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Amalie Senninger
(1866-1921)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Dir
Du bist ein stilles Dörflein im Abendlicht,
Bist eines jungen Herzens Liebesgedicht —
Du bist zum heiligen Abend der erste Schnee,
Bist eine erste Träne, ein erstes Weh.
Du bist die klare Quelle dem heissen Blut,
Ein Strauss von Alpenrosen dem Jägerhut,
Du bist zu meiner Krippe der Weisen Stern,
Ich folge deinem Lichte und lob den Herrn!
(S. 42)
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Ich liebe dich!
Ich liebe dich,
Mein Auge hat es gestanden,
Am Herde zwei kleinen Flammen,
Die sich neigten und beugten,
Küssten und kosten,
Bis sie lohten in eins zusammen. —
Ich liebe dich,
Meine Kugel hat es gestanden,
Wilden Tauben am Tannenast,
Wo im Liebestraum,
Eng angeschmiegt,
Sie sassen zu wonniger Rast.
Ich liebe dich,
Meine Hand hat es gestanden,
Am Fenster zwei Regentropfen!
Sie einte die kleinen,
Auf selbiger Spur,
Zur Kugel mit leisem Klopfen!
Ich liebe dich.
Fern dieser grauen Welt,
Wird im leisen Flügelwehn,
In goldenen Weiten
Meine Seele der deinen
Ihre heimliche Liebe gestehn —
(S. 94)
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Sie sagen
Sie sagen, sie möchten Blumen sein,
Veilchen an Mädchens Mieder,
Sie sagen, sie möchten die Sonne sein,
Sie gingen nimmer nieder.
Sie sagen, sie möchten Vöglein sein,
Eine Laute, der West, ein Gedicht —,
Ich aber, ich möchte die Flocke sein,
Draussen im Winterlicht!
Ich fiele auf die Lippen dein,
Und dort wollt’ ich vergehn.
Neben mir blühende Röselein,
Drüber funkelnder Sternenschein,
Über mich flutet dein warmes Wort,
Schon bin ich fort! —
(S. 95)
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Einst
Wir waren zusammen in ferner Zeit,
Ich weiss es, in fremden Landen,
Drüben am Rheine scheint es mir
Und haben uns herrlich verstanden.
Warst du am Fenster der Troubadour,
Dess Laute klagend erklang,
Ein Bertrand de Borne, der mich pries,
Und die süss herbe Minne sang?
Hast du in der Perücke weiss,
Am Ende der Orangerie,
Mir offeriert die Rose zart,
Mein galanter Herr Marquis?
Vielleicht auch gingen wir gleichen Schritt,
Als die Marseillaise erbraust,
Vielleicht traf dort an der Conciergerie
Uns die Jakobiner Faust?
Oder sassen wir im Ardennenschloss,
Schon beieinander zu Gast,
Du trankst mein Wohl, ich hielt deine Hand,
Die wonnige Hand umfasst.
Und weil dich mein Blick nicht treffen sollt,
— Den Andern ein leichter Spott —
Sucht ich dich dort im Gobelin
Als Nymphe neben dem Gott.
So, denk ich, wird es gewesen sein,
Ich fühl’s, denn sprech ich mit dir,
Flattert das Trikolorenband
Blau-weiss-rot über dir und mir!
(S. 96-97)
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Verlorene Spur
Im Lenze ging mir deine Spur verloren,
Weil’s Blüten darauf geschneit,
Im Sommer liess mich deine Spur verlieren,
Der Wiese Blumenkleid,
Im Herbste bist du wieder mir entronnen,
Dieweil dein Pfad durch dürre Blätter geht,
Als Retter musste mir der Winter kommen,
Den hab’ ich fragend an der Hand genommen,
Und sank aufs Knie und schrie ein heiss Gebet,
Doch eisig klang die Antwort: "Schneeverweht!"
(S. 99-100)
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Begegnung
Traf die Liebe heute Morgen
Draussen dicht am Waldesrand,
Sprach zu ihr: "Du hast wohl Sorgen,
Blickst so kummerschwer ins Land?
Sieh, hier ist für dich ein Plätzchen,
An dem stillen grünen Saum
Geht kein Schatz mit seinem Schätzchen
Träumend seinen Liebestraum."
Sprach die Lieb: "Ich bin geflohen,
Liess die Menschen heut allein,
Glaube mir, es half kein Drohen,
Menschen werden Menschen sein.
Einmal lass mich hier im Walde
Ruhen, wo die Tanne rauscht,
Fern mir selbst auf sonniger Halde
Hätt’ ich gern mit ihr geplauscht.
Lass mich liegen, lass mich träumen,
Lass mich mit den Blumen hold
Dieses Waldes Mantel säumen,
Schillern in der Sonne Gold."
Und die Liebe streckt sich nieder,
Birgt ihr Haupt in Blüt' und Kraut,
Doch wie schnell erhebt sie's wieder -
Jungfer Eidechs ward getraut.
(S. 100-101)
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Mein Herz
Mein Herz ist ein Schiff auf hohem Meer
Es branden die Wogen wohl drüber her,
Weiss nicht ob je ein Port ihm winkt,
Ob es nicht draussen im Kampf versinkt.
Ich will bis zum letzten am Steuer stehn,
Mit dem sinkenden Schiffe untergehn.
Nur Eines erbitt ich: "Am Himmelsrand
Erscheine noch, Liebe vom Jugendland!" —
(S. 102)
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Du bist der Wald mein Lieb, ich bin sein Pfad
Ein Wandrer bin ich, der sich ihm genaht,
Ein jubelnd Kind, die Hand voll Maienglocken,
Ich bin ein Vogel, hörst du mein Frohlocken?
Ich bin sein klarer Quell, sein dunkler See,
Im Schneesturm unter seinem Schutz, ein Reh!
(S. 104)
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März
Du bist mir März mein Schatz, so lieb ich dich,
Und will dich nimmer bitten, sei mir Mai! —
Denn Mai, das wär Erfüllung meines Hoffens,
Und davor bangt mir wie vor Götterneid.
Ich will nicht immer blauen Himmel sehen,
Will nicht um Blüten schwärmen, süss verträumt,
Ich will bei dir im Sturm, in Flocken stehen.
Will sehen wie dein Herz im Zügel schäumt!
Nur manchmal, wenn die Wolken sich verschieben,
Lass mich ein Stück in deiner Sonne gehn,
Dies Licht trag ich in alle Erdentage,
Wenn meine Lampe lischt, wird’s mit verweh’n.
(S. 104-105)
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Die Seele mein, sie ist der stille See.
Du bist der Schwan, der Furchen drauf gezogen
Und auf die spiegelglatte Fläche schrieb
Indess mein sehnend Aug' dir nachgeflogen:
"Ich hab dich lieb, ich habe dich so lieb!"
(S. 105)
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Mein Herz hat eine Alpe
Mein Herz hat eine Alpe,
Drauf wachsen Edelweiss,
Hol dir, du liebliche Liebe,
Von meinem Berg den Preis.
Mein Herz hat grüne Matten
Und einen kühlen Quell,
Das Nass der silbernen Höhen
Macht dir das Auge hell.
Auf meiner Alpe die Gemsen
Jage in Weidmanns Rock,
Doch kleide dich in Purpur
Jagst du nach Zlatarog!
(S. 107)
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Loos
Viel Krüge schon sah ich zum Brunnen gehn,
Wohl waren Risse an ihnen zu sehn,
Wohl war ihr durstiger Mund oft rauh
Von der harten Lippe der Brunnenfrau —
Nur um ein Krüglein ist mir’s so weh,
Um mein schönes Krüglein so weiss wie Schnee!
Ein Engel konnte kein besseres haben,
Die himmlischen Gäste zum Mahl zu laben.
Ich trug’s zum Bronnen so manche Zeit,
Du schenktest Liebe drein, schenktest Leid —
Wie so goldig beides zusammengeschäumt,
Ich hätt’ mir fürs Leben nichts Besseres erträumt.
Dein Herz war mein Brunnen, einst ging er leer
Und stillte nimmer mein heiss Begehr!
Mein Krüglein zerschellt’ ich in bitterem Schmerz,
Da lag es in Scherben — es war mein Herz.
(S. 108)
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Seelensprache
Die Seele spricht aus den Augen,
Die Seele spricht aus den Worten,
Doch bin ich gewahr oft geworden,
Als Liebstes die Hände ihr taugen.
Ja, dass in dem Drucke der Hände
Ihre feinsten Kapitel sie schreibt,
Dass den Saiten der Finger verbleibt
Manch Preislied vom Seelengelände.
Denn Worte, sie können leicht trügen,
Sind oftmals nur Schellengewand,
Und im Rahmen des Auges fand
Ihr Pinsel nicht immer Genügen.
Doch wenn sich die Hände berühren,
Kann es werden ein Seelenkuss,
Ein strömender heisser Erguss,
Ein wonniges, stilles Verführen.
(S. 108-109)
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Fontana Trevi
Ein jeder Fremdling kennt im ewigen Rom den Bronnen,
Der um den Obulus ein Wiedersehen verspricht.
Ich warf in unserer Liebe tiefen Zauberbronnen
Die Seele mein — Fontana Trevi war er nicht.
(S. 109)
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Sehnsucht
Wie sich der Wald nach dem Frühling sehnt,
Wie er die Arme reckt und dehnt,
Wie nach dem Lenz sich bangt das Feld,
Sein Sehnen im Lerchenliede gellt,
Wie nach der Sonne das blinde Kind,
Wie der Wanderer verlangt nach dem Abendwind,
Den Demant im dunklen Erdenschoss
Es dränget zu leuchten still und gross,
Wie der Vogel sich flüchtet zum höchsten Ast,
Als der Sonne letzter und erster Gast —
So sehnt meine Seele die deine herbei,
Mit allen Gewalten im Todesschrei! —
(S. 110)
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Aus: Gedichte von
Amalie Senninger
Staufen Verlag Bad Reichenhall 1913
Biographie:
Amalie Senninger, geb. Kühbacher (20. April 1866, Passau – 25. Juni 1921,
Passau)
Amalie Senninger war eine deutsche Dichterin.
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