Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Gottes Mann ist stets berauscht, auch ohne Wein,

Gottes Mann wird ohne Braten satt auch seyn.

Gottes Mann ist stets verwundert und verzückt,

Gottes Mann wird ohne Schlaf und Kost erquickt.

Gottes Mann ist nicht geformt aus Staub und Fluth,

Gottes Mann ist nicht geformt aus Luft und Gluth.

Gottes Mann wird auch im Mönchskleid König seyn,

Gottes Mann gleicht einem Schatz in Wüstenei'n.

Gottes Mann ist eine Kibla* weit im Land,

Gottes Mann ist stets des Rechtes Unterpfand.

Gottes Mann, ihm liegt sein Glaube beim Idol,

Gottes Mann, was nennt er Recht, was Unrecht wohl?

Gottes Mann erkennt der Wahrheit hohen Werth,

Gottes Mann ist nicht in Schrift und Buch gelehrt.

Gottes Mann gleicht eines Meeres weitem Schoos,

Gottes Mann träuft helle Perlen, wolkenlos.

Gottes Mann lebt stets verborgen. O mein Sohn!**

Gottes Mann, ihn such' und finde, dir zum Lohn!

* Kibla, wörtlich: das was man vor sich hat oder haben will,
d.i. die Gegend wo der meccanische Tempel steht und wohin sich
die Rechtgläubigen, dem Koran zu Folge, bei der Verrichtung
ihres fünfmaligen Gebetes wenden müssen; dahin sind auch
alle Mihrab oder Hochaltäre der Moscheen gerichtet.

** Dieses ist Behaeddin Ahmed, genannt Sultan Veled d.i. Sultan Sohn,
der Verfasser des Gedichtes Veledname, d.i. Buch des Sohnes,
des Gedichtes Rebabname, d.i. Buch der Zither, und des Diwan's,
d.i. einer Gedichtensammlung; sämmtlich in persischer Sprache.
Das erste dieser drei Werke ist eine Erläuterung des berühmten Gedichtes Mesnewi
seines Vaters und enthält zugleich die Geschichte dieses seines Vaters so wie jene
seines Grossvaters; das zweite Werk enthält eine Entwickelung der göttlichen
Geheimnisse. Scheich Behaeddin Ahmed starb 712 (1342) zu Konia,
und ruht daselbst bei seinem Vater und Grossvater.
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