Hans Aßmann Freiherr von Abschatz (1646-1699) - Liebesgedichte

 



Hans Aßmann Freiherr von Abschatz
(1646-1699)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Die fremde Regung

Im Mittel aller Lust / die Glück und Zeit mir geben /
Kan ich ohn Silvien nicht frölich leben;
Und wenn ich bey ihr bin / so spielet um mein Herz
Ein angenehmer Schmerz.
Mein Sinn fühlt sich gereizt von unbekandtem Triebe /
Ich such / und treffe sie doch ohne Furcht nicht an.
Wofern ein Mensch iemahls unwissend lieben kan /
So glaub ich / daß ich liebe.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 248)

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Der unbekandte Liebhaber

Schau die Künheit fremder Hand /
Welche / sonder dich zu kennen /
Macht durch diese Schrifft bekant
Ihrer treuen Seele Brennen /
Welche dich nicht kennen will
Und nur kennet allzuviel.

Fordre meinen Nahmen nicht
Biß ihn wird die Zeit entdecken /
Und der treuen Dienste Pflicht
Gleiche Flamm in dir erwecken /
Biß man mich auch ungenennt /
Gleich wie deine Tugend kennt.

Mehr ich deiner Sclaven Zahl /
Du bist drum nicht mehr geplaget;
Wenn ein andrer seine Qual
Dir mit langen Worten klaget /
Sollen stumme Dienst allein
Meiner Liebe Zeugen seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 248)
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Mein allein / oder laß es gar seyn?

Beliebe mich für andern zu erwehlen /
Mein Herze giebt sich ganz zu eigen dir.
Doch wo du dir ein Fremdes wirst vermählen /
Nehm ich das Mein hinwieder auch zu mir.

Wie sehr mich ie Gelück und Himmel hasset /
Bleibt doch mein Herz und meine Treue rein;
Wann aber dich ein fremdes Joch umfasset /
Soll mir dein Strick der Weg zur Freyheit seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 248-249)
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Die stumme sprache

Wenn ich nicht reden darff / nimm meine Seuffzer hin;
Sie werden dir in ihrer Sprache sagen:
Wenn Glück und Himmel hätten meinen Sinn /
Ich wolte dir mehr Opffer tragen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 249)
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Wo gieng diesre hin?

Du hörest / wie von mir manch stiller Seuffzer geht:
Ach Fillis / frage nicht / wohin die Reise steht.
Der Weg ist kurtz: dir steht zu rathen frey /
Ob er vielleicht an dich gerichtet sey.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 249)
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Er läst sie rathen

Weiß Fillis nicht den Ursprung meiner Plagen?
Die Gegend hier wird mein Veräther seyn:
Diß Holtz / die Bach / die Aue wird dir sagen /
Wie ich bey Tag und Nacht pfleg auszuschreyn
Die Menge meiner Pein.

Den stummen Ort nehm ich zu meinem Zeugen /
Daß Liebe mir entzündet Brust und Geist.
Er weiß / was ich sonst pflege zu verschweigen /
Den Feind / der mich zu quälen sich befleisst:
Rath / ob er Fillis heist!

Mein Leben ist / wenn ich bey ihr kan leben /
Mein Tod / wenn ich muß ihre gegend fliehn.
Wilt du auff mein Verhalten Achtung geben /
So kanst du leicht daraus ein Urtheil ziehn /
Daß ich dein eigen bin.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 249-250)
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Liebe für Liebe

Wozu will Silvia / die Werthe / mich verbinden?
Daß ich sie lieben soll? Ich geh es willig ein:
Sie soll mich ihren Diener finden.
Doch / wo ihr Herze will ohn Gegen-Liebe seyn /
Wozu will Silvia / die Werthe / mich verbinden?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 250)
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An seine Augen

Ihr Augen / höret auff Silvinden zu beschauen!
Mein Herze / welches sie kennt besser weder ihr /
Sagt mir / daß eure Lust wird sein mein Ungelücke.
Es zwinget die Begier /
Halt eure Stralen auch zurücke /
Und höret auff Silvinden zu beschauen?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 250)
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Ihr Augen / eure Blicke
Gerathen in Verdacht:
Nehmt euch für Ungelücke /
Das eure Künheit macht /
Hinfort genau in Acht.

Man saget / daß ihr spielet
Nach der Verliebten Art /
Wiewohl ichs nie gefühlet /
Und eurer Stralen Fahrt
Auff Rosen-Wangen paart.

Entdeckt nicht Unbekandten
Was ihr itzund allein
Solt meiner Amaranthen /
Durch dunckler Farben Schein
Ins Herze schreiben ein.

Lasst sie von ferne wissen /
Was dieser treue Mund /
Im Fall sie zu beküssen
Ihm möchte seyn vergunt /
Ihr würde machen kund.

Bringt mir Bericht zurücke /
Was zu erwarten sey /
Und ob auch ihre Blicke
Sich / sonder Heucheley /
Dem Herzen nahen bey.

Ich will mit Willen tragen
Die auffgelegte Schuld /
Nicht über Unrecht klagen /
Wo Amaranthens Huld
Ist meiner Blicke Gold.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 250-251)
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An ihre Augen

Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
Ihr meine Lust und süsse Pein /
Was netzet ihr die trüben Wangen /
Was sagt mir euer blasser Schein?
Habt ihr mein Herze nicht empfangen?
Was fodert / was verlangt ihr mehr?

Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
Ihr sehet meine Schmerzen an /
Und kennt die Menge meiner Plagen:
Wofern ich euch vergnügen kan /
Will ich mit Lust den Tod ertragen.
Was fodert / was verlangt ihr mehr?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 251-252)
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Betrüger / die ich ehr /
Untreue / die ich liebe /
Was stralet ihr so sehr
Ihr schlauen Herzens Diebe!
Wer siehet wie ihr spielt / und bildet ihm nicht ein /
Ihr werdet voll Erbarmen seyn?
Die falsche Freundligkeit
Und eur verliebtes Blicken /
Zeigt Sonn und schöne Zeit /
Pflegt Blitz und Nacht zu schicken.
Wer siehet wie ihr spielt / und kan ihm bilden ein /
Daß ihr so grausam sollet seyn?
Macht Augen / daß eucht nicht
Die Welt Cometen nennet!
Seyd das gepaarte Licht
Dem Tisis Opffer brennet /
Führt uns durch euren Glanz in sichern Hafen ein:
Man wird euch ewig danckbar seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 252)
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Die bitter-süsse Dulcinde

Kind / deine Freundligkeit
Kan Freud und Lust erwecken /
Wo Trauren / Sorg und Leyd
Im innern Herzen stecken:
Man sieht auff deinen Wangen
Narziß‘ und Rose prangen.
Doch will ich was darvon
Mit süssem Zwange brechen /
So pfleget mich zum Lohn
Ein scharffer Dorn zu stechen.
Ich darff nicht frey bekennen
Wie Herz und Seele brennen.
Wilt du mit gutem Recht
Dulcindens Nahmen führen /
Laß deinen treuen Knecht
Genad und Gunst verspüren.
Den Honig auff dem Munde
Verderbt die Gall im Grunde.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 252-253)
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Bedörnte Rosen

Rosen blühn auff deinen Wangen /
Liljen führt die Stirne mit;
Aber den / der nahe tritt /
Stechen Dornen / Bienen / Schlangen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 253-254)
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Der Liebe Gifft und Gegen-Gifft

Der klugen Aerzte Kunst weiß allem Ubel Rath /
Was fast zu finden ist in weiter Erde Schrancken:
Wie kommts / daß sie kein Mittel hat
Für eine Noth / daran fast alle Welt muß krancken?
Ein Herze / welches sich von Liebe wund betrifft /
Kan seine Hoffnung nicht auff ihre Kräuter gründen:
Die Lieb ist Gifft und Gegen-Gifft:
Man muß den Scorpion auff seinen Schaden binden.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 254)
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An seine Augen

Ihr Augen / deren Licht mit diesem Lichte spielt /
Das eure Stralen dunckel macht /
Gebt wohl auff eure Sachen acht /
Seht / wie mein Feind bereits auff unser Unglück zielet.

Ich kan den Angelstern in mein Gemütte schlüssen
Der in gewünschten Hafen führt;
Ihr aber / Augen / ihr verliert /
Das Licht / ohn das ihr irrt in trüben Finsternissen.

Seht / weil ihr sehen könt / eh Nacht und Regen kommen /
Schöpfft kurzen Trost vor lange Pein
Von diesen süssen Augen ein /
Eh euch Gelegenheit durchs Scheiden wird benommen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 255)
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Der Liebe verkehrtes Recht

Wie grausam sind / o Liebe / deine Rechte!
Ein leichter Sinn schmeckt tausendfache Lust /
Der Thränen Tranck / der Seuffzer schwere Kost
Nährt und verzehrt die Herzen treuer Knechte;
Wie grausam seyn / o Liebe / deine Rechte!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 255)
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Nach aller meiner Pein / nach aller meiner Noth /
Dadurch ich nur verbittert deine Sinnen /
Hab ich gelernt die Kunst dich zu gewinnen /
Fillis / ich geh‘ in Tod.

Fillis / thu ich zuviel / wenn ich mich untersteh /
Daß ich dir recht gethan / für aller Welt zu sagen:
Ein Augenblick kan mich und dich vertragen:
Ich geh in Tod: Ade!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 255-256)
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Die schwarzen Augen

Wohin soll ich zu erst die Augen wenden /
Die mir zu einer Zeit zwey Sonnen blenden?
Wo soll ich erstlich hin /
Dieweil in meinem Sinn
Ich ganz entzücket bin /
Die Blicke senden?

Steht unter Steinen nicht der Demant oben?
Sein Feuer macht die dunckle Folge loben?
Der schwarzen Augen Zier
Wird billig auch von mir
Für allen andern hier
Mit Ruhm erhoben.

Laß Phöbus hohen Glanz den Himmel mahlen:
Mit tausend Sternen mag der Abend prahlen:
Der Augen lichte Nacht /
Mit welchen ihre Pracht
Amene kundbar macht /
Wirfft hellre Stralen.

Die Sonne kan allein den Leib beschwärzen /
Bey Nachte scheinen nur die Himmels-Kerzen;
Durch dieser Augen Schein
Senckt sich dem Herzen ein
Die angenehme Pein
Verliebter Schmerzen.

Kan nicht ihr Blick von Herz zu Herze steigen?
Sie sind des edlen Sinns getreue Zeugen:
Was nicht der kluge Mund /
Der manchen Geist verwundt /
Mit reden machet kund /
Entdeckt ihr Schweigen.

Wer kan sich an so schönen Feinden rächen?
Ich bleibe stets bemüht ihr Lob zu sprechen /
Ob mir gleich ihre Pracht
Hat manche Pein gemacht /
Biß mir zu gutter Nacht
Die Augen brechen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 256-257)
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Die blauen Augen

Will noch die schwarze Nacht den Tag bestreiten /
Und als ein irrend Licht bey duncklen Zeiten
Der übereitlen Welt /
Die / was ihr wohlgefällt /
Für einen Abgott hält /
Den Sinn verleiten?

Des Monden Silber kan bey Nacht erquicken /
Und durch den Schatten bricht der Sterne Blicken.
Ein stolzer Diamant
Der Dunckelheit verwandt
Muß manche Fürsten-Hand
Vor andern schmücken.

Doch / kan der Mond den glanz der Sonn erreichen?
Will sich der Sternen Licht dem Tage gleichen?
Und muß der Demant nicht
Wo des Carfunkels Licht
Durch Nacht und Schatten bricht /
Mit Scham entweichen?

Verliebte / wollt ihr wohl die Schiffahrt enden /
Und an den sichern Port des Glückes länden.
Last blauer Augen Schein
Der Liebe Leitstern seyn /
So wird sich eure Pein
In Freude wenden.

Traut schwarzen Augen nicht und ihrem Blincken /
Wenn sie Sirenen gleich ins Netze wincken.
Sieht man in schwarzer flutt
Voll Falsch und Wanckelmutt
Nicht offters Schiff und Gutt
Zu Grunde sincken?

Ein blaues Auge spielt mit sanfften Wellen:
Man sah aus blauer See die Venus quellen.
Was Wunder / wenn noch itzt
Cupido drinnen sitzt /
Und goldne Pfeile spitzt /
Die Welt zu fällen?

Welch kaltes Herze will nicht Flammen fangen /
Wenn mitten in dem Schnee der Rosen-Wangen
Mit blauer Liebligkeit /
Daraus ihm selbst ein Kleid
Der Himmel zubereit /
Die Augen prangen!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 257-258)
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Die weiße Fillis

Lasst die bunten Tulpen weisen
Ihrer hohen Farbe Zier /
Lasst die edle Rose preisen /
Zeig! Narciß und Nägeln für:
Liljen / die bey Fillis stehn /
Sind für allen Blumen schön.

Zephyr mit verliebten Küssen
Spielt um ihren zarten Mund /
Lässt die stolze Flora wissen /
Macht mit linden Rauschen kund /
Liljen / die bey Fillis stehn /
Sind für allen Blumen schön.

Milch und Schnee kan nicht erreichen
Ihrer reinen Weisse Pracht /
Die Narcissen sind ingleichen
Gegen ihrem Tage Nacht;
Liljen / die bey Fillis stehn /
Sind für allen Blumen schön.

Amor selbst hat / sie zu pflegen /
Mich zum Gärtner eingesetzt.
Meine Thränen sind der regen
Der sie nach und nach benetzt /
Biß mir Fillis mit der Zeit
Sie zu brechen Gunst verleiht.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 258-259)
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Die schwarz-braune Nigelline

Hylas mag nach seinen Sinn
Andre Farben köstlich schätzen /
Sich mit weiß und roth ergötzen;
Schwarz ist meine Schäfferin.

Schwarz vergnüget meine Seele /
Schwarz soll meine Farbe seyn /
Biß des schwarzen Grabes Höle
Schleust den todten Cörper ein.

Zwar der hellen Augen Licht /
Welche Pallas blau gewiesen /
Wird von Paris hoch gepriesen /
Aber hebt den Apffel nicht:

Der Zytheren süsses Blicken /
Die aus ihrer Augen Nacht
Kunte Sonnen-Strahlen schicken /
Hat den Preiß darvon gebracht.

Göldner Lacken stolze Pracht
Mag den leichten Nero fangen:
Bleibt das klügste Wild nicht hangen /
Wo die Schlinge schwarze gemacht?

Braunes Haar kan auch verdienen /
Gleich dem gelben / Zahl und Lied:
Zeuge / wer an Nigellinen
Ein recht würdig Beyspiel sieht.

Rühmt der rothen Schmincke Zier /
Last die weiße Cloris prangen
Mit dem Schnee der glatten Wangen;
Schwarz allein beliebet mir.

Roth muß von der Sonne bleichen /
Weiß nimmt ihre Brandmahl an;
Ists nicht schwarz / der Treue Zeichen /
Das sich nimmer ändern kan.

Schwärzt der blaue Himmel nicht /
Wenn itzt Phöbus seinen Wagen
Zu der Thetis lassen tragen /
Sein gebräuntes Angesicht.

Liebt man nicht den duncklen Schaten
Und der schwarzen Nächte Rast /
Wenn die heißen Glieder braten
Für des Tages Uberlast?

Wird nach schwarzer Kirschen Frucht
Nicht der höchste Baum bestiegen /
Andre / die man siehet liegen /
Kaum mit fauler Hand gesucht?

Muß der Blumen Preiß nicht steigen /
Muß nicht Ros‘ und Tulipan /
Wenn sie sich zur Schwärze neigen /
Höher seyn gesehen an.

Hylas mag nach seinem Sinn
Andrer Farben Zier erheben:
Will sich mir zu eigen geben
Meine schwarze Schäfferin /

So sag ich von Grund der Seele:
Schwarz soll meine Farbe seyn /
Biß des schwarzen Grabes Höle
Schleust den todten Cörper ein.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 259-261)
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Die Wett-streitende Doris

Das schöne Kleeblat der Göttinnen
Das um den Apffel führte Zanck /
Gedachte / nächst der Schönheit / Danck
Für meiner Doris zu gewinnen;
Doch Venus selber gab ihr nach
Eh noch jemand das Urtheil sprach.

Aglaja stund mit ihr im Streite
An wem der Vorzug solte seyn:
Der beyden Schwestern holder Schein
Zog erst viel Herzen auff die Seite /
Doch ward mit Warheit ausgeführt /
Daß ihr der erste Stand gebührt.

Apollo ließ die Wolcken schwinden /
Braucht alle seine Glutt und Macht /
Wolt ihrer hellen Augen Pracht
Durch seine Stralen überwinden:
Was aber kunte gegen Zweyn
Der Glanz von einer Sonnen seyn?

Man hörte sie die Wette singen
Mit einer stolzen Nachtigall.
Wem hätte dieser süsse Schall
Nicht durch das Herze sollen dringen?
Doch ihrer reinen Stimme Zier
Gieng tausend Nachtigallen für.

An dem gelinden Oder-Strande
Da setzten sie und Amor an /
Wer am gewißten schißen kan;
Ihr blieb der Sieg / und ihm die Schande.
Was sonst Cupidens Pfeil verlacht /
Das hat ihr Blicken wund gemacht.

Wenn sie denn alles kan besiegen /
Und nichts ist / das ihr widerspricht /
Warum soll meine Freyheit nicht
Zu ihren edlen Füssen liegen?
Ich bin ihr willig unterthan /
Und bete meine Fässel an.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 261-262)
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Die erst-auffgestandene Rosilis

Ich kam den andern Tag zur Rosilis gegangen /
Als sie zum Morgen noch unangeleget war.
Sie stellte die Auror in eignem Bilde dar /
Wenn sie der frühen Welt zeigt ihre Rosen-Wangen.
Die Augen / welche fast der Schlaff noch hielt umfangen /
Verglichen sich der erst entwichnen Sternen-Schaar /
Ihr über Stirne / Wang und Hals gestreutes Haar
Dem Netze / welches uns die theuren Würme langen.
Der weißen Hände Schnee schien heller denn der Tag /
Der angebohrne Schmuck / die lieblichen Geberden /
Beschämten was der Fleiß / die kluge Kunst / vermag.
Giebt Rosilis / mein Licht / zum Morgen solchen Schein /
Wie soll mein Herze nicht zu lauter Flamme werden
Wenn sie wird angelegt in vollem Mittag seyn!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 262)
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Der glückselige Blumen-Strauß

Amor selbst brach diese Blumen / wo Aurora sammlet ein
Ihre Näglein / ihre Rosen / die bey frühem Tages Schein
An dem blauen Himmel glänzen /
Und ihr schönes Haubt bekränzen.

Schöne Blumen / Preiß der Gärten / welche Florens Hand geziert /
Daß sie von so schönen Händen solten werden angerührt /
Wie beglückt seyd ihr für allen
Amaranthen zu gefallen?

Zwar eur Glanz wird müssen sterben in der Nimphe schönen Hand /
Aber tausend Herzen wünschten ihnen derogleichen Stand /
Würden willig Geist und Leben
Ihr zum treuen Opffer geben.

War nicht diß ein schöner Garten / der euch erst das Leben gab?
Werden nicht die schönsten Finger dieser Welt euch Bahr und Grab?
Wer will nicht / wie ihr / verderben /
Und so schönen Todes sterben!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 263)
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Ich lege dir mein Haubt zu deinen Füssen:
Bestraffe mich / ich will geduldig büssen /
Wofern dein Recht für schuldig kan erkennen
Den / der da liebt / was Liebens werth zu nennen.

Ach! straffet sich nicht selber mein Verbrechen?
Vergehn vor Lieb / und nichts von Liebe sprechen
Ist Pein genung / wo keine Schuld zu kennen /
Als daß man liebt / was liebens werth zu nennen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 263)
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Nachdem / Melinde / dir mein Seuffzen kund gemacht
Ein Theil der herben Schmerzen /
Darein mich deine Zier und meine Liebe bracht /
Und du noch thränen siehst der Augen dunckle Kerzen /
So dencke / daß noch mehr verborgen ist im Herzen.
Die Seuffzer haben dir alleine kund gethan /
Wie Lieb und Furcht mich plagen:
Wilt du nicht für bekandt diß Zeugnis nehmen an /
Die Thränen werden dir in ihrer Sprache sagen /
Daß deine Grausamkeit mich wird zu Grabe tragen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 263-264)
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Sie seuffzen Beyde

Du pflegst dich ganz laut / ich heimlich zu beklagen /
Die Seuffzer sind gemein bey dir und mir / mein Kind:
Ich weiß / daß meine nur auff dich gerichtet sind /
Von deinen weiß ich nichts zu sagen.
Ein Ander mag uns Neyd um unsre Seuffzer tragen:
Ich weiß / daß meine nur auff dich gerichtet sind.
Wohin die deinen gehn / mein allerliebstes Kind /
Da weiß ich nichts / und will nichts sagen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 264)
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An ihre Augen

Ich bin kein Adler nicht / der deiner Sonnen Blincken /
Der deiner Wangen Glanz kan schauen unverwandt.
Wann deiner Augen Glutt in meinen widerstralt /
Und ihrer Flammen Schein auff meine Wangen mahlt /
So müssen sie beschämt zur Erde niedersincken;
Doch aber will ich nicht der scheuen Eule gleichen /
Die vor des Tages Zier erwehlt die braune Nacht:
Ich eile nach dem Feur / das mich zu Asche macht
Verdirbt die Mücke gleich durch selbst-gesuchten Brand /
Der edle Phönix wird doch eben so zur Leichen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 264)
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Auff ihren Nahmens-Tag

Auff Demant und Rubin / auff Rosen und Narcissen /
Soll billig meine Hand ein Lied
Zu setzen heute seyn bemüht;
Nichts will in solcher Eil aus meiner Feder flüssen /
Nichts fället mir für Freuden bey /
Das Amaranthens würdig sey.
Nimm / Nimphe / gütig an das Opffer treuer Hände:
Wer wenig / aber willig giebt /
Ist bey den Göttern auch beliebt.
Auff Jahre sonder Ziel / auff Glücke sonder Ende
Ist zu Bezeugung seiner Pflicht
Silvanders treuer Wunsch gericht.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 264-265)
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An diesem wilden Ort / auff dieser rauhen Spitze /
Wo stille Lufft / wo Sonn und Sommer Gäste seyn /
Wo ich für Frost halb todt bey lauher Asche sitze /
Begeh ich doch mit Lust des werthen Tages Schein.
Ein Lied / ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden:
Geschencke / die ihr werth / sind um kein Geld zu finden.

Verzeihe mir / im Fall nicht gutte Reimen flüssen /
Ein grobes Holz vertritt der zarten Feder Amt /
Der Schnee ist mein Papir / doch zeuget mein Gewissen /
Daß dieser kurze Wunsch aus reinem Herzen stammt.
Des Himmels Gunst laß ihn im Winter auch bekleiben /
Und einen gutten Wind zu deiner Wohnung treiben!

Es müsse so viel Lust dein edles Herz erfreuen /
Als mein Gemütte Schmerz und Trauren in sich hegt!
Es müsse so viel Glück und Wohlfart dich beschneyen /
Als dieser hohe Berg gefrorne Tropffen trägt.
Es kan dir nimmermehr so wohl und glücklich gehen /
Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 265)
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Geh hin / beglückter Ring / die Finger zu umschlüssen /
Die edler als dein Gold / und werther als dein Stein.
Könt ich auff eine Zeit an deiner Stelle seyn /
Wie solte dieser Rausch das Leben mir versüssen!
Du kanst / ohn alle Scheu / die zarten Glieder küssen /
Dir stralet Tag und Nacht der hellen Augen Schein.
Was sonst der schäle Neyd der Kleider birget ein /
Kanst du / von ihrer Hand geführet / frey begrüssen.
Ich gebe dich an die / der ich ergeben bin /
Du bleibest stets um sie / ich muß zurücke bleiben /
Darff / wo du öffters bist / nicht sicher dencken hin.
Wie sucht das Glücke so sein Spiel mit mir zu treiben!
Ich bringe dir zu weg und thue mehr für dich /
Als mir nicht selbsten wird erlaubt zu thun für mich.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 265-266)
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Was rauscht und brummet deine Flutt
Du helle Bach / im Mittel dieser Auen.
Du kanst das süsse Kind Climenen täglich schauen.
Was hat bey solchem edlen Gutt
Sich zu beschweren deine Flutt?

Was klaget sich dein zarter Mund /
Du Feder-Schaar / in dieser grünen Hecken?
Besinge deine Brunst / sie kommt dich zu entdecken.
Wo solche Zeugen sind vergunt /
Was klaget sich dein zarter Mund?

Ihr Lüffte / was beseuffzet ihr /
Die ihr den Ort im Sommer pflegt zu kühlen?
Ihr könt nach eurer Lust um ihre Wangen spielen.
Ach / wär ich Wind und Lufft / als ihr /
Wie wohl gerathen wäre mir!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 266)
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Ich rede nicht wie vor so frey /
Mein Auge klebt der Erden an /
Und findet sich mit Furcht herbey /
Wo man dich / Nimphe / schauen kan;
Verbrochne Seuffzer und gestohlne Blicke
Sinds / die ich dir / mein Kind / entgegen schicke.

Der strengen Auffsicht scharffe Wacht /
Die Neyd und Eyfer um uns stellt /
Nimmt ein iedweders Wort in acht /
So uns von ungefähr entfällt /
Heist unsre Unschuld stets in Sorgen stehen /
Und zwischen Dorn und Eiß behutsam gehen.

Die schlimme Welt denckt / Ich und Du
Müß ihr an Boßheit gleiche seyn /
Dringt sich mit schälem Aug herzu /
Greifft unsern keuschen Freuden ein /
Und wolte gern / was sie nicht kan genüssen /
Auch andern ohne Schuld verboten wissen.

Zwar wehe thut der schwere Zwang /
Zu dem man uns verbinden will;
Jedoch wird solcher Uberdrang
Auch haben sein gestecktes Ziel.
Der Tugend reines Kleid kan nichts beflecken;
Die Zeit wird unser Recht der Welt entdecken.

Der beste Rath ist hier Gedult:
Bleib mir beständig / wie du bist /
Ich lebe dir in stillem hold /
So brechen wir der Feinde List.
Wenn Redligkeit sich kan zun Sternen heben /
Muß der Verleumder Maul im Kothe kleben.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 266-267)
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Die krancke Fillis

Ach Amor / soll ich dir nicht klagen meine Noth!
Ich seh die Fillis hier in meinen Armen liegen;
Die matte Seele will dem siechen Leib‘ entfliegen;
Stirbt sie / so ist dein Ruhm und meine Freude todt.

Ach / schick ihr kühle Lufft mit deinen Flügeln zu /
Laß deine zarte Sehn ihr kranckes Haubt umschlüssen /
Gib deinen Köcher her zu legen unters Küssen /
Damit ihr Leib erhöht kan nehmen seine Ruh.

Verwechsle mit Betrug dem Tode seinen Pfeil /
Daß sie dein heilsam Gold empfind in ihrem Herzen /
Wenn ihr sein rauher Stahl soll bringen Todes-Schmerzen /
So machest du (in ihr und mir) zwey Herzen heil.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 267)
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Du stiller Wald / du rauhe Felsen-Klufft /
Du helle Bach / ihr Quellen in den Häynen /
Last eure Schos seyn meiner Sorgen Grufft:
Ihr / denen wissend ist mein Klagen und mein Weinen /
Sagt / ob mir nicht / wenn ich muß sperren meinen Mund /
Zu seuffzen ist vergunnt?

Ach / Seuffzer geht / doch sonder laut zu seyn /
Weist wie ich muß mein treues Herze zwingen /
Blast ihrem Ohr in meinem Nahmen ein:
Darff ich dir / süsse Frucht / kein redend Opffer bringen /
Der heißre Widerhall schreyt Tag und Nacht für mich /
Ich liebe nichts als dich.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 268)
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Die Flutten / die du siehst von meinen Augen rinnen /
Lieb-werthe Rosilis / sind nicht gemeine Thränen /
Wie deine Göttligkeit wohl irgend möchte wehnen!
Wo wolt ich solche Ström und Bäche fassen künnen?
Sie werden ausgebrennt vermittelst meiner Sinnen
Von Liljen deiner Schos / von Rosen deiner Wangen /
Und müssen den Geruch von deiner Gunst erlangen /
Dem keine Specerey den Preiß wird abgewinnen.
Die Liebe giebt die Glutt / der Ofen steht im Herzen /
Der dicken Seuffzer Wind bläst mir das Feuer auff /
Der Augen Helm vergönnt dem Wasser freyen Lauff /
Und weil so hitzig ist die Flamme meiner Schmerzen /
So müssen in die Höh so viel der Dünste steigen /
Und durch der Augen Röhr ohn Ende sich verseygen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 268)
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Die lange Nacht

Ihr faulen Stunden ihr / wie währet ihr so lange!
Der sonsten frühe Tag hält seinen Einzug auff /
Der Sternen muntre Schaar steht still in vollem Lauff /
Matuta lässet nach von ihrem schnellen Gange.

O Himmel / der mit sich die Himmels-Lichter ziehet /
O Kreiß / der sonst den Weg weist andern Kreißen an /
Was hat mein Unschuld doch zuwider dir gethan /
Daß man zur Plage mir dich also langsam siehet.

Minuten sind mir Tag / und Stunden sind mir Jahre /
Der Zeit geschwinde Füß und Flügel sind von Bley.
Ich glaube daß die Nacht der Zimber kürzer sey /
Und ich für meinem Tod ihr Ende nicht erfahre.

Penelope beschwert von vieler Freyer Menge /
Löst auff den Abend auff / was sie den Tag gemacht:
Ich schwere / Phöbus geht zurücke bey der Nacht /
Damit er seinen Weg und meine Pein verlänge.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 268-269)
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Wenn ich beklagte Tag und Nacht
Die Menge meiner herben Schmerzen /
Wenn sie mit Blutt von meinem Herzen
Gleich würden zu Papir gebracht /
So wird doch mehr als Schrifft und Mund
Die Flammen / die mein Herze brennen /
Dein Auge geben zu erkennen /
Das meine Seele hat verwundt.
Was kein Papir zu melden weiß
Und meine Zunge muß verschweigen /
Wird dir zur Gnüge können zeigen
Dein Bildnis und des Spiegels Eiß.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 269-270)
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Jedwedes Thier das wohnt auff dieser weiten Erde /
Es haß und fliehe denn / gleich Eulen / Licht und Sonne /
Lebt / wie man sieht / allein in Arbeit bey dem Tage:
Wenn aber sich das Haubt des Himmels krönt mit Sternen /
Geht diß dem Stalle zu / und jenes nach dem Walde /
Ein jedes ruhet aus biß zu der Morgenröthe.

Ich / wenn sich sehen läst der Glanz der Morgenröthe /
Die braune Finsternis zu jagen von der Erde /
Viel wilder denn ein Thier / ein wildes Thier im Walde /
Begrüsse Traurens voll mit Seuffzen Licht und Sonne /
Mit einer herben Bach von Thränen Mond und Sternen /
In höchster Ungedult nach kaum verwichnem Tage.

Wenn itzt der Abendstern sagt ab dem hellen Tage /
Und unsre Dämmerung bringt andern Morgenröthe /
So schrey ich kläglich an die mir befeindten Sternen /
Die mich gemacht zum Spiel und Schauspiel aller Erde /
Beklage meine Noth bey Himmel / Lufft und Sonne /
Daß ich mehr elend bin denn iedes Thier im Walde.

Kein grimmes Tiger-Thier / kein frecher Lew im Walde
Gleicht der / die mir geraubt die Freude meiner Tage /
Und dennoch sieht mich treu und ohne Falsch die Sonne /
Stets müde / nimmer satt von Leid die Morgenröthe /
Zum Zeichen / daß der Leib zwar ist von schwacher Erde /
Doch mein demantner Sinn sich gleicht dem Oel der Sternen.

Ach könt ich / eh der Geist sich setzet bey den Sternen /
Eh sich mein Schatten findt im Elysee-Walde /
Geschieden von der Last / die werden soll zur Erde /
Genüssen ihrer Gunst! die Zeit von einem Tage
Bringt funffzig Wochen ein / ein Blick der Morgenröthe /
Ein süsser Blick ist mir der Mittag heller Sonne.

Der lichten Augen Paar läst hinter sich die Sonne /
Der Sternen-Himmel prangt mit diesen Angel-Sternen /
Der Rosen-Wangen Zier beschämt die Morgenröthe /
Der süssen Stimme Schall die Nachtigall im Walde /
Wer schätzte nicht mit Ihr beseligt seine Tage!
Ach aber / was verlangt der leichte Staub der Erde?

Mich decket in der Erd ein dünnes Brett vom Walde /
Eh mir so süssen Tag vergönnen Glück und Sternen /
Eh mir die Morgenröth erscheint von dieser Sonne.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 270-271)
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Diesen tödtet Bley und Eisen /
Jenen müssen Schmerz und Weh
Zu dem kalten Grabe weisen;
Liebe macht daß ich vergeh!

Mancher muß sein Leben schlüssen
In dem Schos der grünen See /
Ich zu Galatheens Füssen:
Liebe macht daß ich vergeh!

Also klagte seine Schmerzen
Filidor im grünen Klee /
Sagend mit betrübtem Herzen:
Liebe macht daß ich vergeh!

Es bewegten sich die Steine /
Doch nicht seine Galathe:
Echo ruffte durch die Häyne:
Liebe macht daß ich vergeh!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 271)
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An ihre Perlen

Du glatte Muschel-Frucht was bildest du dir ein?
Wilt du vor ihre Zier noch neuer Zierat seyn?
Du must vor aller Welt ein Zeuge seyn von Ihr /
Wie weit ihr weißer Hals geht deinem Glanze für.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 271)
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Adelindens zarte Hand
Pflückte Blumen durch diß Land /
An statt deren / die sie brach /
Schossen neue Blüten nach.

Wo ihr zarter Fuß tratt hin /
Muste Klee und Schmirgel blühn /
Die Crystallne Bach hielt auff /
Sie zu sehen / ihren Lauff /

Bott ihr helles Silber-klar
Ihr zu einem Spiegel dar:
Sagte / zwar dein schönes Bild /
Wenn du Nimphe scheiden wilt /

Führt mein linder Strom mit sich /
Aber dir zu Ruhm laß ich
Alle Jahr die bunten Aun
Diesen Tag benetzet schaun.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 272)
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Der bestohlne Cupido

Es fand auff einen Tag das schöne Schäffer-Kind /
Das meinen freyen Sinn mit tausend Fässeln bindt /
Der Venus zarten Sohn ins grüne Graß gestreckt
Mit Rosen / Lilien und Nägeln überdeckt.

Er hatte Bogen / Pfeil und Köcher weg gethan /
Hing seiner Ruhe nach; Schaut / was Cordilla kan!
Sie schleicht sich unvermerckt mit leisen Schritten hin /
Nimmt Pfeil und Bogen weg / verwundet meinen Sinn

Und tausend andre noch; doch soll mir solche Pein
Von ihrer schönen Hand gar lieb zu leiden seyn /
Wenn sie nur stille steht / und nicht zu ihrer Flucht
Auch seines Flügelwercks sich zu bedienen sucht.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 272)
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Jagt der Liebe

Indem du gehest nach durch Feld und Wald den Thieren /
Schau ich / ob ich ein Wild der Venus fangen kan.
Du redest offt was stumm / und ich was taub ist / an /
Du läst die Grausamkeit / ich kühne Freyheit spüren.
Du läst dich einen Hirsch durch Berg und Thäler führen /
Mich bringt ein schönes Bild auff unbekannte Bahn.
Du setzest Strick und Netz / ich Wort und Reden dran /
Wir müssen beyderseits offt Müh und Zeit verlieren.
Wir fragen beyde nichts nach Regen oder Wind /
Und wie dich offtermahls die falsche Spur betriegt /
So werd‘ in eitler Furcht und Hoffnung ich gewiegt.
Nur diß ist noch / in dem wir unterschieden sind:
Du hast der Mühe Lohn zuweilen schon empfangen /
Mir aber ist bißher kein Wild noch eingegangen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 273)
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Ich bringe wieder her und über mein Verhoffen
In diß betrübte Land der siechen Glieder Last /
Den Tod / den ich gesucht / hab ich nicht angetroffen /
Ich habe mir umsonst zum Sterben Mutt gefast;
Weil ich / mein süsser Tod / von dir entfernt gewesen /
So hab ich nicht gekönnt noch sterben noch genesen.
Das macht dein edles Bild / in meine Brust gepräget /
Das ich in deine Hand zu lieffern schuldig bin.
Schau deinen Knecht / der sich zu deinen Füssen leget:
Nimm diesen edlen Schatz samt meinem Herzen hin.
Ich sterbe wohl vergnügt / ich sterbe gnung beklaget /
Wenn nur dein Mund / Ade du treue Seele / saget.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 273)
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Ich finde mich im Mittel meiner Schmerzen
Bey Amaranthen wieder ein /
Ein süsser Blick kan meinem krancken Herzen
Vergelten die erlittne Pein.

Jedoch was soll für Hülffe meinen Schmerzen
Durch ihrer Augen Glanz geschehn:
Ich habe sie zu Schaden meinem Herzen
Bereits nur allzuviel gesehn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 273-274)
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An ihre Augen

Ihr Augen / die ihr mir so tieff ins Herze scheint /
Erkläret euch / wies sey gemeynt /
Was mir zu hoffen steht / ob Sterben oder Leben?
Seyd ihr geneigt / ich bin bereit mich zu ergeben /
Und auch bereit zu ehren euren Schein /
Wollt ihr mir gleich nicht günstig seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 274)
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Keine veracht / Nach einer getracht

Climen ist hurtig und geschickt /
Mit Gold und Schnee kan Iris prangen /
Belisens Rede macht entzückt /
Amenens Zier hält viel gefangen
Bey wem kan sich mit Blick und Lachen
Nicht angenehm die Fillis machen?

Ich stehe zu / daß solcher Schein
Mir öffters in die Augen stralet;
Doch bleibt mein treues Herze rein /
Darein ein ander Bild gemahlet /
Und dannerher kan ich erkennen /
Was mich für edle Flammen brennen.

Nicht hofft / o Wunder unsrer Zeit!
Mein Herze wider zu erheben /
Ein andrer / welcher noch befreyt /
Wird euch das Seine willig geben.
Ihr werd’t aus meiner Treu erkennen /
Was mich vor edle Flammen brennen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 274)
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Amaranthens braune Wangen
Haben meinen Geist besiegt.
Könt ich ihre Gunst erlangen /
Ach wie wär ich so vergnügt!
Neue Glutt fühl ich im Herzen;
Lieb ich nimmer ohne Schmerzen.

Tugend-voll ist ihr Beginnen /
Daß man nichts zu klagen weiß /
Als die allzuharten Sinnen /
Und das Herze voller Eiß.
Lieben und nicht Lieb erwerben
Macht uns offt und nimmer sterben.

Reist sich gleich von ihrem Stricke
Mein gefangnes Herze frey /
Bringt sie doch mit einem Blicke /
Solches auff das neu herbey.
Wer kan für der Augen Blitzen
Seiner Freyheit Recht beschützen?

Ich gedachte mir zu leben /
Ohn der Liebe Joch zu seyn:
Was ich ihr nicht wolte geben /
Hat sie selbst genommen ein:
Besser ist sich leicht entschlüssen
Als gezwungen lieben müssen.

Man mag streiten / man mag klagen /
Mag ihr kräfftig widerstehn;
Niemand wird doch ihren Plagen
Zu bestimmter Zeit entgehn.
Wer sich ihrer will befreyen /
Fängt offt erst recht an von neuen.

Ich / von kühner Lust getrieben /
Wolte wissen / was die Zier
Schöner Augen kan verüben;
Itzo büß ich nun dafür.
Wer weiß / was er sich erkühnet /
Wenn er / Nimphe / dich bedienet?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 275-276)
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Das abgelösete und unabgelösete Pfand

Nimphe / von der zarten Hand
Wird mir wieder zugesandt /
Was ich mich / durch Ungelücke
Weg zu geben / schuldig fand.
Aber deiner Augen Blicke
Haben mir noch was entwandt /
Das nicht wieder kehrt zurücke /
Wie diß abgelöste Pfand.

Deine Tugend / deine Zier
Nahm mein Herz / und schenckt es dir /
Ließ mich nichts dafür empfangen;
Seit es abgereist von hier
Hats ihm wunderlich gegangen:
Es muß brennen für und für /
Trägt doch aber kein Verlangen
Wiederum zu seyn bey mir.

Nun es bleibe wo es kan!
Findt es sein Vergnügen dran /
Ich will mich nicht widersetzen:
Schätz und Herzen / die der Wahn
Vor so köstlich pflegt zu schätzen /
Wollen seyn geleget an /
Wenn sie anders solln ergötzen /
Und auff Wucher ausgethan.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 276)
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Die todten Farben

Weil mich die Liebe zwingt zu gehen in den Tod /
Soll dieser Todten-Brieff auch Tod und Liebe weisen
Der Veyeln Farbe zeigt die harte Liebes-Noth /
Der Todten-Blätter / daß ich muß zum Tode reisen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 277)
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Verträglich und gedultig

Ardenia / mein Licht / was wilt du weiter sagen?
Ich küsse mit Gedult die Rutte / die mich schlägt /
Und bet in Demutt an den Feind / der mich erlegt /
Verzehre mich in mir mit Leiden und nicht klagen.

Ein Hylas will alsbald das volle Jawort wissen /
Ich warte biß dein Mund es von sich selber spricht.
Ein Filadon verträgt sich mit Gesellschafft nicht /
Will / was er noch nicht hat / bereits allein genüssen.

Viel andre lieben dich; ich laß es frey geschehen:
Ein ieder sucht sein Glück / und liebt was Liebens werth.
Du bist doch einem nur zu seiner Zeit beschert:
Man wird mich nie indeß zu dienen müde sehen.

Dein kluges Urtheil mag ohn allen Zwang erkennen /
Wer deiner Gegen-Gunst am besten würdig sey.
Doch suchet deine Wahl ein Herze voller Treu /
So bin ich schon gewiß / du wirst Silvandern nennen.

Soll gleich der Ausspruch nicht auff meine Seite fallen /
Ich werde dir darob nicht abhold können seyn.
Ich will die keusche Brunst ins Herze schlüssen ein /
Und bleibe biß ins Grab dein Treuster unter allen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 277)
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Die schönen aber gefährlichen Früchte

Zwey Aepffel sind die Brüst / Erdbeeren ihre Höhen:
Hier muß der Schnee verschwarzt / erblast die Rose stehen.
Wie jene Frucht bald fault / so müssen die vergehen:
Das Naschen bringt Gefahr: drum laß die Früchte stehen!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 278)
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Der gutte Traum

Mein Glücke lacht /
Melinde spielt mit angenehmen Blicken /
Ihr holder Mund giebt Worte / die entzücken /
Ich küsse sie bey tunckler Mitternacht /
Mein Glücke lacht.

Mir traumt wohl nicht:
Ich seh ihr Bild um meine Ruhstatt spielen /
Hör ihre Sprach / und misse nichts als Fühlen.
Ach Schade / daß das Beste noch gebricht!
Mir traumt wohl nicht.

Es wird wohl seyn:
Die Hoffnung speist nicht stets mit leeren Schalen.
Erblickt man nur der Morgenröthe Stralen /
So folget auch der nahen Sonne Schein.
Es wird wohl seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 278)
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Ein einiges Blicken
Der funckelnden Augen /
Die mir aussaugen
Das Blutt vom Herzen /
Macht mich die Kerzen
Des Himmels nicht achten.

Um Seuffzer zu schicken
Will ich mich bemühen
Noch Odem zu ziehen /
Sonst wolt ich mit Willen /
Mein Leiden zu stillen /
Noch heute verschmachten.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 278-279)
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Cartell auff ein Piquet-Spiel

Doris / dir ist unvergessen /
Was du jüngster Zeit gethan /
Wie dein Mund sich hat vermessen /
Mich als Feind zu greiffen an:
Wie man vor bekandten Ohren
Mir Capoth und Martsch geschworen /
Wie man eyfrig war bedacht
Mir zu lieffern eine Schlacht.

Weil denn ohn Verlust der Ehren
Und nach Cavalieres Pflicht /
Ich nicht schweigend kan verhören /
Was man mir zu Hohne spricht /
Weil wir / sonder uns zu schlagen /
Nimmer können seyn vertragen /
So sey / Doris / nur bereit
Dich zu finden in den Streit.

Zwar / indem ich bin geruffen /
Stünde mir das Wählen frey /
Doch / damit du nicht darffst hoffen
Daß ich abzuschrecken sey /
Wie dein Mund mir wird beschreiben
Ort und Art / so soll es bleiben /
Wenn dirs wird gelegen seyn /
So will ich mich finden ein.

Wisse / daß ohn Ehr-erwerben
Ich nicht von dem Platze weich /
Liegen / siegen / lieben / sterben /
Soll mir alles gelten gleich /
Auch / Cupiden ausgenommen /
Mag / wer will / vor Beystand kommen.
Solt ich gleich drob büssen ein /
Herzen wird mein Rummel seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 279-280)
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Der unglückliche Spieler

Soll ich mich zu spielen wagen?
Herzen wird mir abgeschlagen /
Amor kehret bey dir ein /
An des Klebern Buben Stelle /
Was ich auch für Urtheil fälle /
Muß das Spiel verlohren seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 281)
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Du wüster Ort / an welchen mich verleiten
Climenens Grausamkeiten /
Hier ingeheim zu suchen Grab und Tod /
Dir klag ich meine Noth:
Mein Leiden ist zu groß es hier nicht auszubreiten /
Dein stummes Holz wird mich darum nicht machen roth.

Mein Herze lebt in Hoffen und in Sorgen /
Von dem zu jenem Morgen /
Ich suche Ruh / und weiß nicht wo / noch wie /
Sey linder weder sie /
Halt mich für ihrem Haß auff eine Zeit verborgen /
Sey Zeuge wo ich bin / und doch verrath mich nie.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 281-282)
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Du angenehme Häyn voll stiller Einsamkeiten /
Wie süß und lieblich bist du mir!
Was mein betrübter Mund verschweigen muß bey Leuten /
Das bringt er ohne Scheu den stummen Bäumen für.

Ein andrer sey bemüht zu bergen seine Plagen /
Verschliesse schweigend seine Zeit;
Ich werde dir hinfort mit heller Stimme sagen /
Was meinen Geist versenckt in schweres Herzeleid.

Die Kinder leichter Lufft / so um die Bäume stecken /
Wenn ich beginn ein Trauer-Lied /
Verändern ihren Schall alsbald auff deinen Hecken /
Seyn zu beklagen mich durch gleichen Thon bemüht.

Der heisre Widerhall in deinen Wüsteneyen
Verdoppelt seinen Leid-Gesang /
Nicht / daß er seine Lieb und Schmerzen will beschreyen /
Nur daß er meine Klag und Seuffzer mache lang.

Die Bäche welche sonst in ihrer Ordnung fliessen
Durch das begrünte Blumen-Feld /
Die sieht man von sich selbst die Wiesen übergiessen /
Als wären sie von mir mit Thränen auffgeschwellt.

Der Eichen fester Stamm / die Last der harten Steine /
Bewegt durch meine Pein und Qual /
Zerreist in Stück und springt in Drümmer / wenn ich weine /
Zum Zeichen / daß sie mich beklagen allzumahl.

Drum / angenehmer Wald / du Trotz der rauhen Winde /
Wie süß und lieblich bist du mir!
Dieweil ich überall bey dir Erbarmen finde /
So leg ich iederzeit mein Seuffzen ab bey dir.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 282)
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Reise hinter Neaples

Soll hier ein Helicon voll Lorbeer-Zweige prangen /
Wo nichts als dürre Stein und rauhe Felsen sind /
Wo den Cypressen-Baum der Dornstrauch hält umfangen /
Und Clio einen Kranz von Todten-Eppig bindt.
Wo statt der Sonne Nacht und Finsternis regieren /
Die viel-beschlangte Schaar der Musen Ort vertritt /
Den Wagen der Vernunfft ein Kind und Blinder führen /
Furcht / Zweiffel / Lieb und Haß in einem Herzen wütt?
Die Erde Lybiens / der Mohren heißes Land
Kocht von der Sonne nicht wie mein verbranntes Herze:
Puzolens gelber Berg / Vesevens todter Sand /
In dessen Abgrund brennt so manche Schwefel-Kerze
Ist Schnee und Eiß bey mir. Soll Aganippe fliessen
Wo sich Lovitus Flutt / Avernus trüber See
Der todten Hoffnung Meer in Thränen-Bäch ergiessen /
Und scharffe Nesseln stehn für angenehmen Klee /
Um die das nasse Salz mit seinen Wellen spielet?
Geht hin ihr Musen / geht / sucht andern Auffenthalt.
Hier sind die Quellen nicht / wo seine Hitze kühlet
Ein Tichter angeflammt von himmlischer Gewalt.
Hier ist ein trocknes Bad / darinn mein matter Geist
Verschwitzet seine Krafft; mein Salz / mein schlechtes Wissen /
Wird durch ein zweyfach Thor der Augen ausgeweist:
Was übrig sey / könt ihr aus diesem Saffte schlüssen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 283)
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Seestrand bey Terracina

Hier / wo die wilde Flutt mit stolzen Wellen spielet /
Und Eurus seinen Grimm am nassen Ufer kühlet /
Wo Einsamkeit ist Wirth und Gast ein Wandersmann /
Der voller Furcht betritt die Schrecken-reiche Bahn /
Schneidt seine treue Faust in Stein
Den Nahmen meiner Liebsten ein.

Es darff den Demant nicht der Böcke Blutt umschlüssen /
Noch scharff-gesäurter Wein den harten Fels begiessen /
Kein zugespitzter Stahl / kein Hammer schwer von Last /
Kein Eisen Mulcibers wird in die Hand gefast /
Wo Amor einen Bau giebt an /
Der Neid und Zeit besitzen kan.

Getreuer Herzen Blutt / die Thränen reiner Seelen
Sind mächtig ieden Stein und Felsen auszuhölen.
Was dieser Eßig-Safft / diß Scheide-Wasser nezt /
Wird durch Cupidens Pfeil / als Meißel / ausgeäzt:
Mit solchem schreibet meine Hand
Diß edle Zeichen an den Strand.

Du / den der Reisen Lauff in diese Gegend führet /
Verehre solche Schrifft / wie deiner Pflicht gebühret /
Und / hast du anders was aus reinem Herzen lieb /
So wünsche / daß der Hand / die diese Worte schrieb:
Lisille möge linder seyn
Als dieser rauhe Felsen-Stein.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 283-284)
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Pruna manu prona pariter prunasque dedisti

Pflaumen hast du mit der Hand / Flammen aber auch gegeben;
Diese dringen uns ins Herz / jene füllen unsern Mund.
Pflaumen hat der Baum gebracht / Flamm und Brand von Aug entstund /
Jene streifft der Reiff zwar ab / diese Glutt wird ewig leben.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 284)
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Rost von Rosen

Roselinde gab Silvandern eine Rose voller Scham /
Daß der zarten Rosen Farbe selbst auff ihre Wangen kam:
Er mit Seuffzen sprach dargegen: Ach / könt ich das Glück  erheben /
Daß die Rose / die mir Rosen giebet / mir sich wolte geben!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 284)
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Als er in Gesellschafft / aber die Unrechte / küßte

Ich bin von Küßen satt: was hab ich nun davon?
Ein müder Uberdruß ist meiner Arbeit Lohn.
Der dürren Lippen Staub klebt noch an meinen Zähnen.
Ich hab aus Höffligkeit Margillens trocknen Mund berührt /
Corallen / aber falsch / und Rosen ohne Krafft gespürt.
Die Küsse sind ein Thau / der ohne Gunst und Gegen-Gunst
Wird Meel-Thau oder Reiff. Wer küsset / wenn er küßt umsunst /
Dem wird der Safft darvon zu Wasser oder Thränen /
Der hätte mich weit mehr als alle die ergözt.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 285)
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Ein einig Kuß soll meiner Pein /
Soll meiner Treue Zahlung seyn?
Du weist ja / daß der Kuß besiegelt das Versprechen
Der zugesagten Gunst / daß Liebe durch diß Pfand
Ein stilles Jawort auff die Lippen drückt.
Bist du gesinnt dein Wort / der Freundschafft Recht / zu brechen?
Ein Kuß und tausend noch thun schlechten Widerstand:
Wo nicht? wie aus den treuen Augen blickt /
Was schadet dirs / wenn mir zu gutt
Dein Mund noch mehr Versichrung thut?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 286)
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Du versprichst / Clorelle / mir tausend Küsse nachzusenden:
Vielleicht werden sie zu theil unterwegens fremden Händen:
Gib mir sie entweder izt / oder nach dem Wiederkommen /
So wird ihnen die Gefahr / mir die stete Furcht benommen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 286)
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A-bschied / ach du herbes Wort /
Welches meinen Sinn bestreitet /
Und an einen fremden Ort
Von Lisillens Schos mich leitet /
Wie verhaßt ist mir die Zung /
Auff der du geworden jung.

B-itter ist der Galle Safft /
Bitter was aus Wermut quillet /
Was der schwarzen Pillen Krafft
Myrrh und Aloe verhüllet;
Doch dein Scheiden bildt mir ein /
Jenes müsse Zucker seyn.

S-chwer ists / wenn der müde Geist
Sein gewöhnlich Hauß muß meiden /
Wenn der Lebens-Faden reist /
Und die besten Freunde scheiden /
Scheiden von Lisillens Zier
Kommt mir gleich beschwerlich für.

C-inthius / wenn er entzieht
Unsrer Welt die göldnen Blicke /
Lässet alles / was man sieht
Hinter sich betrübt zurücke;
Seht / wie so in Trauren steht
Wenn Lisillens Sonn entgeht.

H-enckers Hände können nicht
Uber wenig Tage quälen:
Wer Lisillens sich entbricht /
Kan der Pein kein Ende zählen:
Qual und Sorge frist ihn ab /
Leben ist sein täglich Grab.

I-st gleich in der Todten-Zunfft
Der erblaßte Cörper kommen /
Bleibt ihm doch die Wiederkunfft
Zu der Seelen unbenommen;
Ob Lisille mehr sieht mich
Wissen Glück und Zeit / nicht ich.

D-och das Beste / Lisilis /
Wollen wir zusammen hoffen.
Wer weiß / wo auff den Verdruß
Uns noch Glück und Heyl steht offen?
Gönne mir drauff einen Kuß
Eh ich dich verlassen muß.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 287-288)
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Giebt das Verhängnis uns denn keine Zeit zu letzen?
Geht also schleunig fort der Reise fester Schluß /
Daß meinem Munde kaum verlaubt den letzten Kuß
In das Corallne Paar der Lippen einzuätzen?
O Wort / wie Diamant und harter Stahl zu schätzen /
Das Hoffnung und Gedult allein erweichen muß!
Doch bringt das Scheiden izt dem Herzen viel Verdruß /
So wird das Wiedersehn uns desto mehr ergötzen.
Indessen lebet wohl / ihr treu-geliebten Sinnen!
Es müß euch zu der Hand Lufft / Erd und Himmel gehn /
Biß wir uns wiederum mit Freud umfassen künnen.
Schliest eurem Herzen ein / wie ich / ein Füncklein Liebe /
So bleibet unsre Glutt verwahrt für Zeit und Diebe.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 289)
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Weicht von mir Freude / Scherz und Lust /
Denn Celimen ist weggegangen.
Furcht / Zweifel / Trauren und Verlangen
Hält eure Stell in meiner Brust.
Geht hin / zieht mit ihr auff und nieder /
Und kommet ohne sie nicht wieder.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 289)
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Wie lange soll mich kräncken
Ein traurig Angedencken
Der vor-gepflognen Lust /
Nachdem ich müssen scheiden /
Mit Widerwillen meiden
Lisillens Brust!

Die Liebe will mir sagen /
Sie soll im Herzen tragen
Die Hoffnung mich zu sehn /
Das meine soll ingleichen
Nicht von der Meynung weichen /
Es werde bald geschehn.

Sie saget: Wenn dem Herzen
Die überstandnen Schmerzen
Beliebt und süsse seyn /
So soll vielmehr die Freude /
Die ich voritzo meide /
Mit Lust mir kommen ein.

Schweig / Feindin voller Tücke!
Wie sehr mir mein Gelücke
Vorhin gefallen wohl /
So sehr kränckt izt die Sinnen
Was sie nicht haben künnen
Und ich entbehren soll.

Kein Hoffen / kein Ergötzen
Kan den Verlust ersetzen
Den ich gehabt an ihr:
Es wachsen meine Wunden /
Wenn mir die süssen Stunden
Im Herzen kommen für.

Ich weiß / was mir genommen /
Obs möchte wiederkommen
Weiß weder sie noch ich.
Die Mittel sind zu linde.
Der Pein / die ich empfinde /
Kein Arzt weiß Rath für mich.

Ach könt ich nur versencken
Mein traurigs Angedencken
Der vorgepflognen Lust!
Gedächt ich nicht ans Scheiden /
So wäre mir kein Leyden
Und keine Noth bewust.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 289-290)
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In dieser tunckel-braunen Nacht /
Wo Furcht und Schrecken um mich wacht /
Wo Leyd und Trauren mich umfangen /
Frag‘ ich Dianen / wie vielmahl
Sie seit dem Anfang meiner Qual
Ihr glänzend Silber ausgehangen.

Ich frage sie / wie offt ihr Rad /
Celinde / deine schöne Stadt
Seit meinem Scheiden hat beschienen.
Wie offt der müden Augen Licht
Hat ihr erblaßtes Angesicht
Bißher zur Fackel müssen dienen.

Ich frage sie / ob sie nicht weiß /
Wie offt der heissen Thränen Schweiß
Hat meine Wangen übergossen.
Ich frage sie / wo ist die Zeit /
Da ich Celindens Höfligkeit
In süsser Gegenwart genossen.

Wo sind die schönen Stunden hin /
Da ihre Freundschafft meinen Sinn
Mit klugen Reden hat vergnüget /
Da wir / doch sonder Feind zu seyn /
O süsse Quelle meiner Pein!
Mit Wort und Karten offt gekrieget.

Wie bin ich izt so übel auff /
Nun meiner Reise strenger Lauff
Von meinem Arzte mich vertrieben.
Der blosse Schatten findt sich hier /
Der Geist / das beste Theil von mir
Ist unvermerckt zurücke blieben.

Izt fühl ich erst / was Scheiden sey /
Mit was für Plag und Tiranney
Sich muß ein Herz von Herze trennen /
Wo wahre Freundschafft fasset Grund /
Und selbst die Seelen / nicht der Mund
Allein / von reinen Flammen brennen.

Ach Monden dupple deinen Gang /
Mach uns die Monat nicht so lang /
Biß das bestimmte Ziel erschienen /
Und mich geneigter Sternen Schluß /
Dem ich mich unterwerffen muß /
Celinden wieder läst bedienen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 293-294)

_____


Wie lange wilt du noch mit deinen Sternen prangen?
Wie lange soll mir noch der Mond verdrüßlich seyn?
Zeuch / bitt ich / braune Nacht den tuncklen Schatten ein:
Mich könt / und wärestu ein Jahr / nicht mehr verlangen.
Die / welche meinen Geist vor langer Zeit gefangen /
Die / welche mehr bezwingt / um Hülff und Trost zu schreyn /
Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein
Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.
Hat sie nicht gestern mir beym Scheiden zugesagt
Mit ihrer Marmol-Hand / so bald es wieder tagt?
So soll ich meinen Wunsch von ihr erfüllet finden?
Doch / was verlier ich Zeit? Du weist von Gnade nicht:
Nacht / ich geh ungesäumt zu meiner Roselinden:
Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 294-295)
____



Die schwere Wahl

Wie Hercules im Zweifel stand /
Auff welchem Weg er solte treten /
Da Tugend auff der rechten Hand
Und Lust zur Lincken ihn gebeten /
So stehen auch izt meine Sinnen
In Furcht und Hoffnung mitten innen.

Doch sah er ihren Unterscheid /
Und konte nicht im Urtheil fehlen /
Ihm für die Bahn der Sinnligkeit
Den Pfad der Ehre zu erwehlen:
Wer aber lehret mich ergründen
Wo ich das beste Theil soll finden.

Ich sehe gleichen Stand für mir /
Und frische Blüthe gleicher Jugend /
Den Augen weist sich gleiche Zier /
Dem Herzen gleiche Frucht der Tugend:
Wer hier den Unterscheid kan kennen /
Ist wohl ein Oedipus zu nennen.

Verblendet einer Sonne Licht /
Was soll von mehrern nicht geschehen?
Wenn man dort braune Nägeln bricht /
Läst sich der Liljen Schnee hier sehen /
Die beyderseits den Liebes-Bienen
Zu angenehmer Nahrung dienen.

Diß ist des Zweiflers ärgste Qual /
Wenn er ihm keinen Schluß kan fassen.
Ich muß dem Herzen schon die Wahl
Nach seiner Neigung überlassen /
Und nachzufolgen mich bemühen
Wohin mich Glück und Sternen ziehen.

Vielleichte weist sich der Magnet /
Der meiner Seele Stahl gezogen /
(Wie mein getreues Hoffen steht /)
Auch desto eher mir gewogen.
Ich wag‘ es drauff: Verhängnis schicke
Zu meinem Fürsatz Heyl und Glücke!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 295-296)
_____


Die stumme Sprache

Wie können doch in einem Herzen
Die Lieb und Furcht Geferten seyn?
Wie kan sich Freude neben Schmerzen
Und Lust bey Unlust finden ein?
Wie kan sich plagen und vergnügen
An einen Ort zusammen fügen?

Wer liebet / weiß hiervon zu sagen:
Er redet / wenn er stille schweigt:
Man darff nicht von dem Munde fragen /
Was seiner Augen Feuer zeigt.
Ein stiller Seuffzer bricht für Worte
Durch fest-gesperrter Lippen Pforte.

Er suchet Silvien mit Freuden /
Und findet bey ihr seine Pein.
Wenn sich die Augen an ihr weyden /
So schmacht das Herz in Flammen ein.
Von ihrer süssen Augen Blitze
Empfindt sein Herze Frost und Hitze.

Man kan auff seinen Wangen lesen /
Was Amor ihm ins Herze prägt.
Im fall er anders soll genesen /
Muß Silvia dadurch bewegt
Ihm küssend auff die Lippen schreiben /
Ich will Silvanders eigen bleiben.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 296-297)
_____


Die schwere Reise

Des Monden tunckel-bleiches Licht
Weist sein ersterbend Angesicht
Auff des gestirnten Himmels Auen.
Ich sehe bey der braunen Nacht
Der muntern Sternen treue Wacht /
Als Zeugen / meine Schmerzen schauen.

Du liegst / mein Kind / in stiller Ruh /
Schliest unbesorgt die Augen zu /
Und speisest dich mit süssen Träumen;
Ich muß / wenn Mitternacht dahin /
Wie müd‘ an Leib und Geist ich bin /
Das harte Lager wieder räumen.

Ich muß / wenn Regen / Schnee und Wind /
Wenn Sturm und Frost ergrimmet sind /
In Felsen / Berg und Wäldern reisen /
Mit Schweigen / Seuffzen und Verdruß
Mein Kummervolles Herze speisen.

Doch dieses gieng‘ als Zucker ein /
Könt ich / mein Engel / bey dir seyn
Und deiner Gegenwart genüssen /
Wenn deiner hellen Sonnen Licht
Dein Himmelscheinend Angesicht
Ein Leit-Stern wäre meinen Füssen.

Ich wolte lustig dahin gehn /
Wo Phöbus pfleget auffzustehn
Und wo er wieder geht zu Bette /
Wo kalter Länder lange Nacht /
Den Tag von zweyen Stunden macht /
Wenn ich dich zur Gefertin hätte.

Ach aber! Ach! ich such umsunst
Bey Glück und Himmel solche Gunst /
Die mir allein die Hoffnung lassen /
Daß mir vielleicht die Zeit vergünnt /
Dich wieder einmahl / liebstes Kind /
Mit frohen Armen zu umfassen.

Inmittelst soll Beständigkeit
In das Register grauer Zeit
Mit Stahl und Diamanten schreiben /
Daß dir / Celinde / süsses Kind /
Weil ihm die Augen offen sind /
Silvander wird gewogen bleiben.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 297-298)
_____



Mein Vergnügen will verderben /
Meine Freude wird zur Pein /
Meine Hoffnung muß ersterben /
Doch will ich beständig seyn.

Alle Lust hab ich begeben /
Doch will mir kein Wechsel ein:
Muß ich unglückselig leben /
Will ich doch beständig seyn.

Die beflammte Sonnen-Kerze
Pflegt zu ändern ihren Schein /
Aber mein getreues Herze
Kan nichts als beständig seyn.

Was wir sehn und dencken künnen
Gehet steten Wechsel ein;
Aber meine treue Sinnen
Können nie verändert seyn.

Solte gleich die Erde brechen
Und der Himmel sincken ein /
Würd ich doch mit Freuden sprechen
Daß ich will beständig seyn.

Ob mich Glück und Himmel hassen /
Bleibet doch die Seele rein;
Müst ich Geist und Leben lassen /
Will ich doch beständig seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 298-299)
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Wer will hinfort beständig bleiben /
Wenn alles voller Unbestand?
Wer will in sein Gedächtnis schreiben
Was andre zeichnen in den Sand?
Was macht ein Celadon auf Erden /
Wenn jeder will ein Hylas werden?

Was will man sich mit Treue plagen?
Cupidens Flügel sind bekandt /
Die Venus hat von ihrem Wagen
Vorlängst den alten Zug verbannt /
Für Schwan und Taube sieht man Raben
Und Sperling‘ um die Deichsel draben.

Ich kan ja die von Herzen lieben /
Und jen‘ aus Pflicht und Höfligkeit /
Bey dieser mein Vergnügen üben /
Mit jener schliessen meine Zeit:
An Ort und Art / Gestalt und Stunden
Ist unser Lieben nicht gebunden.

So pflegt manch leichter Sinn zu sagen /
Der sich mit Schaden lustig macht /
Verbotnen Raub darvon zu tragen
Mit tausend Lüsten lebt bedacht.
Wer sich der Treue will befleissen /
Muß alber oder einsam heissen.

Was aber fragt nach solchem Schmähen
Der Harnisch tugendvoller Brust.
Der Ausgang wird uns lassen sehen /
Auff wen noch wart die beste Lust.
Wenn Stein und Gicht die Glieder brechen
Wird sie an ihm der Nachbar rächen.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 299-300)
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Was wilt du / stiller Celadon /
Bey Leuten eitler Sinnen machen /
Wo Trug und List / ein herber Lohn /
Auff treuer Unschuld Schaden wachen?
Der Kittel alter Redligkeit
Ist für die Mode-Welt ein viel zu schlechtes Kleid.

Wer anders sagt und anders denckt /
Bey Höll und Himmel sich verschweret /
Sein Herze dar und hier verschenckt /
Und doch an keinem Ort gewehret /
Verstehet seine Sachen wohl /
Und weiß / wie er sich recht bey Leuten halten soll.

Ich habe zwar vom Amadiß
Die meisten Theile durchstudiret /
Ich weiß / was zu der Argenis
Für Wort‘ ihr Poliarchus führet /
Der Schäffereyen schönes Land
Und Zipriens Parnaß ist mir nicht unbekandt.

Papier und Feder schämt sich nicht /
Läst wohl ein eitles Wort entfliegen /
Hat eh ein Liedchen eingericht /
Der Leute Willen zu vergnügen;
Doch / kömmts zum Reden / so hats Noth /
Die Zunge wird mir schwer / die Wangen werden roth.

Ich kan mich an die Heucheley
Und Hinterlist der Welt nicht binden /
Noch in die schnöde Sclaverey
Gezwungner Höfligkeiten finden.
Bin allzu sparsam stets verliebt /
Für Leute freyen Sinns zu stille / zu betrübt.

Was meinen Augen nicht gefällt /
Drum kan ich mich nicht viel bemühen /
Und solt ich allen Haß der Welt
Mir drüber auff den Nacken ziehen.
Ich halt auff meiner Freyheit Recht /
Weil mich der Himmel nicht gezeuget einen Knecht.

Die Redligkeit / mein bestes Gutt /
Kan ich niemahls von Sinne lassen /
Ich will mir einen frischen Mutt
Zu Trotze meinen Neidern fassen:
Laß Sturm und Wetter um mich seyn /
Ich hülle mich getrost in meine Tugend ein.

Wer nicht mein stilles Wesen liebt /
Kan meine Gegenwart nur meiden /
Ich werde mich ganz unbetrübt
Von seiner rohen Seite scheiden /
Beständigkeit und reine Treu
Ist mein gewisser Schmuck und beste Liverey.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 300-301)
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Monde / du Fürste der blinckenden Sternen /
Welcher mein Sehnen und Thränen beschaut /
Glänzende Paphie / der ich von fernen
Meine betrübte Gedancken vertraut /
Ziehe dein strahlendes Silber ein /
Schwärze mit Wolcken den spielenden Schein.

Himmel / für dem ich mein Leiden nicht häle /
Lüffte / mit Seuffzen und Klagen erfüllt /
Erde / bey der ich mit Weinen erzähle /
Wie mir in Stücke mein Herze zuspillt /
Führet mein Aechzen in eisame Klufft /
Berget mein Lechzen in finsterer Grufft.

Zeugin der stündlich empfindenden Schmerzen /
Tunckele Finsternis / traurige Nacht /
Welche mein thränendes Auge den Kerzen
Himmlischer Lichter zur Wette durchwacht /
Decke mit ewig-vergessener Ruh
Meine gehäuffte Bekümmernis zu.

Schweigende Qualen / verborgenes Leiden /
Unter der Asche begrabene Glutt
Müssen die schmachtende Seele durchschneiden /
Kochen in Adern das siedende Blutt /
Bitterer Thränen verschlossene See
Kräncket mein Herze mit Jammer und Weh.

Meine von Sorgen erblassete Wangen /
Meiner Corallen erstorbener Schein /
Meine Carfunckel mit Nebel umfangen
Werden Verräther der heimlichen Pein /
Aber der Lippen geschlossenes Thor
Darff doch mein Leiden nicht geben hervor.

Meine von Kummer verzehrende Jugend
Welche kein freudiges Hoffen ergözt /
Meine vom Unglück verfolgete Tugend
Aller Vergnügung und Freuden entsezt /
Müssen zum öfftern durch lachenden Mund
Bergen des Herzens bluttweinenden Grund.

Himmel / was soll ich noch endlich beginnen /
Wenn mir nicht einsten zu klagen erlaubt!
Meine von Schmerzen durchächtete Sinnen /
Mein von Betrübnis ermattetes Haubt
Dancken mit Freuden der Eitelkeit ab /
Wünschen zu kommen ins ruhige Grab.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 301-303)
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Vergnüge sich / wer will / mit grosser Zahl!
Ein einig Herz ist meiner Liebe Wahl.
Die Gütte / nicht die Menge / preist den Wein:
Was mir beliebt / ist werth und ungemein.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 303)
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Ich fürcht / es ist zu hoch: Doch besser hochgestiegen /
Als unversucht zur Erde liegen.
Ein hochgethaner Fall weist doch ein kühnes Wagen.
Manch Vorsatz muß zurücke schlagen.
Das Glücke stöst dem / der es sucht / zu handen:
Wer ihm nicht traut / wird ohne Ruhm zu Schanden.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 303)
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Was dienet mir der blassen Sternen Kranz /
Wenn mich erleucht der hellen Sonne Glanz?
Der lichte Tag besieget iede Nacht /
Die Mond und Stern nur halb-erleuchtet macht.
Verblendt mein schwaches Auge gleich der ungewohnte Schein /
Soll mir doch eine Sonne mehr als tausend Sternen seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 303)
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Gemütte / welches mehr als Wind und See zu fliehen /
Und das mich geben lernt der Liebe gutte Nacht /
Nicht hoffe / daß du mich / nachdem ich frey gemacht
Wirst wieder an dich ziehen.
Thöricht muß der Schiffer seyn /
Der dem Schiffbruch ist entgangen /
Und an einem Felsen-Stein
Noch das zweyte mahl bleibt hangen.

Wer will auff glattes Eiß und deine Worte bauen?
Je mehr man schleust die Hand / ie minder man dich hält /
Unglücklich / wen der Schluß des Himmels hat bestellt /
Nach dir sich umzuschauen.
Du bist ihm zur Qual bestimmt /
Wie der Stein in Sisiffs Händen /
Der / wenn er zur Spitze kümmt /
Wieder pfleget unzuwenden.

Dein Sinn / der ohne Wahl und kurze Stunden liebet /
Hat unter so viel Glutt erstecket meinen Brand /
Und mir darvor diß Eiß / die Kälte zugewandt
Die meine Brust umgiebet.
Deine Fessel sind entzwey.
Deine Ketten sind gebrochen /
Hylas ist der Bande frey /
Und von Fillis loßgesprochen.

Izt soll ein Lorber-Kranz mein kühnes Haubt umgürten /
Und meiner Freyheit Ruhm erhöhn das ganze Rund.
Izt soll mein Palmen-Zweig der Erde machen kundt
Die Schwachheit deiner Myrthen.
Fama gräbt in Marmor ein
Mir zum stetem Sieges-Zeichen
Flammen / die ein Herz bestreichen /
Aber ausgeloschen seyn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 305-306)
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Ihr Nymphen / deren blühende Wangen
Mit Rosen und Lilien prangen /
Geniesset in Zeiten /
Geniesset der munteren Glieder:
Verflossene Jahre die kommen nicht wieder.

Der dürre Staub / geschrumpffene Wangen
Kan wenig Lust vom Lieben erlangen;
Muß ohne Geniessen
Verzehren die trockenen Glieder.
Verflossene Jahre die kommen nicht wieder.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 306)
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Was zwingt die Liebe nicht? Cupidens List und Macht
Hat manchen Jupiter in seine Netze bracht.
Gradivens kühner Leib in Stahl geschlossen ein
Kan für den Waffen nicht der Venus sicher seyn.
Der Schönheit brennend Glanz verstärckt das helle Licht /
Im fall sein Gegen-Schein auff festen Stahl gericht /
Kein Herze findet sich so eisenhart und kalt /
Sie bildet in ihm ab die liebliche Gestalt
Des Schönen Angesichts / und heget / wo nicht Brunst /
Doch eine stille Glutt und zugethane Gunst.
Des Menschen Eigenschafft / des Menschen Sinn und Stand/
Die Ordnung der Natur bringt mit sich solchen Brand /
Den ein verliebter Geist in allen Adern fühlt /
Mit steter Gegenwart zu neuen Zunder kühlt.
Nicht lieben / was man doch für Liebens würdig hält /
Ist eine Sache / die zu schwer dem Willen fällt;
Dem Willen / welcher diß zu haben ist bedacht /
Was ihm der Sinnen Schluß als liebbar vorgebracht.
Diß Lieben / was sich uns als unser Bildniß zeigt /
Ja näher als ein Bild zu unsrer Gleichheit neigt /
Ist unsre von Natur verpflichte Schuldigkeit /
Die uns / und was uns gleicht / zu lieben selbst gebeut.
Zu dem noch die Gewalt des Gegenstandes kümmt /
Die durch verborgnen Zug uns unsre Freyheit nimmt /
Und mit dem Wercke selbst bezeugt vor iedermann:
Die Frauen-Liebe sey der Männer ihr Tyrann.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 306-307)
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Hoffnung gleichet einem Wilde /
Das ein ieder fangen kan /
Sie ist allen Herzen milde /
Wer sie will / der trifft sie an /
Aehnlicht einem Schatten-Bilde /
Folget der Begierden Bahn.
Hoffnung gleichet einem Wilde /
Das ein ieder fangen kan.

Solche Freude quillt vom Hoffen /
Die bey allen kehret ein.
Keiner / der nach ihr geruffen /
Höret ein betrübtes Nein /
Wer ihr Ohr und Herz hält offen /
Kan allzeit vergnüget seyn.
Solche Freude quillt vom Hoffen /
Die bey allen kehret ein.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 307-308)
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Was machstu noch bey mir / vergebnes Hoffen?
Du hast getroffen
Verstählte Sinnen /
Die zu gewinnen
Kein ächzend Sehnen
Kein‘ heisse Thränen
Genung seyn künnen /
Die von den trüben Augen rinnen.
Ist denn nun kein Erbarmniß hier /
Was machst du noch bey mir?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 308)
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Die Hoffnung / welche sich kan nimmer ruhig wissen /
Die ists / die unser Herz in tausend Stücke theilt.
Die Wunden / welche sonst Gedult und Zeit verheilt /
Hat eitles Hoffen mehr als erstlich auffgerissen.

Im fall nicht Tantalus im Wasser müste stehen /
Im fall die Aepfell ihm nicht reichten an den Mund /
Da ihm doch Speiß und Tranck zu brauchen nicht vergunnt /
So würde seiner Qual ein grosser theil entgehen.

Ihr / die ihr Ruhe sucht in schwerer Angst und Leyden /
Wie sehr euch auch beschwert die aufferlegte Pein /
Im fall ihr mit der Zeit derselben loß wolt seyn /
So müsset ihr die Last der eitlen Hoffnung meiden.

Die Hoffnung / fremdes Gutt und Ehre zu erlangen /
Schickt ein verwegnes Herz auffs fichtne Wasser-Hauß /
Füllt die erzürnte See mit todten Leichen auß.
Die Hoffnung macht das Garn mit reichem Raube prangen.

Der Hoffnung pfleget sich Bellona zu bedienen /
Wenn sie das blancke Feld mit Menschen-Blutte nezt:
Im fall die Hoffnung ihr ein langes Ziel gesezt /
Soll unbeweget stehn der Bau der Himmel-Bühnen.

Soll Wind und Wetter sich zu ihren Willen schicken /
Da das Gesetze doch der Noth ein Eisen bricht.
Drum hoffe wahren Trost nur von der Hoffnung nicht:
Je mehr du diese nährst / ie mehr die Last wird drücken.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 308-309)
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Soll Celadon die stille Glutt
Denn sterbend unter einer Flutt
Von heissen Thränen sehn verglimmern?
Läst Celimene keinen Stral
Der Gütte nach so langer Qual
In sein getreues Herze schimmern?

Es ist geraume Zeit dahin
Daß ich ihr Diener worden bin /
Mann will mich nicht vor Sclav erkennen.
Man sieht die helle Flamme nicht:
Wenn Feuer aus den Augen bricht /
Wie solte nicht das Herze brennen!

Es brennet ja so viel es kan /
Und zündt sich stets von neuem an
Von der erzürnten Augen Blitzen.
Der müste ja ein Demant seyn /
Den der befunckten Lichter Schein
Nicht könt erweichen und durchhitzen.

Die Glutt / die unser Herz entsteckt /
Wenn sie gleich Zorn und Unmut deckt /
Ist liebens werth und schön zu schätzen.
Ach / wenn sie wolten freundlich seyn /
Wie könten sie die schwere Pein
Mit überhäuffter Freud ersetzen!

Zwar hoffet solche süsse Gunst
Von Celimenen nur umsunst
Ein Herze / das verdammt zu leyden.
Sie glaubets nicht / sie achtets nicht /
Daß mich die heisse Sonne sticht /
Biß ich mich werd in Asche kleiden.

Nur eine Sonne brennt den Mohr /
Die dennoch offt den schwarzen Flor
Der Wolcken hengt für ihren Wagen:
Zwey Feuer sind zu viel! Wer kan
Zugleich / wie ich bißher gethan /
Die Schönheit und den Haß vertragen!

Doch / wo hier kein Erbarmen gilt /
So brenne ferner wie du wilt /
Dein Celadon wird diß nicht achten /
Er bleibet dir in stillem huld /
Und wird mit freudiger Gedult
Von Celimenens Augen schmachten.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 309-310)
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Was vor ein Schmerzen ists / verliebt zu leben /
Mit stetem Verdrüssen
In enge Ketten schliessen
Der Freyheit Schatz /
Den köstlichen Platz
Der Seel offt falschen Sinn zu Raube geben!
Was vor ein Schmerzen ists / verliebt zu leben!
Man stirbet ohn sterben /
Muß offt um diß verderben /
Was ungemahlt /
Die Mühe nicht zahlt /
Die Seele falschen Sinn zum Raube geben.
Was vor ein Schmerzen ists / verliebt zu leben!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 310-311)
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Könte sich ein krancker Mutt
Seiner Bande machen loß /
Wenn das Herz zu wehe thut /
So säß in des Glückes Schoß
Wer empfindt der Liebe Glutt.

Aber weil der Sternen Schluß
Selten wieder machet frey
Den mit Lieb‘ umstrickten Fuß /
Lebt in harter Sclaverey
Wer der Liebe dienen muß.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 311)
_____


Wohlgegründete / übereilte und getheilte Liebe

Wenn wahre Glutt
In treuem Herzen brennet /
Den Grund der edlen Flamme kennet /
So taurt ihr ungefärbter Schein /
Biß daß wir Asche seyn /
Ohn allen Wanckelmutt;
Es muß ihr ieder Tag verneuten Zunder geben /
Und sie der Treue Ruhm biß zu den Sternen heben.

Wenn falsche Glutt
Die Augen übereilet /
So wird das Herze leicht getheilet /
Der Sinnen unbegründter Schluß
Gebieret Uberdruß
Und leichten Wanckelmutt:
Doch aber steh ich an / ob so vergänglich Brennen
Ein Feuer / oder nur ein Irrlicht sey zu nennen.

Wenn gleiche Glutt
Aus Wang‘ und Auge blitzet /
Zu einer Zeit das Herz erhitzet /
So schmerzet uns die schwere Wahl /
Und plagt mit tausend Qual
Den ungewissen Mutt.
Sagt / Nymphen / könt ihr denn auch so zertheilte Flammen/
Die ihr zugleich in uns erweckt / schlecht hin verdammen?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 312)
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Die Einsame und Verliebte

Betrübte Nacht / in der mich Lieb‘ und Schrecken
Ohn Unterlaß von meiner Ruh erwecken /
Wenn kömmt einmahl die angenehme Nacht /
Die meiner Pein ein frölich Ende macht?

Du gehst dahin / nicht aber mein Betrüben /
Der Morgen kömmt / nicht aber mein Belieben:
Dein frischer Thau erquickt das dürre Land;
Wer kühlet mir den ungelöschten Brand?

Der Sterne Glanz erleuchtet deinen Schaten /
Und lehret dich der heissen Sonn entrathen;
Wer tröstet mich / wenn dieses Auge weint /
Daß ihm kein Stern und keine Sonne scheint?

Philander ruht in süssen Schlaff gewieget /
Wenn Einsamkeit in meinen Armen lieget:
Die leichte Last der Federn ist zu schwer /
Ich wende mich vergebens hin und her.

Endimion kan mit Dianens Küssen
Den Uberdruß der langen Nacht versüssen:
Mein Hunger wächst durch fremden Uberfluß:
Ach hätt ich nur für tausend einen Kuß!

Der stille Brand verzehret mein Geblütte /
Mein Herze raucht / wie Bajens Schwefel-Hütte /
Die Geister sind bey mir umsonst bemüht /
An der man selbst nur dürren Schatten sieht.

Komm / Sonne / komm / und bringe deinen Morgen /
Komm früher Tag / du Trost verliebter Sorgen /
Und laß mich den / den ich verlange / sehn /
Sonst ists um mich für Abends noch geschehn.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 313)
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Die Verliebte und Betrübte

Betrübte Nacht / in der mich Furcht und Schrecken
Ohn Unterlaß von meiner Ruhe wecken /
Wenn kömmt ein mahl die lange Mitternacht /
Die meiner Pein ein endlich Ende macht?

Du gehst vorbey / mein Leyden bleibt zu rücke /
Die Stunden fliehn / doch nicht mein Ungelücke.
Dein kühler Thau erfrischt den trocknen Klee /
Mich überschwemmt der Thränen heisse See.

Es ruht die Welt in sanfften Schlaff gewieget /
Wenn meine Seel in tausend Aengsten lieget /
Ich werffe mich mit Seuffzen hin und her /
Das leichte Bett ist mir als Bley zu schwer.

Die stille Glutt durchkocht die dürre Seele /
Das Herze brennt wie Etnens Schwefel-Höle /
Mein Wange zeigt der rothen Flamme Schein /
Wird aber bald voll bleicher Asche seyn.

Kein schwerer Traum darff mich bekümmert machen /
Ich habe Qual genung bey hellem Wachen.
Mein Leben ist ein Traum und Gauckel-Spil /
Damit mich Glück und Zeit bethören will.

Komm / blasser Mond / und leuchte mir zu Grabe /
Da ich forthin die beste Ruhstatt habe.
Erreich‘ ich gleich des jungen Tages Licht /
So überleb‘ ich doch die Sonne nicht.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 314)
_____



Die junge Frau und der alte Mann

Die ganze Nacht sitzt mir der Floh in Ohren:
Mein Alter schnarcht / wenn ich die Ruh verlohren.
Er kehret mir den kalten Rücken zu /
Wenn ich mit ihm am allerschönsten thu.

Der Hitze Macht kan Eiß und Steine zwingen /
Und keinen Safft aus diesem Felsen bringen.
Er fühlt vor mich zu wenig / ich zu viel /
Die Karth entfällt ihm / wenn ich spielen will.

Mein Mund / gewohnt den Marmor zu entzünden /
Kan keine Glutt in seiner Asche finden.
Mein süsser Kuß / mein Zug der linden Hand
Wird nur bey ihm vergebens angewandt.

Komm / Liebe / komm / mir Aermsten Recht zu sprechen /
Komm meine Glutt / wo nicht sein Eiß / zu brechen /
Ich habe gnug bey seinem Schnee geschwizt /
Sein Eiß ist gnug bey meinem Brand erhizt.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 314-315)

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Die ganze Nacht liegt mir mein Weib in Ohren /
Sie hat den Schlaff und ich die Ruh verlohren /
Sie schleust mich ein in Armen voller Glutt /
Verbrennt und kocht das ausgefrorne Blutt.

Ihr heisser Brand will See und Flutten haben /
Wenn andre kan ein Bächlein Nectar laben.
Welch Brunnquell kan so unergründlich seyn /
Der nicht von Sonn‘ und Dürre trocknet ein?

Mein Lebens-Oel ist meistentheils verglommen /
Nachdem ich bin zu frischem Feuer kommen;
Geb ich den Rest auff eine Zeit dahin /
Wer leuchtet ihr / wenn ich erloschen bin?

Wer kan den Durst der Wassersucht bestillen /
Und die Begier erregter Lüste füllen?
Viel besser ist getheilter Uberfluß /
Als wenn man bald auff einmahl darben muß.

Man wärmt sich auch bey halberstorbnen Kohlen /
Kan Feuer aus der lauen Asche holen /
Ein später Herbst gewehrt die beste Frucht /
Die man umsonst im goldnen Lenzen sucht.

Aus Felsen muß das beste Wasser springen /
Wiewohl es nicht ohn Mühe zu erzwingen.
Der Eckel gällt die leicht-erworbne Lust /
Und Hunger würzt die lang‘ erwartte Kost.

Muß grünes Holz mehr Rauch und Thränen schwitzen /
Ein dürrer Stock kan dennoch besser hitzen.
Die Gütte / nicht die Menge / preist den Wein /
Und Balsam flöst man nur mit Tropffen ein.

Drum / Liebe / komm mir Alten Recht zusprechen /
Komm ihre Glutt / und nicht mein Eiß / zu brechen /
Damit ihr Brand / durch meinen Schnee gekühlt /
Mit sanffter Glutt und lindern Flammen spielt?

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 315-316)
_____



Schlaf / angenehmes Kind der stillen Nacht /
Arzt der von Müdigkeit erstorbnen Geister /
Des Kummers Feind und Tod / der Sorgen Meister /
Warum halt ich allein in meinem Bette /
(Das mir der Unruh Grab soll seyn) die Wette /
Mit tausend Sternen an dem Himmel Wacht?

Wo ist dein süsses Thun / die stille Ruh?
Wo sind die Träume / die uns zu vergnügen
Bey brauner Nacht um unser Lager fliegen?
Du selber schläffst / o Schlaf / wie ich vermeyne:
Komm / du des Todes Bild / komm und erscheine /
Schleuß dieses müde Paar der Augen zu.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 317)
_____


Nicht eine Allein

Soll mein Gesichte denn ein einig Leit-Stern binden?
Des Himmels rundter Kreiß hegt Lichter ohne Zahl:
Wie leicht verirret sich die ungewisse Wahl /
Stets in die Sonne sehn macht starres Aug-Erblinden;
Bey einem Anblick kan ich kein Vergnügen finden.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 317)
_____


Nur eine allein

Könt ich der Sonnen Glanz in allen Augen finden /
So wär ich auch vergnügt mit manchem Sternen-Strahl /
Sie zeigten mir dein Bild als Spiegel allzumahl.
Weil aber Mond und Stern bey heller Sonn erblinden /
So will ich auch mein Herz an die alleine binden.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 317-318)
_____



Soll denn mein Auge nur an einem Auge kleben /
Viel tausend Lichter hegt des Himmels rundter Kreiß /
Daß man den Unterscheid dabey zu lernen weiß:
Stets einerley zu sehn / kan kein Vergnügen geben.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 318)
_____



Kein Monde gleichet sich dem hellen Sonnen-Lichte /
Für tausend Sternen hat ihr Glanz und Schein den Preiß.
Weil / ausser Cloris / ich nun keine Sonne weiß /
Verehr ich auch allein ihr schönes Angesichte.

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 318)
_____


Vergebene Hoffnung

Offters traumt dem / der gebunden /
Daß er seine Freyheit hat:
Wenn der Morgen angegangen /
Ist der falsche Traum verschwunden /
Und die Hoffnung findt nicht statt.
Er bleibt an den Fesseln hangen /
Das geht ihm viel schwerer ein:
Besser ists ohn Hoffnung seyn!

Bettler sind offt reich an Schätzen /
Die der falsche Traum gewehrt;
Wenn der Tag ist angebrochen
So verschwindet ihr Ergötzen /
Und der Beutel bleibt geleert.
Brod für fremder Thüre suchen
Geht hernach ohn Hoffnung seyn!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 318-319)
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Flora saß auff ihrem Throne /
Bey ihr sah man die Napeen
Unter tausend Blumen stehen;
Loß und Glücke solten weisen /
Welch am meisten sey zu preissen:
Was geschah? Die weisse Bohne
Ward der Anemone.

Flora rieff mit hellem Thone:
Manche spürt man übel riechen /
Ob sie schön: die Veyeln kriechen /
Rosen stechen / Liljen färben /
Nelcken welcken / Tulpen sterben:
Drum für aller Blumen Crone
Gilt mir Anemone.

Nord-Wind / wenn du mir zu Hohne
Mit verneutem Winter dräuest /
Schnee und Hagel um dich streuest /
Will ich zwar gedultig lassen
Manche weiche Blum‘ erblassen /
Aber diß beding‘ ich / schone
Meiner Anemone.

Venus mit dem zarten Sohne
Kam in Garten Blumen brechen /
Hörte diese Worte sprechen /
Sagte / daß Sylvanders Treue
Bald die schönste Blum erfreue?
Geh / und krön‘ ihn / Kind / zu Lohne
Mit der Anemone.

Amor war bereit zur Frohne /
Flochte für den treuen Hirten
Anemon auff grüne Myrthen:
Dieser sang mit tausend Freuden:
Weil ich werde Lämmer weyden /
Wo ich treibe / wo ich wohne /
Blüh‘ mir Anemone!

(aus: Anemons und Adonis Blumen S. 319-320)
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Alle Gedichte aus: Herrn Hannß Aßmanns Freyherrn von Abschatz
Poetische Übersetzungen und Gedichte.
Mit Königl. Poln. und Chur-Sächs. Privilegio
Leipzig und Breßlau bey Christian Bauch / Buchhändl.
Anno M DCC IV (1704)


siehe auch Teil 1





 

 


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