Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Vinzenz von Rosenzweig 1838)



Fackel du am Himmelszelt,
Gottes Huld auf dieser Welt!
Wolle hören auf mein Fleh'n,
Und auf meine Lage seh'n:

Denn aus hundertfacher Qual
Eilt' ich flüchtend in dein Thal.
Segne mich mit milder Hand,
Schüttle nimmer dein Gewand!*

Giesse aus die Gnadenfluth,
Lösche meines Grames Gluth,
Oder mach' mich, Issa gleich,
Frei von diesem Gluthenreich.

Oeffne mir der Gnaden Thür,
Dass ich möge für und für
Hunderttausend Rosenau'n
Und Jasminenfelder schau'n;

Oder lass' in meine Brust
Ströme fliessen hehrer Lust:
Wasser, Honig, Milch und Wein
Sollen diese Ströme seyn.

Gib, was ich gewünscht von dir,
Oder tilg' den Wunsch in mir;
Halte ja dein Wort gewiss;
Thue Jenes oder Diess.

Flehe ohne Unterlass
Um den Beistand Mustafa's,
Der auf des Erbarmens Pfad
Huldvoll diese Welt betrat!

* Das heisst: Verlasse mich nicht, gebe mich nicht für verloren.
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