Sprich, wie lebst du, meine Seele,
Du mein sehend' Augenpaar?
Sprich, wie lebst du, Neid des Mondes,
Neid des Himmels immerdar?
Hunderte sind deinetwegen
Wüste und berauscht, wie ich:
Sprich, wie lebst du ohne mich wohl?
Ich, ich kränkle ohne dich.
Orte, wo du nicht bist, scheinen
Scorpionenlöcher mir:
Sprich, wie lebst du an den Orten
Wo nichts lebet ausser dir?
Himmelsvogel, der du stürztest
In ein Netz von Thon und Fluth!
Sprich, wie lebst du hier auf Erden,
Umgeformt zu Fleisch und Blut?
Aus dem schönen Rosengarten
Fielst du auf die Asche heiss:
Sprich, wie lebst du gegen ehmals
In der Aschenmänner Kreis?
Du, o hoher Caf * der Ruhe,
Hast dich zur Geduld gestählt:
Sprich, wie lebst du, der, gleich Anca,
Einsamkeit dir hast erwählt?
Nur durch dich besteh'n die Welten;
Doch in welcher Welt bist du?
Sprich, wie lebst du, Allbeleber,
In der abgeschied'nen Ruh'?**
Der du Sonnenglanz beschämest!
Sprich, wo ist dein holder Ost?
Sprich, wie lebst du, der du Gifte
Gern verkehrst in süsse Kost?
Umgestürzt hast du mein Wesen;
Selber fass' ich mich nicht mehr:
Sprich, wie lebst du, dem für immer
Folgt der Streite wildes Heer?
Wenn du fern von Herzen weilest,
Wie bewohn'st du dieses Herz?
Sprich, wie lebst du, wenn in Herzen
Du geläutert hast den Schmerz?
Tebris' Sonne, hehrer König,
Dessen Gleichen man nicht kennt,
Sprich, wie lebst du, vom Allmächt'gen
Nur mehr bogenweit getrennt?***
* Der Berg Caf, der
Bergrücken Asiens, der, wie gesagt, die ganze Erde gleich einem
Gürtel umgibt, ist gleichsam Symbol der Festigkeit, wie der ihn
bewohnende fabelhafte Vogel Anca das Bild zufriedener Genügsamkeit.
** Wörtlich: Die Körper leben durch dich, wie geht es dir
allein? In diesem Verse ist ein Wortspiel mit Tenha, das sowohl
die Körper als allein bedeutet.
*** Eine Anspielung auf die Stelle des Koran's: "Dann nahte er sich;
dann trat er näher hinzu und war genahet bis zum Zwischenraume
zweier Bogen oder noch näher". Sure: der Stern.
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