Mein Lieb
Nur Eine lieb' ich, der ich Treu' geschworen,
Weil sie ein edles Herz im Busen trägt!
Vor Allen hab' ich sie mir auserkoren,
Bis meine letzte, bange Stunde schlägt. -
Wie schön sie ist, will aller Welt ich künden,
Sie blüht, wie keine auf dem Erdenrund;
Wie lieb' ich dieser Augen Blitzeszünden,
Dies herbe Zucken um den stolzen Mund!
Ein Marmorrhythmus, diese edlen Glieder,
Wild weht das Haar vom Götterhaupt herab;
Kennt ihr sie wohl in Nah und Fern, ihr Brüder,
Der treue Lieb' ich schwor bis an das Grab?!
Hoch steht sie da, auf strahlender Warte,
Die Fackel brennt und qualmt in ihrer Hand,
Und neben ihr die rothe Kriegsstandarte:
So blickt sie kühn und trotzig in das Land.
So hab' zum erstenmal ich sie gesehen,
So bot sie mir den ersten Liebesgruß,
So will ich auch, soll es einmal geschehen,
Mein Leben weih'n für ihren Kuß.
So steht sie vor mir, morgenrothumflossen,
Auf bleichen Lippen Trotz und bittern Hohn;
Das Weib, für das so viel schon Blut vergossen, -
Mein stolzes, edles Lieb, die Rebellion.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 6-7)
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Erste Liebe
Erste Liebe, Rosenknospe!
Zarte Blüthe, scheu und rein;
Ahnungsvolle, ahnungslose,
Die will ich dies Liedchen weih'n.
Jugendliebe, Rosenknospe!
Frisch erblüht zur Maienzeit;
Wie die Rose kein Entblättern,
Keinen jähen Wechsel scheut.
Erste Liebe, Rosenknospe!
Selig, daß sie nie versteht,
Daß, wie erstes Frühlingswehen,
Sie auch selber bald verweht.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 74)
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Eines Schattens Traum ist der Mensch!
Ein Schmetterling mit flimmernden Flügeln,
Im flüchtigen Glanz;
Lautlosen Fluges schwebt er dahin
Ueber gähnenden Abgrund. -
. . . . . . . . . . . .
Eines Schattens Traum ist der Mensch!
Die bläulichen Schwingen des Sehnens und Denkens
Tragen ihn aufwärts zum Himmel hinan;
Hoch, immer höher in ew'ge Regionen,
Wo es so klar, so sonnenklar ist, -
Aber so dünn die Luft, so gletscherkalt,
Daß das Leben erstarrt,
Und der kühne Ikarus Mensch
Mit gebrochenen Flügeln
Zur Erde herabsinkt,
Zur Erde herab! -
. . . . . . .
Eines Schattens Traum ist der Mensch!
Eines Schattens Traum!
Und das Weltall ein ewiges Grab;
Doch über die Gräber, über das Leere,
Schwingt sich empor der erfüllende Geist,
Schwebt allverklärend in goldigem Schimmer
Erbarmende Liebe.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 75-76)
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Flücht'ge Liebe
Wohl weiß ich, Kind, daß nur für flücht'ge Stunden,
Du mir die gluthdurchhauchte Liebe beust;
Daß, wenn der Rausch schnell, wie er kam, entschwunden,
Du leichten Herzens and're Lieb' erneust;
Und doch will ich mein ganzes Herz dir schenken,
Bedingungslos, wie für die Ewigkeit,
Mich in den Gluthstrom hoffnungslos versenken -
Und dann, mein Lieb, leb' wohl für alle Zeit.
Und sollen wir uns morgen selbst schon trennen,
Bist du doch heut' mit Leib und Seele mein!
Drum laß der Liebe Opferflammen brennen,
Die Liebe flieht, o laß uns glücklich sein!
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 76-77)
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Trennung
Nur einmal ist sie mir auf meinem Pfad begegnet,
Auf kurzer Fahrt durch Wald und Feld und Flur;
Postglöcklein tönten, und es hat geregnet, -
Am Haltepunkt - adieu! - und ich verlor die Spur.
Und doch hat dieses wunderbare Wesen
In mir erregt der Liebe echte Gluth;
In ihren Augen habe ich gelesen:
"Ich bin auch dir von ganzem Herzen gut."
So leb' denn wohl, du kürzester der Träume,
So schön und kurz, - der Märchenwelt entlehnt!
Die Thräne perlt, der Wind weht durch die Bäume
Und aus der Ferne noch das Posthorn tönt.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 85)
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Ein Zauberwort
Tief in des Meer's krystall'nem Schooße,
Da liegt die Perle wunderbar
In unscheinbarem Muschelkleide
Oft unentdeckt viel tausend Jahr.
In Bergen und in dunkeln Schachten,
Gar tief in Staub und Schutt versteckt,
Da liegt das edle Gold und wartet,
Bis es der Bergmann aufgedeckt.
So giebt's im Menschenherzen Schätze,
So tief verborgen, unentdeckt,
Bis sie ein kleines Zauberwörtchen
Zu neuem Dasein aufgeweckt.
Dies kleine Wörtchen, es heißt "Liebe!"
Das Zauberwort aus Himmelshöh'n; -
Und, wer es kennt, der sieht im Dunkel
Auf einmal helle Pracht entsteh'n.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 87-88)
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O weis' im Trotz kein Herz zurück!
O weis' im Trotz kein Herz zurück,
Das sich in Lieb' dir zugewandt!
Verachte nicht der Liebe Glück,
Stoß' nicht von dir des Freundes Hand!
Was auch das Leben bieten mag,
Wenn hart, wie Stahl, du dich auch wähnst,
Es kommt der Tag, es kommt der Tag,
Da du dich nach der Liebe sehnst.
Ob dir das Leben auch vergällt,
Ob dich das Schicksal hart gemacht, -
O kehr' den Rücken nicht der Welt,
Sonst bist allein du über Nacht!
Dünkst du dich groß? Gemach, gemach!
Der du die ganze Welt verhöhnst, -
Es kommt der Tag, es kommt der Tag,
Da du dich nach der Liebe sehnst.
Und hättest du ein Herz von Stein
Und einen Nacken, wie von Erz, -
Des Schicksals Hammer schlägt dich klein,
Und du empfindest herbern Schmerz,
Kalt weht der Wind, die Flur liegt brach,
Derweil an Trümmer du dich lehnst,
Und wohl den lieben, langen Tag
Umsonst dich nach der Liebe sehnst.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 92)
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Vernünftige Liebe
Du bist vernünftig, liebes Kind,
Erhörst mich jetzt noch nicht;
Wess' Taschen leer, wie meine sind,
Der ist ein armer Wicht.
Du bist vernünftig, liebes Kind,
Willst warten bis ich mir
'Ne profitable Stellung gründ' -
Und das ist klug von dir.
Es ist ganz hübsch, es ist ganz klug,
Anständig ist es auch;
Es lehret dich dein Sittenbuch,
Was braver Leute Brauch.
Ich tadle nicht, ich schmolle nicht, -
Ich kenn' ja diese Zunft!
Doch wisse, was die Liebe spricht,
Klingt anders, als Vernunft.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 96)
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Klein Elly
Klein Elly liegt auf der Todtenbahr'
In weißen Rosen geborgen,
Geschlossen sind die Aeugelein klar,
Verstummet ist, was mein Liebstes war; -
Sie ruht nun aus von den Sorgen.
Du schiedst am Abend, ich wachte die Nacht,
Ich wachte wohl bis zum Tage;
Die Sonne ging auf in rosiger Pracht,
Sie sandte die Strahlen in's Kämmerlein sacht'
Und lachte ob meiner Klage.
Die Vögelein zwitscherten Morgengesang,
Es perlte der Thau in den Zweigen;
Da zuckt' es und krampft' es im Herzen mir bang,
Da war es, als ob eine Saite zersprang,
Um für ewige Zeiten zu schweigen.
Der Sommermorgen war herrlich erwacht,
Da küßt' ich die bleiche Geliebte,
Die Augen, die mich einst angelacht
Mit ihrer traulich-freundlichen Pracht,
Bis der grausame Tod sie mir trübte.
Ich küßte die Wangen, ich küßte den Mund,
Ich küßte die wächsernen Hände; -
Klein Elly lieb, mein Herze ist wund,
Sie senken dich in den kühlen Grund,
Und der holde Traum ist zu Ende.
Klein Elly, du nahmst mein Herz mit dir,
Kann nur noch klagen und flennen: -
O kalte Erde, du kühle auch mir
Das, was mich quälet hier für und für:
Im Herzen das Glühen und Brennen!
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 105-106)
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Viola
Ueber das schimmernde, lichte Gehölz
Sprüht feiner Regen;
Tröpfelndes Laub, grünseidener Schmelz,
Rauschender Segen!
Lachendem Liebchen in luftigem Kleid
Ist es so wohl;
Während ich küsse die duftige Maid,
Pfeift der Pirol.
Thauiges Veilchen da - wonniger Fund -
Waldesjuwel!
Körnchen Saphir auf smaragdenem Grund -
Liebchen, o wähl'!
Schmücke dich, öffne, du reizendes Kind,
Schnell deinen Schrein!
Schau', von den Zweigen streift dir der Wind
Perlen hinein!
Da, von dem Riedgras pflücke geschwind
Den Diamant;
Schau', wie er funkelnd herniederrinnt
Dir in die Hand!
Bräutchen mein, schmücke dich, greif' immer zu, -
Haben es ja!
Herzigbescheidenes Mägdelein du,
O Viola!
Schau', die Natur ist mein Hofjuwelier!
Bin auch kein Lump;
Und bei der Göttlichen haben wir
Ewigen Pump.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 106)
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Lenz-Gebet
Grüner Sammet unter mir,
Blaue Seide über mir,
Gelbe Dolden schwanken;
Heerdenglocken läuten nah;
Herz, mein Herz, hallelujah! -
Danken, danken!
Vogelsang und Blumenduft, -
Wollust zittert in der Luft,
Klopft in allen Trieben;
Heißa, denn der Lenz ist da, -
Schatz, mein Schatz, hallelujah!
Lieben, lieben!
Pfäfflein hält uns nicht im Bann,
Bibel so wie Alkoran
Sind uns unerfreulich;
Glöcklein blau, campanula,
Läutet uns - Hallelujah!
Heilig, heilig!
Horch, es dudelt froh im Wald,
Daß es jauchzend wiederhallt,
Pan auf Weidenflöten;
Faune kreischen Gloria;
Süßes Lieb, hallelujah!
Beten, beten!
Zarter Busen, lindes Moos -
Ich befehl' in deinen Schooß
Mich in Gottes Namen.
Herz an Herz, sanctissima, -
Hohes Lied, hallelujah!
Amen! Amen!
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz) (S. 108-109)
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Friede in der Natur
(Basel, Kannefelder Friedhof, 9.
Juli 1885)
Senke dich in meine Seele,
Hehre Reinheit der Natur,
Daß sie thaufrisch sich vermähle
Mit der sonnenhellen Flur.
Lieblich frisch im Morgenglanze
Athmet stumm das junge All,
Wie die Braut im Myrthenkranze,
Rein, wie vor dem Sündenfall.
Alles Nied're ist entschwunden,
Und der Schmerz hat sich gelegt;
In den frischen heißen Wunden
Leise sich's wie Heilung regt.
Todte Braut, dein Herze lebet
Bräutlich fort in der Natur;
Es umwebet und umschwebet
Freundlich mich in Wald und Flur.
Aus: Stimmen im Sturm
Gesammelte Dichtungen
dem arbeitenden Volke gewidmet
von Maurice Reinhold von Stern
Zweite vermehrte Auflage
Zürich 1888 Verlags-Magazin (J. Schabelitz)
(S. 109)
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Gabriele
Lasse mit blutenden Rosen bedecken
Sanft deiner Glieder hell schimmernde Pracht!
Will dich aus wonnigem Schlummer erwecken,
Liebchen, nach selig durchtändelter Nacht.
Flutenden Lichtstrom und tauige Rosen -
Zärtlich flüstert der zuckende Mund:
Tu m'étouffe sous des roses!
Lieblich erwacht das entschlummerte Leben,
Reibt sich den Schlaf aus den Augen und lacht;
Flüchtigen Flugs durch die Boulevards schweben
Huschende Flügel - Paris ist erwacht.
Leicht, wie ein Duft von Veilchen und Rosen,
Haucht es über die Tuilerie'n:
Tu m'étouffe sous des roses!
Aus Sonnenstaub
Neue Lieder
von Maurice Reinhold von Stern
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich
k. R. Hofbuchhändler 1890
(S. 31)
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Reue
In Trotz und Jähzorn hab' ich dich verlassen,
Dich, meines Lebens allerschönste Zier!
Ach, deine Kniee möchte ich umfassen -
O, Liebe, Liebe, du, verzeihe mir!
Ich irrte fühllos durch die Welt der Sünden,
Im Herzen Heimweh nur nach dir, nach dir;
In's Meer der Sehnsucht will die Klage münden:
O Liebe, Liebe, du, verzeihe mir!
Im Staube wandre ich mit wunden Füßen,
In Reueglut erstickt des Lebens Gier;
Für die Sekunde muß ein Leben büßen -
O, Liebe, Liebe, du, verzeihe mir!
So rufe ich in qualdurchtränkter Stunde,
Doch aus dem Grabe dringt kein Laut zu mir;
Im Traume nur hör' ich aus deinem Munde
Ein heißes Flüstern: - Ich - verzeihe - dir!
Aus Sonnenstaub Neue Lieder
von Maurice Reinhold von Stern
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich
k. R. Hofbuchhändler 1890 (S. 42)
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Wilde Ehe
Euch führte zusammen die Lieb' allein,
Kein Pfaffe hat euch gesegnet,
Und doch hat auf euch wie Sonnenschein
Das Glück gethaut und geregnet.
Drum frisch gefreit,
Ob man euch tadelt!
Die Liebe weiht,
Die Treue adelt.
Du freies, du loses, glückliches Paar!
Sei gesegnet, gesetzlose Ehe!
Ich spüre in dir kein Arg, fürwahr! -
Ich spüre die göttliche Nähe.
Drum frisch gefreit,
Ob man euch tadelt!
Die Liebe weiht,
Die Treue adelt.
O Treue, du liebliches, warmes Wort!
Verklärerin, himmlische Jugend!
Ihr wilden Ehen, blüht immer fort
Und seid ein Beispiel der Tugend!
Drum frisch gefreit,
Ob man euch tadelt!
Die Liebe weiht,
Die Treue adelt.
(S. 27)
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Meine Liebe
Einst war mein Muth und meine Liebe klein;
Es spielte Haß in reine Glut hinein.
Dann wuchs die Liebe aus der Erde Schooß,
Himmlisch und erdverwandt - und riesengroß!
Sie flammte auf bis an des Himmels Dom,
Sie strömte aus, ein breiter, tiefer Strom;
Sie fürchtet nicht mehr Nacht und Noth und Tod,
Und sie ergießt sich, wie das Morgenroth,
Hin auf die ahnungsdüstr're, arme Welt,
In tiefes Dunkel, das sich nun erhellt.
Sie leiht sich Flügel von dem jungen Aar;
Sie steigt zur Sonne, warm und licht und klar;
Sie sendet Ströme weit und breit umher
Und mündet leuchtend in das ew'ge Meer.
(S. 29)
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Eislauf im Mondschein
Sternklare Nacht.
In den eisigen Himmel
Der Frostwind bläst,
Daß die Sterne glitzernd,
Windlichtern gleich,
Am Himmel flackern.
Es sendet hernieder
Die bleiche Sichel
In die schneehelle Nacht
Den silbernen Glanz.
Gespenstisch flüstert
In rauschendem Schauer,
Einer düsteren Sage
Des Nordlands vergleichbar, -
Vor Kälte ächzend,
Knisternd der schneegepuderte Wald.
- - - - - - - - - - - - - - - - -
Vor uns schlängelt sich durch die Nacht,
Rechts die knarrenden Tannen,
Links das dürre Binsengeflecht,
Im Winde zischelnd, -
Blinkend des Stromes Silberband -
Mondverklärt.
Eine spiegelnde Glätte!
Ein eisiger Blitz
Durch die düst're Landschaft! -
Stiebend flieh'n wir dahin
Auf stählernen Sohlen:
Ich und mein tolles, gluthäugiges Lieb;
Hand in Hand, die Arme gekreuzt.
Wie funkelt das Auge!
Wie glüht die Wange
In purpurnem Blut!
Wie schmilzt vor den sengenden Fieberblicken
Schnee und Eis!
Wie schmilzt mein erstarrendes Herz
In Liebe, dahin!
Glut, Glut, pochende Glut in dem Eise!
Maiduft im Schnee!
Es keimt die Lenzsaat
In Frost und Wind.
Ja, flackert, ihr eisigen Sterne,
Doch seid ihr die glutenden Leuchten
Zum Fackeltanz
Meines Hochzeitsfests!
(S. 48-49)
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Verwaiste Blumen
Als ich dich zuerst geseh'n,
Rosen vorn am Mieder,
Hauchte erstes Frühlingsweh'n,
Blühte blau der Flieder.
Durch das Thor an der Bastion
Eilten wir im Lenze,
Und im Korn aus rothem Mohn
Wandest du dir Kränze.
Flieder, Mohn und Röslein roth -
Wenn ihr Worte hättet!
Unter weißen Rosen, todt, -
Liegt mein Lieb gebettet.
Aus: Excelsior! Neue Lieder
von Maurice Reinhold von Stern
Zürich 1889 Verlags-Magazin (J. Schabelitz)
(S. 52)
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Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Reinhold_von_Stern
