Bruno Wille (1860-1928) - Liebesgedichte

Bruno Wille



Bruno Wille
(1860-1928)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Die beiden Waldfeuer

Waldfeuer drüben an der Bergeshalde,
Dein Wölkchen Rauch
Schwebt einsam nicht; aus meinem Tannenwalde
Steigt gleicher Hauch.

Ob dort und hier zwei treue Herzen flammen,
Getrennt durch Kluft und Strom/
Den Rauch, die beiden Säulen, schmilzt zusammen
Ein Himmelsdom.

Die Ferne hat ein Minnen uns beschieden,
Das nicht genießt,
Nur segnend grüßt/ und sanft zu Gottes Frieden
Hinüberfließt.
(S. 5)
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Und ob ich ewig dunkel bliebe

Wie traurig diese Wälder düstern!
Kein Sonnengold tief innen lacht;
Das tun die felsengrauen Rüstern,
Von Laubgeflechten überdacht.

Auch ich so trüb. Der Liebe Gnade
Darf strahlen nicht zu meinem Grund.
Die Sorg umdüstert meine Pfade,
Ich bin ein öder Dickichtschlund.

Doch duld ich lächelnd, heilige Sonne,
Daß sich dein Brautkuß mir verschließt /
Wenn draußen nur die goldne Wonne
Um tausend Sonnenkindlein fließt.

Laß lieben dich mit jener Liebe,
Die nicht Genuß, nur Andacht will.
Und ob ich ewig dunkel bliebe /
Von deinem Leuchten träum ich still.
(S. 6)
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Ich und Du

Wir hielten uns umschlungen;
Nachtodem hauchte mild,
Der Junimond durchblaute
Gebüsch und Grasgefild.

Ich staunte in die Landschaft;
Die lag so fremd. Doch klang
Geheim aus Sternenmeeren
Ein heimatlicher Sang.

Ich staunte in dein liebes,
Mondbleiches Angesicht /
Auf deiner Augen Grunde
Erglomm ein fremdes Licht.

Und dich auch sah ich staunen;
Die Lippen zuckten stumm.
So weh war unsre Liebe /
Wir ahnten wohl, warum.

So weh / ob Mund an Munde
Auch süßen Taumel trank;
So weh / ob Aug in Auge
Auch liebetief versank.

Wir fühlten, Herz an Herzen,
Wie ewig dich und mich
Ein banger Abgrund scheidet /
Wir sind ja du und ich!

Wir schluchzten auf / vor Heimweh!
Die Heimat liegt so weit,
Dort hinter Sternenmeeren,
Weit, in der Ewigkeit.

Dort in der Heimat findet
Dies bange Schmachten Ruh:
Es fließen ineinander /
O selig / ich und du.
(S. 17-18)
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Traum von heimlicher Hochzeit

So heimlich süß war unsre Hochzeitsfeier:
Wir lagen dicht
Beisammen, überwallt von einem Schleier;
Man sah uns nicht.

Wir hörten, wie die Leute nach uns fragten
Im gleichen Raum.
Wir unterm Flore blieben reglos, wagten
Zu atmen kaum.

Nur unsre Hände durften sacht sich drücken,
Wie küssend fand
Sich Hauch zu Hauch, mein Knie war mit Entzücken
An deins gebannt.

Mein glühend Auge, das im Dunkeln schaute,
Versank in deins;
Ich war in dir, du warst in mir, uns traute
Die heilige Eins.

Wohlan, was Edens Glut zusammenglühte,
Trennt keine Welt.
Hinweg denn, Angst, da uns die Hand der Güte
Geborgen hält.

Wir ruhn verhüllt; zum Baldachin, zum Himmel
Ward unser Flor.
Uns singt von Flügelköpfchen ein Gewimmel
Den Minnechor.
(S. 19-20)
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Der frühe Tag

Tag mit deinen kalten Blicken,
Wie so frühe bist du da!
Meinen Traum hast du vertrieben,
Ach den lieben
Traum, darin ich Liebchen sah.

Grämlich bleich wie eine Greisin
Blickt in mein Gemach die Welt.
Weib, du wirst mit öden Händen
Nimmer spenden,
Was der Traum mir lieb gesellt.

Schließe, Tag, dein kaltes Auge,
Schleich ein Weilchen noch zurück!
Träume, laßt mein Lieb, mein Leben
Mich umschweben!
Hab ich doch kein ander Glück.
(S. 21)
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Ruheschrein

Ein Bettlein ward mir zugedacht,
Wie's keine Mutter sanfter macht.

Ich bette mich in seine Ruh,
Wann ich den letzten Seufzer tu.

Und träume lächelnd: O was hab
Ich für ein wundersüßes Grab!

Von deiner Liebe eingewiegt
Und wie in Gottes Schoß geschmiegt!

Nun drücke noch / als weißen Stein /
Die Hand auf diesen Ruheschrein /

Die Hand aufs Herz dir selber, du!
Drin ich so treu geborgen ruh.
(S. 22)
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Alles um Liebe
(Nach A. de Musset: An Ninon)

Vorbei! Die Stunden wandern;
Ins Schattenreich entschwebt
Der eine Tag zum andern ...
O Herz, heißt das gelebt?

Noch blüht ihr, letzte Rosen,
Vom Abendstrahl umloht;
Mit kalter Hand zu kosen,
Kommt diese Nacht der Tod.

Der Garten wird verschneien ..
Dann fragt ein Seufzen schwer:
Warum nur blieb im Maien
Dies Herz von Liebe leer?

Mein Leben geb ich gerne
Um Kuß und zärtlich Wort.
Und bleibt die Liebe ferne,
Ich werf es achtlos fort.

Mag Stund auf Stunde rinnen;
Was kümmert mich die Zeit!
Ein Augenblick voll Minnen
Wiegt eine Ewigkeit.
(S. 26)
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Gedenke mein!
(Nach A. de Musset)

Gedenke mein, wenn Morgenrot die Tore
Zum Throngemach der Sonne leis erschließt;
Gedenke mein, wenn dir im Sternenflore
Die feierstille Nacht vorüberfließt;
Wenn bei der Freude Ruf die Pulse rascher fliegen,
Wenn Abendschatten dich in sanfte Träume wiegen.
O geh hinaus, zu lauschen,
Was Wälder heimlich rauschen:
Gedenke mein!

Gedenke mein, wenn das Gebot der Sterne
Aus diesem Arm dich unerbittlich wand;
Wenn mich das Heimweh in der kalten Ferne
Nach dir verzehrt, du einzig Heimatland.
Denk an mein Lebewohl, an unsre Zährenfluten;
Nicht Meere zwischen uns ersticken treue Gluten,
Und meines Herzens Schlagen
Soll zuckend noch dir sagen:
Gedenke mein!

Gedenke mein, wenn in der Erdenkühle
Ich träumend ruh, und eine Blume sprießt
Einsam und zärtlich aus dem Rasenpfühle;
Du ahnest, was die Knospe keusch umschließt.
Dein Auge sieht mich nicht, doch soll geheimes Leben,
Ein treuer Schwestergeist, dem Blumenkelch entschweben
Und horch, in Nacht und Schweigen
Zu dir sich seufzend neigen:
Gedenke mein!
(S. 27-28)
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Die Tote mahnt

Wenn die unsichtbare Hand
Dich aus meinen Armen wand,
Fragt dein Grübeln wohl beklommen,
Wie ins Öde du gekommen ...
Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?

Wenn ums Schloß der Nachtwind rauscht,
Seufzend deine Sehnsucht lauscht /
Horch, ein Riegel geht verstohlen,
Und es schleicht auf scheuen Sohlen ...
Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?

Wenn die Traufe wimmernd tropft,
Und das Herz zum Springen klopft,
Wenn vom Schluchzen hingerissen
Sich dein Antlitz birgt im Kissen /
Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?

Wenn im Regensturm der See
Wogend raunt, wie alles Weh
Wiegeselig dir entschliefe
In der todeskühlen Tiefe ...
Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?

Wenn dann blüht aus Wolkendunkel
Trostgesang und Sterngefunkel /
Weißt du, was so zärtlich zittert
Und wie Odem dich umwittert?
Weißt du, Liebster? Weißt du wohl?
(S. 29)
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Sie starb an Liebe

Tief im Zypressenhaine
Fand ich ein Totenhaus.
Auf eingesunknem Steine
Lag dürr ein Rosenstrauß.

Es raunten scheu die Zweige:
"Hier schlummert eine Maid.
Sie starb an Liebe. Neige
Dich vor dem heilgen Leid!"

Da weint ich vor Erbarmen:
Gibt es kein Avalun,
Wo in geliebten Armen
Auf Rosen Bräute ruhn?

O Herz, das im Geloder
Der Liebe fromm verglüht /
Dein Avalun ist Moder,
Wo keine Rose blüht.

Ihr Tränen, seid dem Staube
Der wüsten Gruft ein Born /
Vielleicht daß eine Laube
Sich wölbt von Rosendorn ...
(S. 30)
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Föhren glühen

Im frostigen Herbstgebrause,
Von Nebelregen umgraut,
Düster träumte die Föhre /
Wie eine verlassene Braut.

Auf einmal spaltet die Sonne
Blaugraue Wolkenfetzen,
Mit goldiger Abendflamme
Das Föhrenhaupt zu netzen.

Da rinnt durch starre Adern
Ein Hauch von Jugendglut;
Zum Antlitz wallt es zärtlich,
Stürmisch schmachtendes Blut.

Der Stamm und alle Zweige
Erglühen purpurrot,
Als weihe träumend sich die Braut
Dem Liebesflammentod.

Nun lischt der hehre Feuerball,
In Wolkenklüfte versunken ...
Die Föhre starr dem Liebsten nach
Verzückt und flammentrunken.

Es war nur ein flüchtig Umfangen,
Ein Flackern; doch war's einmal
Und lohnt die Seufzer alle
In grauer Lebensqual.

So komm denn, Nacht und Öde,
Umhülle den Föhrenbaum /
Er trägt an seligem Herzen
Gestillter Liebe Traum.
(S. 48-49)
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aus: Bruno Wille Der heilige Hain
Ausgewählte Gedichte
Verlegt bei Eugen Diederichs Jena 1908


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Wille

 

 


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