingt doch durch all der Andern Reden
Nur immer deine Stimme mir.
(S. 33)
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Weil wir jetzt Beide gleichen Kummer haben,
Laß uns die Strecke mit einander gehen,
Laß einen Schmerz sich an dem andern laben.
Die Gleiches leiden, können sich verstehen,
Und aus dem gramerfüllten Innern schallen
Die Trostesworte, die zu Herzen gehen,
Die unbewußten Worte. Lindernd fallen
Gesprochne Thränen und der Thau der Nächte
Den Sonnenbränden und den Wunden allen
Wenn jetzt ein Glücklicher uns Worte brächte
Voll Lieb' und Mitleid, niemals doch bezwingen
Sie diese unbekannten, finstern Mächte;
Was aber Einer von uns Beiden singen
Und sagen mag vom Abend bis zum Abend,
Muß Ton um Ton ins Herz des Andern dringen,
Uns wie mit Harmonie'n des Schmerzes labend.
(S. 34)
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Ein Morgentraum - schon von der Vögel Zwitschern
Geweckt, schlief ich noch einmal ein und fand mich
Mit dir in herzlichem Gespräch vereinigt.
Es schwebte über uns des Sommers Weben
Und ein Gefühl ganz in sich selbst gestillter
Von keinem Wölkchen auch getrübter Liebe.
Da plötzlich war von meinem Ring - du kennst ihn
Ich trug ihn schon, als wir zuerst uns sahen -
Die Perle, wie erschrak ich doch! zerflossen.
Nun müht' ich mich bis heute Morgen niemals
Der Träume Sinn zu deuten; heute frag' ich,
Mich halb verlachend, halb in bangem Zagen
Zerfließt mir deine Liebe, wie die Perle?
(S. 35)
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Ihr ersten Waldesblüten,
Heut seid ihr mein, bis morgen,
Doch morgen des Freundes.
In eure offnen Kelche,
Auf denen noch gestern der Schnee lag,
Dringt warm der Hauch meiner Liebe.
Wenn nun ihr andern, geschlossnen
Euch öffnen werdet,
Ob euch dann ein Hauch trifft
Aus seinem Herzen,
Der mich, wenn ich's wüßte, beglückte -
Ob ihr noch geschlossnen
Ach - seelenlos hinwelkt?
O wie beseligt
Die Ungewißheit,
Wenn Hoffnungsgedanken
Sie scheu umflattern!
Heil euch, geschlossene Blüten.
(S. 36)
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Wenn solche Schwermut dich befällt,
Denk' ich nur Eins: Wie rett' ich dich
Was thun, daß sich dein Blick erhellt,
In dem des Muthes Glanz erblich?
Umsonst! Ich weiß, auch mir geschah
Wie dir, lang eh wir uns geliebt -
Nichts kommt dem Schwermuthvollen nah,
Als was der Schwermuth Nahrung giebt.
(S. 37)
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Sieh, aus der schwarzen Wolkenwand
Glänzt Sonnenfeuer rings hervor,
Und gehn wir immer Hand in Hand,
Strahlt aus der Schwermuth Glück hervor.
Beglückt ist nur, wer ganz ermißt,
Wie stark die Liebe und wie hold,
Und dunkle Tage rasch vergißt
Und labt sein Herz am Sonnengold.
(S. 38)
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Der längste Tag mit alle seinem Licht
Hat er nicht einen Strahl,
Das Aug' dir zu erquicken, siegt er nicht
Im Streit mit eines Menschenherzens Qual?
Du willst nicht, daß die Wunde wieder heilt
In deiner tiefen Brust,
Nicht, daß das Schicksal Aller dich ereilt
Und pflanzt dir auf ein Grab die neue Lebenslust.
Du willst nicht. Hab' ich sonst in jedem Kampf
Gebetet, daß du siegst,
So will ich heute flehn, daß du dem Licht
Des längsten Tages endlich unterliegst.
Daß aus des Herzens Tiefe, die die Nacht
Des Grams bedeckt,
Das Licht unwiderstehlich heut den Quell
Der unversiegten Freude dir erweckt!
(S. 39)
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Dort drüben funkelt
Ein einziges kleines Licht
Von Nacht rings umdunkelt,
Das fesselt mein Aug', und es läßt mich nicht
Wieder frei,
Und immer denk' ich und habe
Seit Stunden nichts Andres gedacht,
Als wie du einstmals mir sagtest,
Daß ich dein einziger Trost sei
In des Schicksals rings dunkelnder Nacht.
(S. 40)
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Jetzt sich leis hinweg aus den Gemächern
Stehlen und hinüber auf den Dächern
Sicher wandeln, nur vom Mond geleitet,
Der uns hohe Pfade unterbreitet,
Dann in deinem Garten sacht hernieder
Sich zu lassen zwischen Wein und Flieder,
Daß vom Weg, auf dem du sinnend weiltest,
Du herbei und mir zu helfen eiltest,
Dennoch zweifelnd: Ist es ein Phantom
In des Mondlichts breitem Silberstrom,
Oder hat von Sehnsucht hergeführt
Eine Sterbliche mein Arm berührt?
(S. 41)
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Ich sehne mich den ganzen Tag
Nach einer Stunde Müßiggang,
Nach einem kleinen Winkelchen
Fern allem Lärm und Tagesdrang;
Nach einer Stunde, da mein Herz
Die schönen Worte ungestört
Und Alles, was du mir gesagt,
Süß im Geheimen wieder hört.
(S. 42)
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Die wen'gen Jahre, die wir leben,
Die möcht' ich alle, alle Zeit
Zu deinen Füßen sitzend träumen
In sel'ger Selbstvergessenheit.
Denn was du immer zu mir redest,
Ich werde deines Tons nicht satt.
Bald dünkt mich jeder Tag verloren,
Dem nicht dein Aug' geleuchtet hat.
(S. 43)
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In einem Frühlingsstrauße
Ein kleines weißes Veilchen
Aus deinen Händen duftet
Mir durch das ganze Zimmer.
Es ist verzaubert, denk' ich,
So sind auch deine Worte;
Wie könnte sonst die Seele
Mir stets davon erzittern?
(S. 44)
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Das Wort des Geliebten
Wunderbar und immer besungne, niemals
Mit dem Wort ergründete Macht des Eros,
Alle Dichter sollen, so lang sie leben,
Eifrig bemüht sein
Dich zu kennen, dich vor beglückten Menschen
Laut zu preisen, daß an der Tage letztem
Auch dein Lob vollendet ertöne tausend-
stimmigen Einklangs.
Wißt ihr Frauen, ahnt es vielleicht ein Mann auch,
Wie die tiefste Tiefe des Herzens nachklingt
Stark und voll und rein, wenn ein holdes Wort der
Liebste gesprochen?
Traf den Ton die Sängerin ganz vollkommen,
Klingt von selbst die Saite und wiederholt ihn
Unberührt vom Finger. Die Künstlerin blickt
Lächelnd herüber;
Denn ihr Auge sucht, ob im frohen Kreis ein
Freund versteht, wie sehr sie sich freut; so fragt auch
Eros, ob wir jenes von ihm bewirkte
Wunder verstehen!
(S. 129)
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Brennende Liebe
Heute Morgens gab mir - warum gerade
Heut! - die kleine Blonde, die stets am Wege
Auf mich lauert, schelmisch ihr kleines Sträußchen,
Anfangs verbergend -
Heute zwischen Rosen und Nelken gab sie
Mir die Blume brennende Liebe; mitten
Noch ein Reichthum grünender Knospen, außen
Farbige Blüten.
Deinen Brief noch trug ich in meinen Händen,
Und mit Lächeln dacht' ich der Schmeichelworte
Und des allzu gläubigen Herzens, das der
Worte sich freute.
Erst von gestern ist auch die Blüte unsrer
Liebe; sieh, die grünenden Knospen grüßen
Aus dem Kranz von rothen erblühten Blumen
Voller Verheißung!
(S. 133)
_____
aus: Gedichte von
Frieda Port
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz
(Bessersche Buchhandlung) 1888
Biographie:
Frieda Port geb. 15.6.1854 München, gest. 14.10.1926 ebd.
Erzieherin in Nürnberg, lebte später in München, u.a. mit Paul Heyse
befreundet.
Übersetzerin und Lyrikerin.
Schriften: Gedichte 1888; Hermann Lingg. Eine Lebensgeschichte 1921;
Lieder, Elegien und Epigramme der griechischen und römischen Dichter des
klassischen Altertums (in ausgewählten Übersetzungen, hg.) 1923.
aus: aus: Deutsches
Literatur-Lexikon. Biogr. - bibliogr. Handbuch Begründet von Wilhelm Kosch.
Dritte völlig neu bearb. Auflage
Francke Verlag Bern Stuttgart 1990
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